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NFL Third and Long: Seahawks, Panthers, Packers und Co. - die neuen Offenses

Die Seahawks, Vikings, Packers und Panthers gehen 2018 mit neuen offensiven Ausrichtungen an den Start.
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Analyse: Green Bay Packers

Neuer Offensive Coordinator: Joe Philbin.

Bisherige Prägung: West Coast Offense.

In einem Satz: Klassische West Coast Offense, geprägt durch kurze und mittellange Pässe sowie ein Zone-Blocking Scheme.

Analyse: "Wir gehen mit einer "Zurück zu den Wurzeln"-Einstellung an die Sache ran. Wir werden das Playbook so aufbauen, wie man es im ersten Jahr eines neuen Trainerstabs machen würde." Eine solche Aussage klingt drastisch, und legt erst einmal nahe, dass ein Team eine Generalüberholung benötigt - und nicht, dass es den talentiertesten Quarterback in der NFL in seinen Reihen hat und somit unweigerlich im Win-Now-Modus sein muss.

Und doch könnte man bei den Packers in beide Richtungen argumentieren, was ganz hervorragend den jahrelangen Zwiespalt innerhalb der Packers-Offense beschreibt: Wo Head Coach Mike McCarthy auf der einen Seite auf die West Coast Offense setzt - also ein eher kurzes Passspiel, in dem Rhythmus und Timing eine ganz zentrale Rolle spielen - steht Aaron Rodgers auf der anderen Seite dem mit seinen Improvisationsfähigkeiten, seinen unglaublichen Pässen außerhalb der Struktur und der Pocket sowie seinem Sandkasten-Spielstil gegenüber.

Anders gesagt: Rodgers größte Stärke und ein zentraler Part seiner Vorstellung von Quarterback-Play steht im direkten Gegensatz zu den Grundprinzipien der West Coast Offense. Das macht die eingangs erwähnten Äußerungen von McCarthy so spannend, gerade auch in Kombination mit Philbin.

Die beiden kennen sich bestens. Als McCarthy die Packers 2006 als Head Coach übernahm, hielt er Philbin. Der hatte seit 2003 teilweise die Offensive Line, teilweise die Tight Ends trainiert - und wurde 2007 zum Offensive Coordinator befördert. Bis 2011 hatte er diesen Posten inne, also in einigen der besten Jahre von Aaron Rodgers inklusive der Titel-Saison. Dann übernahm er selbst als Head Coach die Miami Dolphins, jetzt also ist Philbin zurück in Green Bay.

Wie kann man in diesem Zusammenhang McCarthys Aussage interpretieren, wenn man weiß, dass McCarthy und Philbin die gleiche grundsätzlichen Vorstellungen vom Spiel haben? Wie groß kann der Umbruch tatsächlich werden?

Zumindest lässt sich festhalten, dass die Packers-Offense ist in den vergangenen Jahren zu ausrechenbar und zu fehleranfällig geworden war. Das lag nicht zuletzt an den oben erklärten Gegensätzen: Green Bay wurde offensiv immer stärker von Aaron Rodgers abhängig und knackte Gegner zu selten über das Scheme. Hatte Rodgers einen schlechten Tag oder traf das eigene Receiving-Corps auf eine überlegene Secondary, funktionierten die Isolation-Routes nicht und die Offense hatte keine Alternativen parat.

Ein Lösungsansatz könnte es also sein, Rodgers' Stil besser in die Struktur des Schemes einzubinden und ihn selbst gleichzeitig auch besser an die Struktur der Offense zu binden. Beispielsweise durch einen intensiveren Einsatz von Run Pass Options, um ihm klare Reads zu geben und so das schnelle West-Coast-Passspiel zu ermutigen.

Mehr Rollout Play Action auf der anderen Seite kombiniert mit Option-Routes der Receiver könnte Rodgers' Improvisationstalent und seine Athletik besser zur Geltung bringen, ohne gleich in einen Improvisations-Modus zu verfallen. So könnte man auch das Timing und die Abstimmung zwischen den Bewegungen des Quarterbacks und den Routes der Receiver besser bewahren.

Die Packers werden nicht plötzlich in eine völlig andere Offense verfallen. Einige der oben genannten Elemente mit den Basis-Prinzipien der West Coast Offense zu mischen könnte allerdings sehr positive Auswirkungen haben.

Analyse: Minnesota Vikings

Neuer Offensive Coordinator: John DeFilippo.

Bisherige Prägung: Vielseitig. West Coast Offense zuletzt als Basis, geprägt aber eher durch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

In einem Satz: Ein Coach, der besonders viel Wert darauf legt, das Scheme an die Stärken der Spieler und vor allem des Quarterbacks anzupassen und mehr auf einzelne, funktionierende Konzepte statt auf übergreifende, grundsätzliche Scheme-Ideen setzt.

Analyse: Kein neuer Offensive Coordinator muss ein schwierigeres Erbe antreten. DeFilippo beerbt bei den Vikings Pat Shurmur, der in der vergangenen Saison um Case Keenum herum eine spektakuläre Offense aufbaute - auch ohne Dalvin Cook, der sich bereits früh verletzte. Sehr gute Route-Kombinationen, viel Motion und viel Hilfe für die Receiver direkt beim Release, etwa gegen Press Coverage waren einige der zentralen Themen.

Außerdem auffällig dabei: Shurmurs Offense war nicht in einer konkreten Offensiv-Philosophie beheimatet. Man sah die West-Coast-Einflüsse, aber auch Spread- und Tempo-Elemente sowie den Willen zum vertikalen Passspiel - alles Aspekte aus verschiedenen Philosophien, die Shurmur über die Jahre bei verschiedenen Coaches aufgeschnappt hatte. Dabei half er Keenum nicht nur mit den Route-Konzepten, sondern beispielsweise auch mit einer Play-Action-Rate von fast 30 Prozent und vielseitigen Formationen, um die Defense zu verwirren.

Die gute Nachricht für alle Vikings-Fans: Diese Freiheit von dogmatischen Scheme-Ideen sollte sich unter DeFilippo fortsetzen. "Ich bin zwar noch ein junger Coach, hatte aber schon mit vielen verschiedenen Offenses zu tun", stellte DeFilippo bereits vor einigen Wochen klar. "Wir werden uns zuerst anschauen, was die Vikings letztes Jahr gut gemacht haben. Wenn sie bestimmte Dinge gut gemacht haben und die den Spielern liegen, gibt es keinen Grund, diese Dinge zu ändern."

Vor diesem Hintergrund sehen meine Erwartungen für die Vikings-Offense so aus: Ich gehe davon aus, dass wir keine gänzlich neue Offense sehen werden, sondern eher Kontinuität in einigen Bereichen und spezifische einzelne Änderungen zusätzlich dazu. Beispielsweise waren die Eagles, DeFilippos Ex-Team, zuletzt ebenfalls sehr Play-Action-lastig - funktioniert hat dieses Element für Minnesota und für Philadelphia, während Kirk Cousins in Washington auch viel mit Play Action gearbeitet hat. Warum es also ändern?

Gleichzeitig hat DeFilippo in Philadelphia gesehen, welche Einflüsse ein gut aufgezogenes Run-Pass-Option-Game haben kann. Das dürfte sich in Minnesota fortsetzen. DeFilippo spricht auch nur zu gerne davon, wie wichtig es für ihn ist, Verteidiger in eine schlechte Position zu bringen. Bunch Formations und Switch Releases werden also - wie letztes Jahr schon - auch 2018 in Minnesota häufig zu sehen sein.

Im Idealfall erleben Vikings-Fans unter DeFilippo, der zudem gerne auch auf Tight Ends und Receiving-Backs im Passspiel setzt, also eine Weiterentwicklung der in der Vorsaison so erfolgreichen Offense, mit der permanenten Bereitschaft, sich in anderen Schemes andere Konzepte rauszupicken.

Und sonst? Rams, Steelers, Eagles und Co.

Einige Teams, die neue Offensive Coordinator haben, sind hier nicht aufgelistet. Die Kansas City Chiefs, die Miami Dolphins, die Los Angeles Rams und die Philadelphia Eagles haben zwar ihre Coordinator ausgetauscht beziehungsweise verloren, doch werden die Offenses bei diesen Teams ganz eindeutig durch die Head Coaches geprägt. Insofern wird es bei diesen Teams keinen Umbruch geben.

Die Pittsburgh Steelers sind eine Mischform. Randy Fichtner übernimmt zwar für Todd Haley, nach elf Jahren als Receiver- und Quarterbacks-Coach bei den Steelers ist auch hier aber keine gravierende Änderung zu erwarten.

Fichtner dürfte eher an einigen Schrauben drehen. So ist zu erwarten, dass mehr Tempo und No-Huddle in die Offense kommen wird, einhergehend damit soll Ben Roethlisberger - der zu Haley über die Jahre immer wieder eine komplizierte Beziehung hatte - mehr Freiheiten vor allem an der Line of Scrimmage bekommen. Das war zwischen Big Ben und Haley ein häufiger Diskussionspunkt. Die Steelers-Offense dürfte schneller und weniger komplex werden.