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NFL Third and Long: Neue Offenses und wie sie funktionieren - und Lamar Jackson

Carson Wentz und die Philadelphia Eagles sind in puncto Innovation weit vorne mit dabei.
© getty

Welche offensiven Stilelemente werden 2018 noch mehr Teams übernehmen? Welche Säulen machten die Chiefs und die Eagles in der vergangenen Saison unter anderem so stark? Und wie verlief eigentlich das Debüt von Lamar Jackson? Die Kolumne von SPOX-NFL-Redakteur Adrian Franke ist zurück aus der Sommerpause - inklusive eines prall gefüllten Mailbags mit euren Fragen.

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Die Einflüsse der neuen Offenses - wie Teams ihren Quarterbacks helfen

Offense ist Trumpf in der NFL, das weiß jeder, und die Umsetzung der neuen Helm-Hit-Regel im Hall of Fame Game legt nahe, dass das Verteidigen künftig noch schwieriger wird. Gleichzeitig aber haben Offenses ihre ganz eigenen Probleme, in meiner letzten Kolumne vor dem Urlaub hatte ich die Offensive-Line-Krise analysiert.

Gleichzeitig kommen Quarterbacks immer seltener (zu verstehen als: quasi nie) als echte Pocket-Passer aus dem College, viele haben kaum Erfahrung mit Under-Center-Formationen, komplexen Reads oder Pre-Snap-Adjustments.

Doch die vergangene Saison hat gezeigt, wie enorm das Scheme im Passspiel einen Quarterback unterstützen und auf ein neues Level heben kann; neben Jared Goff in L.A. waren die Eagles und die Chiefs, bei denen Alex Smith die wohl beste Saison seiner Karriere spielte, ganz vorne mit dabei.

Da Teams in der NFL funktionierende Konzepte auf die eine oder andere Art immer kopieren - und die Eagles nun mal mit Nick Foles den Super Bowl gewonnen haben - werden bestimmte Aspekte in der kommenden Saison noch stärker vertreten sein. Auch über die Run Pass Options hinaus, die inzwischen jeder kennen dürfte.

Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt's in der heutigen Ausgabe von Third and Long.

NFL Offenses: Trends made in Philadelphia und Kansas City

Die Eagles mit Doug Pederson sowie die Chiefs unter Pedersons langjährigem Lehrer Andy Reid führten die Liga nicht nur in Run Pass Options in der Regular Season an (181 beziehungsweise 168).

Das Tape der beiden Teams gibt einem vielmehr ein generelles Gefühl dafür, welche weiteren Konzepte Offenses in der kommenden Saison stärker prägen und Quarterbacks, die eben nicht zur Klasse der absoluten Elite zählen, unterstützen sollen.

Und auch ein Elite-Quarterback wie Drew Brees, der von allen Quarterbacks seit 2007 prozentual mit Abstand die meisten Pässe aller Quarterbacks zu den Running Backs geworfen hat (26,7 Prozent seiner Targets), profitiert hier: Über 25 Prozent seiner Pässe (!) überquerten die Line of Scrimmage nicht, die Saints waren das beste Screen-Game-Team der vergangenen Saison.

Neben den RPOs und Play Action - der angetäuschte Run mit Pass danach bringt in puncto Yards pro Play deutliche Vorteile gegenüber dem Standard-Pass, insbesondere bei 1st&10 - ist der Screen Pass eines der "klassischen" Mittel, um dem Quarterback einfache Reads und Pässe zu ermöglichen.

Dennoch liefen Teams in der vergangenen Saison bei 1st&10 im Schnitt nach wie vor in 53 Prozent der Fälle und liefen insgesamt wieder mehr, was zu einer statistischen Anomalie einer Saison führte. Aber es gab auch Ausnahmen, und wenig überraschend waren die Eagles und die Chiefs hier wieder ganz vorne mit dabei.

Die Pass-freudigsten Teams bei First und langem Second Down:

TeamRun-Percentage (Runs)Dropback-Percentage (Dropbacks)
Eagles43 Prozent (146)57 Prozent (195)
Chiefs44 Prozent (160)56 Prozent (201)
Patriots44 Prozent (139)56 Prozent (178)
Steelers44 Prozent (149)56 Prozent (189)
Rams45 Prozent (115)55 Prozent (140)
Chargers45 Prozent (164)55 Prozent (201)

Die Tabelle zeigt die Aufteilung bei 1st&10 und 2nd&Long (7-10 Yards) außerhalb der Red Zone bei einem Spielstand von maximal sieben Punkten Differenz.

Ein Pass bei 1st&10 sowie langen Second Downs ist statistisch betrachtet erfolgsversprechender, Play Action funktioniert im Vergleich am besten bei 1st&10 mit dem Quarterback Under Center. Das führt auch direkt zum Kern, denn ganz simpel formuliert kann man die QB-freundlichen Konzepte, die unter anderem Kansas City und Philadelphia in der vergangenen Saison so gut umgesetzt haben, unter zwei Oberbegriffe packen:

Ablenkung auf der einen und klar definierte Reads für den Quarterback auf der anderen Seite.

Eagles und Chiefs: Offense Schemes mit QB-Hilfe

Das erste Beispiel hierfür ist ein Chiefs-Touchdown im Heimspiel gegen die Chargers. Die Szene passt so gut, weil gleich beide Elemente gegeben sind - die Ablenkung und der klare Read.

Tatsächlich gibt es gleich zwei Fake-Elemente, um die Defense unter Druck zu setzen. Tyreek Hill, der mittlere Receiver, täuscht mit seinem Laufweg nach dem Snap einen Screen Pass an. Seine einzige Rolle in diesem Play also ist es, als Ablenkung zu fungieren. Defenses müssen seine Geschwindigkeit respektieren und wissen, dass die Chiefs gefährliche Screen-Pakete haben. Das macht ihn hier so gefährlich, obwohl er nichts mit dem Ball zu tun hat.

Das zweite Täuschungselement ist der Play-Action-Fake zum Running Back, der anschließend eine kurze Route in die Mitte läuft und dadurch einen der Linebacker beschäftigt. In Kombination mit der Corner-Route des Outside-Receivers am unteren Bildschirmrand wird so alles dafür getan, dass die Mitte so frei wie möglich geräumt wird - damit Alex Smith seinen im Slot aufgestellten Tight End als klar definierten Read anspielen kann.

Ein klar definierter Read kann auch anders aussehen, wie in diesem Beispiel aus dem Duell der Eagles mit den Rams:

Andy Reids Offense, und somit auch die der Eagles unter Reid-Schüler Pederson, hat ihre Wurzeln klar in der West Coast Offense, und in diesem Play sieht man einen Aspekt davon: Die Hi-Lo Crosser. Hierbei handelt es sich um einen Two-Level-Read für den Quarterback, das Feld wird also vertikal auf zwei verschiedenen Ebenen gezielt attackiert. So kann unter anderem eine Zone Coverage geschlagen werden.

Genau das passiert bei diesem Touchdown-Pass. Die Rams befinden sich in einer Cover-3, haben also zwei Cornerbacks und den tiefen Safety (im Bild blau markiert), um den tiefen Bereich des Feldes zu verteidigen. Die Eagles haben den perfekten Play-Call dagegen.

Mit zwei simplen vertikalen Routes der beiden Outside Receiver werden die Cornerbacks beschäftigt, während sich der Safety entscheiden muss, gegen welchen der beiden In-Breaking-Routes er unterstützt. Der Tight End läuft dabei aus dem Slot die tiefere Route, der Receiver daneben die kürzere. Das ist das Hi-Lo-Konzept.

Der Safety entscheidet sich für den Receiver und das ist für Carson Wentz das Signal, zu seinem Tight End zu passen, der im Moment des Passes zwischen sich und der Endzone keinen Gegenspieler mehr hat. Ein klarer, vergleichsweise einfacher Read für den Quarterback.

NFL Offense: Defense überladen und überfordern

Das nächste Beispiel führt wieder zurück zu den Chiefs, und ganz zum Start der Saison - als Kansas City die Patriots in Foxboro mit Run Pass Option, Shovel-Pässen und anderen Option-Plays überrumpelte. Und auch hier werden die beiden Säulen wieder deutlich: die Defense durch Ablenkung stressen und gleichzeitig dem Quarterback klare Reads und Matchups geben.

Wieder fungiert Tyreek Hill als der ablenkende Faktor. Schon vor dem Snap setzt er sich in Bewegung und zieht so einen der Safeties mit sich. Tight End Travis Kelce, rechts neben der Offensive Line postiert, läuft eine In-Breaking-Route, um weitere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Das beschert Running Back Kareem Hunt, der aus dem Backfield eine vertikale Route läuft, ein Matchup gegen Cassius Marsh - ein Duell, in dem der Defensive End keine Chance hat. Und weil der vorher tief postierte Safety durch Hill aus dem Play genommen wurde und der dann ins Zentrum rotierende Cornerback Kelce verfolgt, handelt es sich letztlich gar um ein Matchup ohne tiefe Coverage-Unterstützung. Ein Albtraum für einen Defensive Lineman.

Mit Matt Nagy in Chicago wird nach Pederson der nächste Reid-Schüler der vergangenen Jahre 2018 einen Head-Coaching-Posten übernehmen. Der verfügt mit Taylor Gabriel und Tarik Cohen über gleich zwei mögliche Screen- und Ablenkungs-Matchup-Waffen, sowie über eine Line, mit der er ein Zone Blocking Scheme spielen wird, einen guten Zone-Runner in Jordan Howard und einen schon jetzt guten Play-Action-Passer in Mitch Trubisky.

Chicago ist also prädestiniert dazu, eines der Teams zu werden, das die Konzepte, die wir in Philadelphia und Kansas City letztes Jahr so häufig gesehen haben, übernimmt. Ein weiteres Beispiel: Eine der zehn (!) Third-Down-Conversions der Eagles gegen die Vikings im NFC Championship Game, nachdem Minnesota in der Regular Season eine herausragende Third-Down-Defense gestellt hatte:

Wieder ist es ein Hi-Lo-Konzept zur rechten Seite, in Kombination mit einer Go-Route ziehen die Eagles die 2-Deep-Coverage auf ihre linke Seite, die mit drei Routes gegen Zone Coverage schlicht überladen wird. Auch beide Safeties, inklusive Harrison Smith auf der - aus Sicht der Offense - rechten Seite orientieren sich deshalb rüber.

Das öffnet die Tür für eine tolle Route von Alshon Jeffery: Weil sich Smith einige Schritte entfernt hat, steht der Cornerback alleine gegen Jeffery und muss auch die Mitte abdecken. Jeffery nutzt das für seine In-and-Go-Route, und als Smith das Play erkennt, ist es schon zu spät. Ein einfacher Touchdown-Pass für Nick Foles, ermöglicht durch die Route-Kombinationen gegen eine schematisch ganz normale NFL-Standard-Coverage.

Natürlich sieht man diese auch bei anderen Teams, in puncto Downfield-Route-Designs etwa war letztes Jahr kein Team besser als die Los Angeles Rams. Dieser 94-Yards-Touchdown von Robert Woods gegen Houston veranschaulicht das glänzend:

Zwei Dinge sind hier entscheidend: Die eingangs erwähnte intelligente Nutzung von Play Action und effiziente Route-Kombinationen für einfache Reads. Play Action hilft dem Quarterback ungemein, kein Team hat das besser veranschaulicht als die Rams in der vergangenen Saison. Von der eigenen 6-Yard-Line ist ein Laufspielzug eine durchaus realistische - weil sichere - Option für die Defense und so agiert Houston ohne tiefe Absicherung.

L.A. kann so auf der rechten Seite die beiden entscheidenden Texans-Verteidiger (Nummer 25 und 24) mit einer simplen Route-Kombination attackieren. Die tiefe Out-Breaking-Route des Slot-Receivers zieht den innen postierten Defensive Back nach außen und räumt den Weg frei für den Outside Receiver, der ohne Probleme und ohne Gegenspieler vor sich in die Endzone sprintet.

Screen-Designs, Misdirection und die Zukunft

Eine andere Tape-Szene zeigt nochmals die Screen-Magie und wie Andy Reid eine Defense schon weg vom Ball vor Probleme stellen kann:

Wieder ist Hill der Motion-Spieler, der einerseits dabei hilft, eine mögliche Coverage zu enttarnen, andererseits aber auch die Aufmerksamkeit der Defense auf seine Seite zieht. Die beiden Receiver auf der Seite deuten Blocks wie für einen Screen Pass zu Hill an, auch drei Lineman ziehen nach links.

Sekundenbruchteile später scheint ein Screen zum Running Back auf der anderen Seite zu kommen - tatsächlich aber ist der Tight End das ausgemachte Ziel, zum Zeitpunkt des Passes völlig frei und mit zwei Blockern vor sich kurz darauf in der Endzone.

Auch die 49ers nutzen in diesem Beispiel Motion auf eine Art, die dem Quarterback hilft:

Der Slot-Receiver (blau markiert) bewegt sich vor dem Snap von der linken auf die rechte Seite und wird von seinem Gegenspieler verfolgt, was für den Quarterback ein Signal für Man Coverage ist. Tatsächlich spielen die Rams hier Cover-2-Man, also zwei Safeties in Zone Coverage und der Rest in Man.

Gelingt es in dieser Szene also der Offense, über das Scheme einen Safety aus dem Weg zu räumen, dann hat der Quarterback einen klaren Read - und genau das passiert: Die In-Breaking-Route des Outside-Receivers zieht den Safety auf der rechten Seite (aus Sicht der Offense) einige Schritte nach vorne. Das entblößt die Mitte des Feldes hinter ihm und der Slot-Receiver hat mit seiner nach innen gerichteten Route freie Bahn Richtung Endzone.

Das Fazit? Man kann es so auf den Punkt bringen: Option-Elemente, ein klarer erster Read für den Quarterback und alles, was Defenses vom primären Read weg zieht - Misdirection, Motion, Run Pass Option, Play Action, Screen-Fakes und so weiter - waren zentrale Elemente in einigen der Top-Offenses der vergangenen Saison. Das galt auch etwa für die Houston Texans mit Deshaun Watson. Auf diese Art und Weise hilft man seinem Quarterback und macht die Offense besser.

Mit Blick auf die Anzahl an jungen Quarterbacks und Quarterbacks, die Hilfe vom Scheme benötigen - Dalton, Taylor, Flacco, Bortles, Mariota, Mahomes, Trubisky, Smith, Prescott, Goff, um nur einige zu nennen - ist ein Anstieg dieser Quarterback-freundlichen Schemes zu erwarten.

Die Anzahl der Quarterbacks, die mit einem komplexen Scheme aus der Pocket heraus Defenses zerlegen können, ist schlicht zu klein. Und der Erfolg dieser taktischen Aspekte in der vergangenen Saison war einfach zu groß.