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Themenwoche: Jeff Reinebold im Interview: "Entwicklung der Quarterbacks verlangsamt"

Auf Hawaii spielt Football schon auf dem High-School-Level eine große Rolle.
© getty
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SPOX: Ein kleiner Cut an dieser Stelle, aber ich wollte mit Ihnen auch noch über ein anderes Thema sprechen: College Football und Football generell auf Hawaii. Sie haben dort gelebt und gecoacht und wenn man in der Geschichte zurückblickt, sieht man Leute wie Paul Johnson, der dort seine Version der Triple Option entwickelt hat, man sieht seinen Quarterback Ken Niumatalolo, der seit vielen Jahren Navy trainiert, und man sieht etwa einen Timmy Chang, der unter June Jones diverse Passing-Rekorde gebrochen hat - zunächst einmal: wie wichtig ist Football generell auf Hawaii?

Reinebold: Ich will es mal so sagen: Ich habe in Louisiana gelebt, ich habe in Texas gelebt - ich habe generell an Orten gelebt, an denen Football wirklich, wirklich wichtig ist. Aber auf Hawaii und bei den Polynesiern generell ist Football genauso wichtig wie in Texas oder irgendwo sonst. Die High Schools spielen da eine große Rolle: wenn man sich mit den Leuten unterhält, lautet die erste Frage nicht, wo man aufs College, sondern wo man auf die High School gegangen ist. Die Gemeinden auf den Inseln sind sehr leidenschaftlich, wenn es um Football geht.

SPOX: Und das ja durchaus mit messbarem Erfolg, was NFL-Prospects angeht.

Reinebold: Kahuku ist da das wohl beste Beispiel. Das ist eine kleine Gemeinde, aber wenn die High School spielt, kommen manchmal mehr Fans als zu den Spielen der University of Hawaii. Wenn ein Junge auf den Inseln sieben oder acht Jahre alt ist und seine Football-Reise beginnt, ist sein erstes Ziel nicht, in die NFL zu kommen - sondern ein Kahuku Red Raider zu werden. Es ist unglaublich, wie viele NFL-Spieler aus dieser High School schon hervorgegangen sind! Und dann gibt es ja noch andere Kinder aus der Gemeinde wie etwa Manti Te'o, der zwar am Ende in eine private Schule in Downtown Honolulu gegangen ist; aber auch er war ein Kahuku-Kind. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie wichtig die Freitagabende, wenn die High-School-Spiele anstehen, auf den Inseln sind.

SPOX: Ist das auch kulturell zu erklären?

Reinebold: Man kann schon sagen, dass Polynesier in der Hinsicht wie gemacht für Football sind. Ihre Kultur baut auf Respekt und Gehorsam auf, zwei Eigenschaften, die man haben muss, um ein guter Football-Spieler zu werden. Man muss seinen Coaches und Mitspielern gegenüber Respekt zollen und man muss Aufgaben erfüllen, die einem gegeben werden. Ein anderer Aspekt sind die Musik und das Tanzen. Beides ist in dieser Kultur sehr wichtig und das beginnt im Prinzip, sobald man laufen kann. Polynesier bringen so oft die körperlichen Voraussetzungen mit, haben aber gleichzeitig schon früh gelernt, sich zu bewegen. In der Folge haben Offensive Linemen polynesischer Herkunft häufig unglaublich gute Fußarbeit.

College Football auf Hawaii: Mariota, Tua und Co.

SPOX: Dennoch gehört Hawaii auf dem College-Level nicht gerade zu den Top-Teams.

Reinebold: Als die Teams der University of Hawaii wirklich gut waren, lag eine Ursache dafür in der Tatsache, dass die Kids auf den Inseln geblieben sind. Tua Tagovailoa ist ein gutes Beispiel dafür, was jetzt passiert: Er hat gerade als Freshman-Quarterback das National Championship Game mit Alabama gewonnen - nachdem er auf den Inseln zur High School ging. Das ist früher so nicht passiert. Sein Bruder ist übrigens auch in Alabama. Wenn man sich die großen Conferences anschaut, dann sieht man, dass überall Hawaiianer und Jungs polynesischer Abstammung sind. Inzwischen kommen alle Scouts auf die Inseln, weil sie wissen, dass sie dort gute Spieler finden können.

SPOX: Wenn man den Spieß mal umdreht: Wie schwierig ist es, Spieler davon zu überzeugen, nach Hawaii zu kommen? Natürlich ist es wunderschön dort, allerdings ist man auch weit weg etwa von der eigenen Familie.

Reinebold: Meine persönliche Erfahrung war, dass es nicht schwierig ist, für Hawaii zu rekrutieren. Man muss eben die richtigen Kids finden. Ein zentraler Aspekt beim Recruiting ist es, zu verstehen, was für den Spieler wichtig ist und wie wichtig für ihn die Chance ist, Division I Football zu spielen. In unserem Sugar-Bowl-Team (Januar 2008 gegen Georgia, d. Red.) etwa waren viele Spieler, die eine zweite Chance gesucht oder anderswo Probleme hatten. Wir hatten ein gutes Recruiting, weil wir ein sehr genaues Profil hatten. Es gibt viele Gründe, für die University of Hawaii zu spielen, aber gleichzeitig ist es nicht jedermanns Sache. Die gleiche Aussage kann man aber über das Recruiting für Michigan, Notre Dame, Louisiana Tech oder irgendeine andere Schule tätigen. Wenn das, was dir wichtig ist, auch dem Spieler wichtig ist, dann kann es super passen. Ansonsten schaut man sich anderswo um.

SPOX: Sie haben Tua schon erwähnt, der Name Timmy Chang fiel bereits und natürlich gibt es noch Marcus Mariota oder McKenzie Milton (aktuell Quarterback bei UCF, d. Red.): haben Sie irgendeine Theorie, warum Hawaii in den vergangenen 20 Jahren so viele gute Quarterbacks hervorgebracht hat?

Reinebold: All das geht zurück auf zwei Jungs, die in meinen Augen nicht ansatzweise genug Lob für die Entwicklung des Spiels und der Quarterback-Position erhalten: Mouse Davis und June Jones. Marcus, Tua, all diese Jungs waren hier High-School-Spieler. Damals, als Bob Wagner noch bei Hawaii war (Head Coach von 1988 bis 1995, d. Red.), musste er sich Wege überlegen, wie er den Ball gegen individuell bessere Teams bewegen konnte. Dafür holte er Paul Johnson, und Paul begann damit, die Triple Option mit der Run and Shoot zu vermischen. Auf den Inseln war das anschließend konstant die dominierende Offense, weshalb Quarterbacks die Pass-Konzepte lernen mussten. Die meisten High-School-Teams auf Hawaii in den vergangenen 20 Jahren haben irgendeine Version der Run and Shoot umgesetzt, und während in Texas die Teams noch Power-Football gespielt haben, wurde auf den Inseln ein komplett offener, Pass-lastiger Run and Shoot Football gespielt.

Reinebold über die CFL - und Manziels Chancen in Kanada

SPOX: Zum Abschluss noch ein kurzer Abstecher nach Kanada: Sie selbst sind inzwischen wieder zurück in der CFL - Glückwunsch dazu - und Sie haben bereits angedeutet, dass der CFL-Football dem College-Spiel ähnlicher ist, als der Football in der NFL, korrekt?

Reinebold: Das würde ich so sagen, ja. Der Football hier ist etwas kreativer, man sieht mehr Motion, was natürlich durch die anderen Regeln - jeder Spieler außer den fünf Offensive Linemen kann vor dem Snap in Motion sein und darf sich auch auf die Line of Scrimmage zu bewegen - bedingt ist. Die Offensive Coordinators hier sind sehr kreativ wenn es darum geht, Motion zu nutzen und Matchup-Vorteile zu kreieren.

SPOX: Mit Johnny Manziel ist einer der polarisierendsten College-Quarterbacks der vergangenen zehn Jahre jetzt ebenfalls in der CFL - ihm sollte die Art der Offense in Kanada entgegenkommen, oder?

Reinebold: Ich denke, das wird interessant zu sehen sein. Es gibt da ein altes Sprichwort: Wer die Geschichte nicht studiert, der ist dazu verdammt, sie zu wiederholen und wenn man sich die Geschichte der Quarterbacks, die aus der NFL in die CFL gekommen sind, anschaut - die hatten Probleme, gerade zu Beginn. Dafür gibt es viele Beispiele, Jungs wie Doug Flutie oder Vince Ferragamo. Es ist einfach ein anderes Spiel. Johnny hat zwei große Vorteile auf seiner Seite: Er hat im College in einem System gespielt, das dem in Hamilton ähnlicher ist als das damals bei Flutie oder Ferragamo der Fall war. Und er hat June Jones als seinen Coach, der großartige Arbeit mit Quarterbacks leisten kann. Er wird eine unglaublich wertvolle Hilfe für Johnny sein - wenn Johnny bereit ist, zuzuhören.

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