NFL

Hoffnungsschimmer und tragische Muster

Tony Romo verletzte sich in der Preseason erneut - und fällt wieder mal lange aus
© getty

Die Preseason ist vorbei, Zeit für ein Fazit: Wer waren die Gewinner, wer die Verlierer? Während der Trade von Sam Bradford nochmals Wellen schlägt, gibt es altbekannte Tragik in Dallas - allerdings mit neuem Helden. Die Denver Broncos schreiben mit ihrem Quarterback Geschichte, mehrere Running Backs glänzen. Außerdem: Die Wachstumsschmerzen eines Rookie-Quarterbacks und bemitleidenswerte Broncos-Gegner.

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Die Gewinner der Preseason

Dak Prescott: Wie könnte man die Gewinner der Preseason auflisten, ohne Dak Prescott zu nennen? Der 23-jährige Viertrunden-Draft-Pick, den die Cowboys nur drafteten, weil sie bei Paxton Lynch und Connor Cook zuvor den Kürzeren gezogen hatten, stürmte mit dem Start der Preseason nur so ins Rampenlicht. Sowohl gegen die Rams, als auch gegen die Seahawks - in beiden Spielen auch gegen Starter - überzeugte er, dazu kam ein noch beeindruckenderes Spiel gegen Miami. Gute Präsenz in der Pocket, mitunter herausragendes Ball Placement: Es war eine Preseason zum Staunen.

So standen nach drei Spielen zu Buche: 78 Prozent angekommene Pässe, 9,1 Yards pro Pass, fünf Touchdowns, kein Turnover und zwei Rushing-TDs. Man kann durchaus sagen, dass Dak Prescott die beeindruckendste Rookie-QB-Saison seit Russell Wilson gespielt hat. Natürlich ist all das nur bedingt aufschlussreich: Defenses spielen ohne konkreten Game Plan und nur sehr Basis-orientierte Spielzüge. Aber Prescotts eindrucksvoller Sommer beschränkt sich nicht nur auf die drei Preseason-Spiele.

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Der Youngster hat insbesondere auch im Training beeindruckt, wo er schon mal Dez Bryant anschnauzte und Coaches Tag für Tag mit seinem Fleiß beeindruckte. "Ich glaube an Dak, denn er hat in der besten College-Conference gespielt. In der SEC zu spielen ist fast wie in der NFL zu spielen - und er hat mit Mississippi State gewonnen", lobte Bryant selbst. Die Spieler stehen hinter dem Rookie, der von der besten O-Line der Liga enorm profitieren dürfte. Durch die Verletzung von Tony Romo wird sich ab Week 1 zeigen, wie viel Wahrheit in dem Preseason-Hype steckt.

Trevor Siemian: Der zweite Quarterback im Bunde. Nachdem die Denver Broncos in der Offseason sowohl Peyton Manning, als auch Brock Osweiler verloren hatten, verpflichtete der Titelverteidiger letztlich Mark Sanchez und draftete Paxton Lynch. Für viele war der Fall damit klar: Getragen von der überragenden Defense würde Sanchez zunächst versuchen, möglichst wenige Fehler zu machen, bis schließlich Lynch übernehmen kann.

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Doch nahezu alle Experten hatten ihre Rechnung ohne Siemian gemacht. Das sich wiederholende Lob von Coach Gary Kubiak im Frühling wurde als typischer Trainings-Talk abgetan - allein: Es änderte sich nichts. Siemian erhielt auch im Juli und im August seine Einheiten mit dem ersten Team und so war zum Start der Preseason klar, dass es ein offenes Duell werden würde.

Sowohl Sanchez, als auch Siemian hatten ihre Wackler in der Preseaon, doch Siemian überzeugte letztlich ein kleines bisschen mehr. Mehr Konstanz, weniger eklatante Fehler, mehr Sicherheit: Diese Dinge wollten die Coaches sehen, um sie mit ihrer Defense und dem Run Game zu kombinieren. Und so erhielt Siemian den Zuschlag, Sanchez zog den Kürzeren und Siemian wird als erster Quarterback überhaupt ohne Regular-Season-Pass im eigenen Lebenslauf den Titelverteidiger in Week 1 aufs Feld führen.

Melvin Gordon: Die Knie-OP ist erfolgreich überstanden, ein hartes Offseason-Programm, in dem er unter anderem mit Adrian Peterson trainierte, machte sich in der Preseason bemerkbar: Melvin Gordon wirkte spritziger und aggressiver, präsentierte sich stark im Passing Game und profitierte davon, dass die Chargers mehrfach einen Fullback als Blocker einsetzten. Im Vergleich zu seiner Rookie-Saison sollte der Chargers-Running Back einen deutlichen Sprung machen.

Browns-Fans: Keine Fan-Base musste in den letzten rund 20 Jahren so viel leiden wie die der Browns: Umzug nach Baltimore, Neugründung, Regelmäßiger Spott ob der schon fast absurden Quarterback-Suche und kaum einmal auch nur der Hauch von Playoff-Chancen weil es überall an Qualität fehlte.

Die vergangene Preseason allerdings hat gezeigt: Womöglich hat die kommende Saison endlich mehr zu bieten - zumindest einen kleinen Funken Hoffnung. Coach Hue Jackson hat Robert Griffin III zu seinem persönlichen Projekt gemacht, etwas besseres hätte Griffin überhaupt nicht passieren können. Die Offense wirkte mit RG3, Rückkehrer Josh Gordon und dem zum Receiver umfunktionierten Terrelle Pryor explosiv.

Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Defense eine einzige Problemzone ist und alles davon abhängt, ob die durch mehrere Abgänge geschwächte O-Line Griffin beschützen kann. Aber zumindest könnte dieses Team für etwas Spektakel sorgen. Einen Funken Hoffnung - mehr verlangen die Fans ja gar nicht.

Victor Cruz: Es war nur ein Pass über vier Yards - aber allein die Tatsache, dass Giants-Receiver Victor Cruz gegen die Jets in Week 3 nach fast zwei Jahren und mehreren Verletzungen sein Comeback gab, dürfte Football-Fans überall gefreut haben. "Ein großer, großer Schritt", strahlte Coach Ben McAdoo. Die Giants können Salsa-Tänzer Cruz neben Odell Beckham und Sterling Shepard jetzt schrittweise ranführen.

Sam Bradford: Statt hinter einer schwachen Offensive Line in einem Team mit neuem Trainerstab, neuer Offense und viel Umbruch aufzulaufen, könnte Bradford den Jackpot geknackt haben: Der Trade zu den Vikings gibt ihm einen Offensive Coordinator der ihn mag, eine verbesserte O-Line, einen der besten Running Backs der Liga und ein Team, das jetzt gewinnen will.

Arian Foster: Es waren ereignisreiche sechs Wochen für Foster. Mitte Juli wurde der Running Back, der von einem Achillessehnenriss zurückkommt, erst von den Dolphins verpflichtet. Inzwischen zeichnet sich zunehmend ab: Foster könnte eine deutlich größere Rolle in Miamis Offense erhalten als zunächst vermutet.

In der Preseason verkleinerte er den Abstand auf Jay Ajayi merklich, als Pass-Fänger aus dem Backfield dürfte er ohnehin eine Rolle haben. Ajayi beende seine Preseason mit einem Fumble in Week 4, Coach Adam Gase erklärte öffentlich, dass er "enttäuscht" sei. Es wäre inzwischen keineswegs überraschend, würde Foster das RB-Korps zum Start der Regular Season anführen.

Die Chiefs-Offense: Auch ohne Jamaal Charles, der infolge seines Kreuzbandrisses mutmaßlich auch den Start der Regular Season verpassen wird, war es durchaus beeindruckend, was die Chiefs-Starter in der Preseason aufs Parkett brachten. Alex Smith war ein Muster an Effizienz und Genauigkeit, auch das Running Game funktionierte. Mit Kansas City wird 2016 auch offensiv zu rechnen sein.

Christine Michael: "Er hatte einen Erweckungsmoment", antwortete Seattles Offensive Coordinator Darrell Bevell auf die Frage, warum Fans plötzlich wieder an Christine Michael glauben sollten. Der Running Back, der 2015 bei gleich drei Teams unter Vertrag stand, letztlich aber zu den Seahawks zurückkehrte, spielte eine beeindruckende Preseason: Explosivität, Yards after Contact, Downhill-Running - Coaches und Fans gleichermaßen waren beeindruckt. Es wird spannend zu sehen, wie die Bürde der Beast-Mode-Nachfolge aufgeteilt wird, wenn Thomas Rawls nach seiner Knöchelverletzung wieder bei 100 Prozent ist.

Derrick Henry: Nicht wenige Experten hatte vor dem Draft vor Henry gewarnt. Der Alabama-Star könne seine starken College-Leistungen nicht in die NFL übertragen, seine Füße seien zu langsam und er lasse kaum mal einen Verteidiger aussteigen. In der Preseason war davon wenig zu sehen. Vielmehr beeindruckte Henry mit schnellen Bewegungen, einer Nase für die Löcher in der Line und einem ansehnlichen Running-Stil. Kann er diese Form beibehalten, dürfte er DeMarco Murray bei den Titans gefährlich werden.

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