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Third and Long: "Buffalo Right, Seven Heaven"

Die Minnesota Vikings gewannen ein unfassbares Spiel gegen die Saints
© getty

Die Divisional-Runde hatte es in sich: Die Eagles schlagen trotz prominent vermittelter Underdog-Rolle die Atlanta Falcons - und Atlanta sollte sich dringend Gedanken über seine weiteren Offensiv-Pläne machen. Für das Highlight sorgen natürlich die Minnesota Vikings, doch wie kam der Miracle-Touchdown zustande? Außerdem: Haben sich die Steelers schlecht auf Jacksonville vorbereitet? Wie schlägt man die Patriots? Und: Was machen die Jaguars mit Blake Bortles? In seiner wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke auf die vergangene NFL-Woche zurück.

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Die Minnesota Vikings: Buffalo Right, Seven Heaven

Über die vergangenen Jahre bin ich zu einem Schluss gekommen: In meinen Augen gibt es im Sport nichts, was an den Wahnsinn, das Spektakel, die Unberechenbarkeit und die Jahr für Jahr verrückten Spiele ran kommt, die die NFL-Playoffs produzieren. Der vergangene Super Bowl, Arizona gegen Green Bay vor zwei Jahren, Seattle gegen Green Bay im Championship Game, Cincinnatis Meltdown gegen die Steelers - man muss nicht weit zurückgehen, um dafür Argumente zu finden.

Es ist das Drama des einen Spiels, in dem sich alles entscheidet, jeder Moment ist viel intensiver und jedes Play zählt viel mehr. Der Sieg der Vikings am Sonntagabend passt nahtlos in diese Reihe. Der erste Walkoff-Touchdown in den NFL-Playoffs (Overtime natürlich ausgeschlossen) aller Zeiten war eine völlig verrückte Szene, die Fans in Minnesota und in Louisiana noch für eine ganze Weile begleiten wird.

Der Versuch, die Szene dieser Playoffs aus analytischer Sicht zu betrachten:

Der Play-Call, der schon jetzt einen Platz in der Vikings-Geschichte sicher hat, war "Buffalo Right Seven Heaven". Ein Flood-Konzept, also Route-Kombinationen, die eine Seite der Defense auf mehreren Ebenen attackieren um so eine Zone Coverage zu überladen. Minnesota lief das mit einer X-ISO-Formation, also Adam Thielen isoliert auf der linken und drei Routes auf der rechten Seite.

Die drei Routes sind in ihrer Kombination perfekt aufeinander abgestimmt, etwas, das Offensive Coordinator Pat Shurmur in dieser Saison besser als jeder andere Coordinator gemacht hat. Minnesota ist glänzend darin, Receivern über das Scheme einen freien Release zu geben oder die Laufwege der Receiver kreuzen zu lassen, um die Coverage enorm zu erschweren.

Stichwort Coverage: Natürlich weiß inzwischen jeder, dass Safety Marcus Williams beim Tackling-Versuch dramatisch scheiterte und Diggs so in die Endzone durchmarschieren konnte. Aber auch der Play-Call der Saints darf hinterfragt werden. Es war eine Cover-2-Zone, also zwei tiefe Safeties. Grundsätzlich ist das okay, New Orleans musste verhindern, dass Minnesota einen Pass zur Seite hinbekommt und der Receiver dann ins Aus läuft, um die Uhr anzuhalten.

Was allerdings keinen Sinn macht, ist das Coverage-Konzept Underneath: Die Linebacker und Slot-Corner deckten die Mitte des Feldes ab, wo Minnesota - die Vikings hatten an der eigenen 39-Yard-Line mit 10 Sekunden auf der Uhr keine Timeouts mehr - in keinem Szenario hätten hinwerfen können.

Hier lag, neben Williams' Aussetzer, der große Fehler der Saints. New Orleans hätte Cover-2-Man spielen können, um die tiefen Safeties als Absicherung zu haben - der Play-Call so erlaubte es den Vikings, mit dem Flood-Konzept Williams überhaupt erst in das direkte Duell mit Diggs zu zwingen. Sie hätten auch einen weiteren tiefen Safety als Absicherung postieren und den Slot-Cornerback rausnehmen können, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Williams bewies nach dem Spiel Größe, als er sich den Medien stellte und auch wenn dieses Play eine ansonsten sehr gute Rookie-Saison in der öffentlichen Wahrnehmung naturgemäß überschattet: Er wird darüber hinwegkommen. Dass der Play-Call der Saints mehrere kritische Fragen aufwirft sollte man bei allen Emotionen, die dieses Finish mitbrachte, nicht vergessen.

Die Falcons brauchen einen neuen Offensive Coordinator

Atlantas Play-Calling gegen die Eagles in den kritischsten Momente war desolat - wieder einmal. Es ist nicht das erste Mal, dass Offensive Coordniator Steve Sarkisian insbesondere in der Red Zone negativ auffällt. Ganze sechs Prozent der Pässe zu Julio Jones in der Endzone kamen an.

Zwar war Jones in die Game Plans generell - etwa bei Third Down, wo er 2017 36 Targets sah nach nur 19 Third-Down-Pässen zu Jones 2016 - ohne Frage deutlich involviert. Doch die schlechte Quote zu Jones hier ist keine Überraschung, wenn man sich das Tape anschaut, inklusive der 4-Down-Sequenz gegen die Eagles am Samstagabend.

Zur Erinnerung: Atlanta hatte den Ball an der 9-Yard-Line, 1st&Goal mit 1:19 auf der Uhr und 10:15 im Rückstand. Bei First Down wurde Julio Jones auf der linken Seite isoliert, die Fade Route landete im Aus. Bei Second Down wählte Sarkisian den Shovel-Pass zu seinem dritten Running Back, und das gegen eine der besten Defensive Fronts der Liga, die Atlantas Interior-Line konstant Probleme bereitet hatte.

Bei Third Down entschied sich Sarkisian für ein Route-Konzept, bei dem drei von vier Routes deutlich vor der Endzone verliefen, nur um dann bei Fourth Down den Fullback (!) auf der linken Seite zu isolieren und durch die restlichen Route-Konzepte sowie den Rollout das Feld für Matt Ryan quasi in die Hälfte zu teilen. Das machte es den Eagles deutlich leichter, den Pass hier zu verteidigen - auch wenn Jones weg rutschte und den Ball wohl dennoch hätte fangen können.

Die Red-Zone-Problematik, die Atlanta das ganze Jahr über begleitete, ist dabei nur ein Aspekt. Dass die Offense die schier unglaublichen Höhen, die sie unter Shanahan erreicht hatte, nicht würde wiederholen können, war klar. Doch hatte man immer wieder den Eindruck, dass Sarkisian teilweise völlig unnötig an einzelnen Schrauben drehte - etwa das konstante Ignorieren der Running Backs im Passing Game, eine Schlüsselqualität im Vorjahr und ein Aspekt, für den Atlantas Offense mit Freeman und Coleman quasi prädestiniert ist. Auch der Einsatz des Play-Action-Games war längst nicht mehr so erfolgreich.

Eine neue Offense kann Zeit brauchen, das ist klar. Shanahan selbst ist hierfür das beste Beispiel. Die Falcons aber sollten sich gut überlegen, was genau Sarkisian gezeigt hat, das diese Zeit rechtfertigen würde.

Tennessee trifft die richtige Entscheidung

Gerade eine Woche ist es her, da hatte ich die Titans für ihr Statement kritisiert. Mularkeys Verbleib an einen Playoff-Sieg in Kansas City zu knüpfen ist eine desolate Vorgehensweise, wenn man ansonsten davon überzeugt ist, dass das eigene Team und insbesondere der eigene Quarterback eigentlich einen anderen Head Coach braucht. Tennessee hätte nach dem Erfolg gegen die Chiefs schlicht nach außen hin nichts sagen sollen.

Jetzt ist Mularkey weg, in beiderseitigem Einverständnis wie es heißt. Hinter den Kulissen brodelt die Gerüchteküche: Angeblich hätte Tennessee Mularkey tatsächlich eine Vertragsverlängerung angeboten, wenn er im Gegenzug einige Wechsel in seinem Trainerstab eingeleitet hätte. Ganz besonders auf der offensiven Seite des Balls, um die Entwicklung von Mariota voranzutreiben. Mularkey war loyal gegenüber seinen Assistenten und das war das Ende dieser Geschichte.

Ich bleibe hier bei meinen Fazit aus der Vorwoche: Tennessee versuchte in diesem Jahr krampfhaft, das Erfolgsmodell der Vorsaison zu wiederholen und setzte stur auf einen Oldschool-Rushing-Ansatz. Enge Formationen, kaum Kreativität und in der Folge eine Offense, die leicht ausrechenbar ist. Das passt überhaupt nicht zu den Stärken von Mariota, für den eine Spread-Option-Offense mit 3- und 4-Receiver-Sets deutlich besser geeignet wäre.

Was jetzt passiert? Ich bin fest davon ausgegangen, dass Tennessee sobald wie irgendwie möglich Josh McDaniels als neuen Head Coach präsentiert. Geschäftsführer Jon Robinson hat die jahrelange Patriots-Vergangenheit (2002 bis 2013) und will sein Team nach dem Pats-Vorbild aufbauen. Neue Berichte aber legen nahe, dass McDaniels wohl nach Indianapolis geht - trotz der Fragen um die Schulter von Andrew Luck

Tennessee hat, so viel ist klar, auf dem Papier gute Argumente: Junges Talent in der Secondary, eine Top-Offensive-Line, einen guten Running Back und natürlich Marcus Mariota. Dessen Entwicklung muss jetzt im Vordergrund stehen.

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