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NFL: L.A. Chargers nach Hunter Henrys Verletzung - Die Angst ist wieder da

Von Pascal De Marco
Hunter Henry verletzte sich bei einer Routine-Route ohne Fremdeinwirkung im Training schwer.
© getty

Einmal mehr gelten die Los Angeles Chargers als Geheimfavorit auf einen tiefen Playoff-Run in der AFC. Einmal mehr gilt der Bolts-Kader als sehr gut aufgestellt, offensiv wie defensiv. Und einmal mehr herrscht nach der schweren Verletzung von Tight End Hunter Henry die große Angst vor der tiefgrauen Verletzungswolke, welcher in den letzten Jahren eine gehörige Mitschuld am Verpassen der Post-Season zugeschrieben wurde. Wie geht es für LAC weiter und was passiert nun im Fall Henry?

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"Er hat seine Route beendet, joggte zurück und plötzlich überkam ihn das Gefühl, etwas habe ihn gepackt", sagte Chargers-Geschäftsführer Tom Telesco sichtlich enttäuscht im Nachgang an das OTA am vergangenen Mittwoch. "Diese Kreuzband-Verletzung ist sehr ungewöhnlich."

Tight End Hunter Henry wurde eine große Saison hervorgesagt. Der Zweitrundenpick des 2016er-Drafts sollte nun endlich genug Platz erhalten, um endgültig das schwere Erbe von Antonio Gates anzutreten. Das Erbe eines Hall-of-Fame-Kalibers, von dem man sich erst vor ein paar Wochen getrennt und Lebe wohl zu für Quarterback Philip Rivers über Jahre hinweg konstanteste Anspieloption gesagt hatte.

81 Pässe fing Henry, der als einer der besten jungen Tight Ends der Liga gilt, in seinen ersten beiden Jahren für 1.057 Yards und 12 Touchdowns. Zum Saisonende des vergangenen Jahres nahm er bereits eine Rolle als Top-Target für Rivers ein und überzeugte mit stark verbessertem Route-Running. Es hätte nur der Anfang sein und eine Breakout-Saison kommen sollen: "Ich werde nichts klein reden: Er ist ein Pro-Bowl-Talent. Es fühlt sich schrecklich an, ihn zu verlieren", erklärt Telesco weiter.

Hunter Henrys NFL-Karriere

JahrSpieleTargetsReceptionsYardsY/RecTouchdowns
201615533647813,38
201714624557912,94
Gesamt29115811.05713,012

Chargers: Kommt Antonio Gates zurück?

Henrys schwere Verletzung stellt die Chargers nicht zum ersten Mal vor eine problematische Situation. Die Diagnose "torn ACL" gab es in den letzten Jahren bereits bei Keenan Allen, Steve Johnson, Chris Watt, Forrest Lamp und Jason Verrett. Erstrundenpick Mike Williams wurde im vergangenen Sommer vor Saisonbeginn gestoppt, erst vom Rücken, dann vom Knie.

Geht es denn tatsächlich schon wieder los? Das altbekannte Verletzungspech der Bolts?

Nun stehen die Chargers weder mit Veteran Gates, der die meisten Touchdown-Pässe eines Tight Ends in der Geschichte der Liga gefangen hat, noch mit Youngster Henry da. L.A.'s Alternativen sind Virgil Green, ein reiner Blocking Tight End, sowie die unerfahrenen Braedon Bowman und Sean Culkin. Mit Ersatz in Form eines Neuzugangs wird also in jedem Fall zu rechnen sein. Auch Telesco sagte bereits: "Wir werden uns anpassen und weitermachen."

Die ersten Medien berichteten bereits, dass die Chargers Gates zurückholen würden. Eine Option, die dem Wunsch vieler Fans entspricht. Telesco allerdings schenkte diesem Vorschlag keinen Kommentar und erklärte, dass man sich "alle Optionen ansehen wird."

Neben Gates, der im Juni 38 Jahre alt wird und in der letzten Saison mit 30 Receptions einen Negativ-Wert seit seiner Rookie-Saison 2003 bei den Bolts aufgestellt hat, bleibt derzeit noch der Blick auf den ein oder anderen Free Agent. Hier finden sich in Julius Thomas und Coby Fleener die prominentesten Namen.

L.A. bald mit zwei Playoff-Teams?

Die Chargers kommen aus einer Saison, in der man 9 der letzten 12 Spiele gewonnen hat und somit nur um Haaresbreite an den Playoffs gescheitert ist. Eine Mischung aus, natürlich, Verletzungspech und Unvermögen sorgte dafür, dass erst einmal ein schwerer 0-4-Stein aus dem Weg geräumt werden musste, bevor Kurs in Richtung Post-Season aufgenommen wurde.

Das Team gilt seit Jahren als bereit für den Schritt in die Postseason. Seit Jahren wird ihnen das Talent dafür zugesagt. Wie sieht es nach Hunters Verletzung für die kommende Saison aus?

Veteran Rivers wurde zunächst eine verbesserte Protection zur Verfügung gestellt. Center Mike Pouncey ist aus Miami gekommen und Guard Lamp ist von der Verletzungspause zurück um die stark anfällige O-Line zu verbessern. Neben Allen soll ein endlich vollkommen genesener Mike Williams sein Unwesen treiben und in Melvin Gordon hat man ohnehin einen der aufregenden Running Backs in seinem Kader. Es schien, als ob die Chargers alle Stücke auf der offensiven Seite zur Verfügung hatten. Nach der Henry-Verletzung muss nun aber erstmal ein neuer Receiving Tight End gefunden werden.

Die Secondary, von der niemand redet

Auf der defensiven Seite haben die Chargers und Coordinator Gus Bradley, die im letzten Jahr einen Ligabestwert von lediglich 17 Punkten pro Spiel zugelassen haben, dank Melvin Ingram und Joey Bosa eines der besten Pass-Rush-Duos der Liga. Das Duo hat in der vergangenen Saison mehr Pressures kreiert als jedes andere. Sogar Calais Campbell und Yannick Ngakoue von den Jaguars und Geno Atkins und Carlos Dunlap bei den Bengals hatten hier das Nachsehen.

Von einem der besten Pass Rushs der Liga würde selbstverständlich jede Secondary profitieren. Die der Chargers allerdings findet traditionell wenig Erwähnung. Von Pro Football Focus hat sie in der vergangenen Saison allerdings die zweitbeste Note aller Teams erhalten. Casey Haywards war zweifelsohne einer der besten Cornerbacks der Liga. Hinter ihm waren aber auch die jungen Trevor Williams und Rookie Desmond King mehr als verlässlich.

Diese Secondary hat sich ohnehin zusätzlich auf die Rückkehr von Jason Verrett gefreut, nur um dann im Draft ein weiteres Riesen-Geschenk zu erhalten. Mit dem vollkommen überraschend bis an 17 gefallenen Erstrundenpick Derwin James hat man einen absoluten Steal erreichen können, der nicht nur athletisch hochgradig veranlagt ist, sondern in Bradleys Cover-3-Defense so vielseitig eingesetzt werden kann, wie nur wenige. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass man die nächsten drei Draft-Picks in weitere Verstärkungen für die Defense investiert hat.

Kopf-an-Kopf mit den besten der AFC?

Wenn eine der besten Defenses des Vorjahres weitere Verbesserungen vornimmt, dann sollte die hoffentlich wachsende Fan-Gemeinde in L.A. sich hierum weniger Sorgen machen, als um die andere Seite des Balles. Das Hauptaugenmerk liegt dabei in jedem Fall und wieder einmal auf der Offensive Line. Seit 2007 hatte man hier keine überdurchschnittlich abliefernde Pass-Blocking-Line. Im letzten Jahr schloss man hier laut PFF auf Platz 25 ab, in Sachen Run-Blocking auf Platz 27.

In der Verpflichtung von Pouncey und der Rückkehr von Lamp dürften die Chargers massive Hilfe bekommen. Diese ist nach der jüngsten Verletzungsmeldung aber auch dringend notwendig. Ein Quarterback, der unter Druck steht, sucht gerne ein großes Target. Hier hatte Rivers in Gates in der Red Zone und nun in Henry als gutem Route-Runner eigentlich sehr gute und gerne verwendete Optionen. Diese fallen nun weg, womit der Druck auf die Line weiter steigt.

Bei den Chargers scheint es wieder einmal eine Frage der Verletzungen zu sein, ob sie ihr massives Potenzial in einen lang-ersehnten Playoff-Run ummünzen können. Henrys Nachricht war bei der wieder einmal einkehrenden Euphorie und den altbekannten Lobeshymnen vor der Saison ein kleiner Schock und die Erinnerung daran, dass die Franchise in dieser Hinsicht nicht gerade vom Glück gesegnet ist. Das Chargers-Team 2018 kann sich bei voller Stärke mit den besten der AFC messen, viele weitere Verletzungen darf es hier dann aber keine mehr geben.

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