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Die Taktik-Analyse der Patriots: Tom Bradys gut geölte Maschine

Die New England Patriots um Quarterback Tom Brady haben wieder einmal eine der ligaweit besten Offenses.
© getty
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Wenn "komplex, kompliziert, schwierig" drei Oberbegriffe sind, die früher oder später jeder im Zusammenhang mit den Patriots hört, dann sind die Running Backs mutmaßlich die Positionsgruppe, die am häufigsten im Zusammenhang mit New Englands Offensivabteilung genannt werden.

Wie auch im generellen Scheme und dem Aufbau der Offense steht hier die Vielseitigkeit über allem anderen. Tight End Rob Gronkowski ist die ultimative Mismatch-Waffe in der gesamten NFL, weil er als Run-Blocker und als Receiver vielseitig einsetzbar ist und für Defenses ein großes Matchup-Problem darstellt, ob in Man oder in Zone Coverage.

In Gronks Schatten - manchmal auch wörtlich - befindet sich Dion Lewis, gewissermaßen das zweite große Matchup-Problem, das die Patriots mitbringen. Lewis wurde eine Weile lang als Receiving-Back und nicht viel mehr betrachtet, seine elektrisierende Beweglichkeit und seine Fähigkeiten nach dem Catch machten diesen einfachen Schluss naheliegend. Doch hat Lewis insbesondere in der zweiten Saisonhälfte eindrucksvoll gezeigt, dass er viel mehr sein kann.

In den letzten sechs Spielen der Regular Season gelangen ihm acht Runs über mindestens 15 Yards, nur Marshawn Lynch hatte in diesem Zeitraum mehr. Pro Football Focus listet ihn auf Rang drei in puncto Yards nach Kontakt pro Run (3,17) unter allen Running Backs, die mindestens 50 Prozent der Offensiv-Snaps gespielt haben und darüber hinaus ließ er in Protection bei insgesamt 35 Versuchen keinen Pressure oder Sack zu.

New Englands Running Backs als Receiving-Waffen

Die Patriots verzeichneten über die letzten sechs Regular-Season-Spiele 4,6 Yards pro Run, nur Todd Gurley hatte in dieser Phase mehr Rushing-Yards als Lewis. New England war die ganze Saison über bemüht, das Run Game nicht zu vernachlässigen: Durchschnittlich 28 Runs pro Spiel hatten die Pats am Saisonende, der elfthöchste Wert - und das bei 4,2 Yards pro Run, ebenfalls gleichbedeutend mit dem elften Platz.

Lewis hatte daran einen großen Anteil, weil er auch zwischen den Tackles laufen kann und dort sogar seine Explosivität in Kombination mit einer gewissen Geduld und Beweglichkeit ebenfalls einsetzt. Die große Qualität aber ist seine Vielseitigkeit: Lewis - genau wie James White - ist ein exzellenter Receiver aus dem Backfield heraus, und New England nutzt seine Running Backs in dieser Disziplin besser als jedes andere Team.

Dabei bindet New England die Running Backs im Passspiel auch glänzend in das Play-Action-Game ein. Mehrfach in dieser Saison hatten die Patriots Plays, bei denen der erste Play-Action-Fake zum Running Back geht und als die Defense schließlich reagiert und den Pass in die andere Richtung oder ein langes Zuspiel erwartet, folgt der Screen zum Running Back zurück.

Auch arbeiten die Patriots bei den Running Backs im Passspiel intensiv mit Chip-Blocks, die Backs geben also einem Edge-Rusher einen kurzen Schubs mit, ehe sie sich in ihre Route begeben. Das hilft der Pass-Protection zusätzlich, auch das wird es am Sonntag mehrfach zu sehen geben. Zusätzlich schwierig wird es für die Defense, wenn die Running Backs aus dem Backfield heraus ebenfalls Option Routes laufen.

James Develin: New Englands X-Faktor?

Develin spielte insgesamt 346 Offense-Snaps, gleichbedeutend mit 30,3 Prozent der Patriots-Offense-Snaps insgesamt. Wenig überraschend war nur Kyle Juszczyk in Kyle Shanahans Scheme in beiden Kategorien vor ihm (397 Snaps, 36,1 Prozent). Kein anderer Fullback kam über 275 Snaps oder über 26 Prozent der eigenen Offense-Snaps. Develin hat dabei eine zentrale Rolle als Lead-Blocker für das Power Run Game der Pats, wo ihm seine Athletik etwa bei Trap-Blocks, wenn er quer hinter der Formation durchkommen muss, sichtlich zugute kommt.

Vor allem aber ist der Fullback - vor nicht allzu langer Zeit eine nahezu ausgestorbene Position - die moderne Matchup-Waffe in der NFL. Die Atlanta Falcons hatten in der Vorsaison unter Kyle Shanahan hiermit großen Erfolg, Shanahan hat dieses Element mit sich nach San Francisco genommen.

Vereinfacht gesagt: Eine 21-Personnel-Formation (also zwei Running Backs, beziehungsweise in dem Fall ein Fullback und ein Running Back sowie ein Tight End) zwingt eine Defense, darauf zu reagieren und sich auf einen Run einzustellen. Ein leichteres Sub-Package - etwa mit einem zusätzlichen Cornerback statt einem Linebacker oder Defensive Lineman - läuft Gefahr, vom Run Game buchstäblich über den Haufen gelaufen zu werden.

Somit diktiert New England bereits die gegnerische Grundformation zu einem gewissen Grad, und das ist nur der erste Schritt: Die Patriots, das wird auf Tape immer wieder deutlich, nutzen das, um aus dieser Formation heraus die Defense weiter zu durchleuchten. So wird regelmäßig der Fullback vor dem Snap aus dem Backfield Richtung Seitenlinie bewegt, je nachdem, wie die Defense reagiert (verfolgt ihn ein Linebacker oder Safety? Oder bleibt der Cornerback stehen?) weiß Brady dann schon zumindest zum Teil, ob es sich um Man oder um Zone Coverage handelt.

Wird die Gronkowski-Develin-Kombination zum Problem?

Das ist ein Aspekt, den New England, ähnlich wie auch die Eagles, mitunter fast exzessiv nutzt. Vor dem Snap wird konstant ein Spieler in Bewegung gesetzt, um Brady weitere Hinweise auf die Coverage zu geben.

Der Einsatz von Gronkowski und Develin als Blocker und als Matchup-Waffen war im Regular-Season-Spiel gegen die Broncos und deren starke Front ein ganz zentraler Teil des Patriots-Game-Plans. Develin hatte in keinem Spiel dieses Jahr ansatzweise so viele Offense-Snaps wie gegen die Broncos (45).

Ähnliches ist gegen Philadelphia durchaus ebenfalls denkbar: Mit Develin und Gronk auf dem Platz wird die Protection und das Run-Blocking signifikant verbessert, gleichzeitig können die Patriots hieraus in verschiedene Formationen wechseln und für die Defense scheinbar komplexe Plays nacheinander spielen. Ihr Scheme macht es möglich, und das war in dieser Saison erneut regelmäßig zu beobachten - auch im Championship Game gegen Jacksonville.

Dabei gelang es New England, durch die Fullback-Positionen Jaguars-Linebacker Paul Posluszny - seines Zeichens nicht gerade der beste Coverage-Linebacker - auf dem Feld zu halten. Ähnlich könnte es New England auch gegen die Eagles machen, mit dem Ziel, Slot-Cornerback Patrick Robinson - Philadelphias bester Cornerback und ligaweit einer der besten Slot-Verteidiger dieser Saison - auszuschalten. Das würde die Arbeit für Danny Amendola und das Kurzpassspiel gegen die starke Eagles-Front merklich erleichtern.

Philly reagiert in der Base-Formation gerne mit Malcolm Jenkins als drittem Linebacker; der Safety hat in dieser Saison laut Pro Football Focus nur 24 Prozent seiner Snaps als Safety, 30 Prozent als Slot-Cornerback und 42 Prozent als Linebacker (dazu 4 Prozent Cornerback) gespielt. New England könnte sich hier einerseits Matchups für Gronkowski zurechtlegen, oder den Ball gezielt auf die leichtere Seite der Eagles-Formation laufen. Alles durch den Einsatz des Fullbacks.

Die Eagles-Front muss die Line und Brady kontrollieren

"Die gesamte Woche bereitest du dich darauf vor, wie du Tom Brady stoppen kannst. Du musst ihn unter Druck setzen und ihn auf den Boden bringen. Denn er ist alt", analysierte Jaguars-Linebacker Telvin Smith am Rande des Pro Bowls.

Dolphins-Safety Reshad Jones, dessen Team die Pats in der Regular Season bezwang, bevorzugt einen anderen Ansatz: "Du musst ihre Receiver runter bremsen. Wenn du hoch stehst, und gleich deine Hände an den Receivern hast, kann Brady den Ball nicht schnell loswerden."

Die Eagles haben die personellen Möglichkeiten, um ohne Blitzing - also nur mit der 4-Men-Front - Druck auf Brady auszuüben: Nur neun Teams blitzten in dieser Saison prozentual weniger als die Eagles unter Jim Schwartz, der generell kein großer Blitz-Fan ist.

Gleichzeitig kreierte Philly bei 38 (!) Prozent der eigenen Pass-Rush-Snaps ohne Blitz Pressure, die höchste Rate in der NFL. Darüber hinaus verfügen die Eagles über die tiefste Front in der NFL, mit Spielern wie Chris Long und Derek Barnett in der zweiten Reihe, die Defensive Line sollte also auch im vierten Viertel noch funktionieren.

Nur wenn es den Eagles konstant gelingt, die Line of Scrimmage so zu kontrollieren und Philly gleichzeitig dahinter mit Man Coverage - ein mögliches Schlüsselduell hier könnte Malcolm Jenkins gegen Rob Gronkowski lauten - bestehen kann, haben die Eagles eine Chance, New Englands Offense einigermaßen zu kontrollieren. Komplett abmelden kann man sie ohnehin nie.

Das wäre ein riesiger Schritt für Philadelphia. Denn bei allem berechtigten Lob für die Eagles-Offense ist auch klar: In einen Shootout mit Tom Brady will kein Team geraten.

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