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NFL Third and Long Week 7: Bortles-Debakel - und kann man mit Defense gewinnen?

Die Baltimore Ravens sind bislang in dieser Saison die defensive Ausnahme in der NFL.
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AFC Playoffs, MVP, Rams, Bears, wackelnde Trainerstühle - eure Fragen

Ein Juppie: Läuft dieses Jahr in der AFC alles auf ein Championship Game zwischen den Patriots und den Chiefs hinaus? Oder siehst du da jemanden (Ravens, Chargers), der sich noch einmischen kann? Außerdem: Wer wäre aktuell für dich MVP, wenn die Saison heute endet?

Aktuell sind die Chiefs und die Patriots auch meine klaren Favoriten in der AFC, aber: bis zu den Playoffs ist noch unglaublich viel Zeit, und Chiefs- sowie Eagles-Fans können leidvolle Erfahrungen mit Andy Reids Coaching in den Playoffs teilen. Würde es mich also schocken, wenn Kansas City (nach heutigen Eindrücken, natürlich) in der Divisional Runde an einem disziplinierten, komplexen Ravens-Team mit einer unglaublich unangenehmen Defense und einer in Phasen gefährlichen Offense scheitert? Nein.

Die Chargers, mit der Rückkehr von Joey Bosa erst recht, sind auch ein richtig gefährliches Team, gerade wenn man sieht, wie stark die Offense auftritt. Und wer weiß schon, wie die Steelers in vier, fünf Wochen vielleicht mit Le'Veon Bell zurück und einer sich weiter stabilisierenden Defense aussehen?

Und zum zweiten Teil der Frage: Es gibt in meinen Augen noch keinen klaren Top-Kandidaten, ich bleibe bei der generellen Auswahl aber bei den Quarterbacks. Philip Rivers muss man zunehmend weit vorne auf der Liste haben, Drew Brees ebenfalls. Patrick Mahomes wäre aktuell aber mein Pick. Was er vor und nach dem Snap bereits mental leistet, was er physisch mit dem Ball in der Hand in und außerhalb der Pocket kann und wie weit er einfach als Quarterback schon ist, ist unglaublich beeindruckend. Und die Zahlen in jeder Hinsicht hat er natürlich auch.

Ich würde beispielsweise keineswegs Gurley, der ja gerade viel MVP-Hype bekommt, wählen. Gurley ist ein sehr guter Spieler, aber ist er der wertvollste Spieler der Liga? Oder überhaupt in seinem Team? Oder in seiner Offense? Für mich ein klares Nein zu jeder Frage.

Gurley ist in einem herausragenden Scheme, das ihn perfekt einsetzt und ihm einfache Runs (dazu später mehr) und Screens beziehungsweise Pässe im offenen Raum beschert, während er ganz nebenbei hinter einer der besten Lines läuft. So dynamisch er als Downhill-Runner und nach dem Catch auch ist. Gurley, mit all seinen spektakulären Zahlen, ist ein Komplementär-Teil in einer unglaublich guten Rams-Maschine.

Max Vatter: Welcher Coaching-Stuhl wackelt derzeit am meisten?

Ich glaube, wir sind tatsächlich an dem Punkt angekommen: Es ist Hue Jackson in Cleveland. Wo die anderen Kellerkinder der Liga im kompletten Umbruch sind (Buffalo), einen First-Year-Coach haben (Arizona, Oakland, Giants) oder von Verletzungen einfach zerstört wurden (San Francisco), gehen nach und nach selbst Jackson langsam die Ausreden aus.

Das ist ein talentiertes Team, mit einer aggressiven, zu Big Plays fähigen Defense, einer soliden Offensive Line und einem vielversprechenden Rookie-Quarterback - und trotzdem sehen wir Woche für Woche einige unerklärliche Entscheidungen. Die betreffen das Play-Calling auf beiden Seiten des Balls, aber auch In-Game-Entscheidungen in kritischen Situationen. Dass er nach dem Spiel dann öffentlich seinen Offensive Coordinator ans mediale Messer liefert, riecht ebenfalls nach Verzweiflung.

Die Browns sind jetzt an einem kritischen Punkt in ihrer Franchise, mit Mayfield auf dem Rookie-Vertrag beginnt das im Idealfall fünfjährige Fenster, in dem man als Team etwas aufbauen und aggressiv sein will. Und die Frage muss schon erlaubt sein: Glaubt irgendwer noch, dass Jackson dafür der richtige Mann ist? In wie weit hat er gezeigt, dass er junge Spieler und ein junges Team entwickeln kann? Glaubt Dorsey, dass Gregg Williams und Todd Haley dafür die richtigen Kandidaten sind?

Ehrlicherweise könnte ich keine dieser Fragen positiv beantworten. Fast auf Augenhöhe mit Hue ist dann Dirk Koetter in Tampa, der sein erstes Bauernopfer (wenngleich: völlig zurecht) mit der Entlassung des Defensive Coordinators bereits hinter sich hat. Dieses Team stagniert unter Koetter, ich kann mir nicht vorstellen, dass er den Black Monday noch als Bucs-Coach erlebt.

Fabian Maltzan: Die Rams sind mit ihren 11-Personnel-Formationen und Play-Action-Spielzügen offensiv brutal erfolgreich. Warum setzen andere Offensive Coordinators nicht auch konsequenter auf diese Spielweise? Und warum ist es - obwohl bekannt - so schwer zu verteidigen?

Das habe ich mich selbst schon sehr häufig gefragt in dieser Saison. Im Prinzip ist der Gedanke doch ganz simpel: Bei einem Run-Play beginnt man, sagen wir bei fünf Blockern gegen vier Defensive Linemen und einen Linebacker. Dann nimmt die Offense zusätzlich einen Tight End als Blocker In-Line dazu, die Defense zieht einen Linebacker nach. Die Offense zieht noch einen Linebacker oder einen Fullback mit dazu, und ein dritter Linebacker ist in der Box.

Und schon hat man eine wahnsinnig enge Formation - mit viel mehr Möglichkeiten, wo das Play für die Offense schiefgehen kann. Bei einem Run Play gibt es wahnsinnig viele Variablen, von denen der Running Back und letztlich der Erfolg des Run Plays abhängen. Je mehr Blocker (und damit auch Verteidiger) in diese Formel gepackt werden, desto enger und schwieriger wird alles für die Offense.

Die Rams spielen nahezu exklusiv aus 3-Receiver-Sets und laufen viel aus ihren Spread-Formations, die ganz direkte Konsequenz? Kaum ein Running Back läuft gegen so wenige 8+ Men Boxes wie Todd Gurley. Für Gurley werden somit die Reads einfacher, genau wie für die Offensive Line und im Endeffekt gibt es eigentlich nur Vorteile.

Meine Vermutung: viele Coaches sind nach wie vor einfach gefangen in ihrer eigenen Prägung und den Ideen von Football, die vor acht, zehn oder 15 Jahren noch zutreffend waren. Die gute Nachricht aber: erfolgreiche Ansätze in der NFL werden früher oder später immer übernommen, und Teams werden in der Offeseason die Rams und die Chiefs ganz genau analysieren.

Jonas Barthel: Von 1 bis 10: Wie hoch schätzt du die Chance ein, dass die Bears mit Mitch Trubisky ein Contender werden können?

Ich würde es Richtung 4 einordnen. In Chicago passt aktuell schon sehr viel: Ich glaube, dass der Trainerstab enormes Potential hat, wir haben jede Menge Potential in der Offense was die Skill-Position-Player angeht und die Defense insgesamt hat ohne Frage Top-5-Potential.

Die Situation um ihn herum ist also sehr gut, aber noch bin und bleibe ich bei Trubisky skeptisch. Vor allem zwei Aspekte sind dabei für mich alarmierend: Accuracy und Reads. Wir haben es in dieser Saison jetzt schon sehr oft gesehen, dass über das Scheme Receiver frei sind - Trubisky findet sie aber nicht, oft scheint er auch gar nicht zu wissen, wo er mit seinen Augen hingehen soll und macht mitunter haarsträubende Fehler. Gegen die Pats hätte er zwei Endzonen-Picks haben müssen.

Und in puncto Accuracy ist er einfach wahnsinnig inkonstant. Da segeln Pässe teilweise deutlich über seine Receiver, hier hat Trubisky noch eine Menge Arbeit vor sich. Und natürlich ist er noch jung und hat vergleichsweise extrem wenig Erfahrung, da er auch im College nur sehr wenig gespielt hat. Insofern kann das alles noch kommen, zur Mitte seiner zweiten NFL-Saison ist tendenziell bei mir die Skepsis aber noch größer als der Optimismus.

Becks23: Sind die Texans gut?

Die Texans haben die Star-Power mit Watson und Hopkins offensiv sowie Clowney, Watt, Mercilus und Mathieu defensiv, um enge Spiele für sich zu entscheiden und schlechte Teams zu bezwingen.

Aber sind sie wirklich gut? So weit würde ich nicht gehen, dafür sind sie in zwei ganz zentralen Bereichen zu anfällig: Outside-Cornerbacks und Offensive Line. Letzteres insbesondere ist für mich eine tickende Zeitbombe, die irgendwann Watson dann auch mal in die Knie zwingen wird.

Und ihnen spätestens in den Playoffs, die ich Houston mit Blick auf den Zustand der Division aktuell definitiv zutraue, um die Ohren fliegen wird. Gerade im Vergleich zur AFC-Spitze sind die Problemzonen bei den Texans doch eklatant.

Steffen Taut: Die Art und Weise, wie Taysom Hill als "QB" in New Orleans (und teilweise auch Lamar Jackson in Baltimore) eingesetzt werden, ist extrem kreativ und vielseitig. Siehst du hier einen Trend auf die NFL zukommen, oder hältst du das für einen Einzelfall?

Einen generellen Trend - also dass Teams dafür bewusst einen Spieler suchen und bewusst die entsprechenden Plays installieren - sehe ich damit nicht kommen. Eher eine zusätzliche Dimension für Teams, die einen Spieler mit derartigen Möglichkeiten im Team haben. Immerhin darf man nicht vergessen, dass für derartige Plays wertvolle und nur begrenzt vorhandene Trainingszeit geopfert werden und man außerdem bereit sein muss, seinen (Franchise-)Quarterback in mitunter kritischen Situationen den Ball aus der Hand zu nehmen.

Umgekehrt zwingt man natürlich auch eine Defense, sich auf die entsprechenden Plays vorzubereiten und somit auch wertvolle Trainingszeit unter der Woche zu investieren. Aber für mich ist es nicht mehr als ein Gimmick-Play - auch wenn gerade die Saints das dieses Jahr sehr gut und aggressiv einsetzen.

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