NFL

Die Chance auf den Schock

Für Aaron Rodgers und die Packers endete die Saison in den Divisional Playoffs gegen Arizona
© getty

Die Green Bay Packers haben eine Achterbahnfahrt einer Saison hinter sich. Trotz des Einzugs in die Divisional-Playoff-Runde hinterließ das vergangene Jahr einen faden Beigeschmack: Phasenweise schleppten sich die Packers auf dem Rücken von Aaron Rodgers durch die Spiele, es gilt, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und dabei könnte es in der jetzt anstehenden Free Agency zu einem Schocker kommen.

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Zunächst antwortete Mike McCarthy mit einer Floskel. "Wir werden sehen, was passiert", erklärte der Head Coach der Packers auf die Frage eines Journalisten, wie Green Bay die Free Agency angehen würde. Alles wie gewohnt also? Eine weitere ruhige Offseason im hohen Norden? Mitnichten. McCarthys Zusatz sorgte vielmehr für einen kurzen Moment der Stille im Presseraum: "Es könnte sein, dass wir euch in diesem Jahr schocken."

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Dem vorausgegangen waren Gerüchte, wonach es intern bei den Packers ein wenig rumorte. Angeblich war McCarthy verärgert darüber, dass Geschäftsführer Ted Thompson in der Free Agency des Vorjahres zu passiv agierte - wenngleich er sich damit in bester Packers-Tradition bewegte.

Wie kaum ein Team ist Green Bay bekannt dafür, auf dem Transfermarkt die Füße still zu halten. Die Packers behalten ihre eigenen potentiellen Free Agents, schlagen aber kaum mal prominent zu. Extrem seltene Ausnahme, Julius Peppers wäre hier in den vergangenen Jahren zu nennen, bestätigen diese Regel.

"Manchmal nervt es mich, dass diese Sicht verbreitet ist, wonach wir uns nur um den Draft kümmern. Bedenkt mal Julius Peppers, oder natürlich Charles Woodson. Wir haben schon einige Dinge gemacht", stellte Präsident Mark Murphy jüngst klar, allerdings nicht ohne hinzuzufügen: "Vielleicht nicht zum gleichen Grad wie andere Teams. Aber es gibt eben ligaweit auch viele Beispiele, wo diese Dinge nicht funktioniert haben."

"Jagen keine Geister"

Man kann Murphy hier kaum widersprechen. Jahr für Jahr werden Teams wie Jacksonville, Oakland oder Cleveland dafür kritisiert, Free Agents auf dem Transfermarkt viel zu viel Geld zu bezahlen. Und viel zu häufig entpuppen sich derartige Verpflichtungen als Flop, ein Team durch den Draft aufzubauen, ist nach wie vor die Königsdisziplin in der NFL.

Und doch stimmte auch Thompson nach dem Playoff-Aus in Arizona im Januar seinem Coach zu: "Wir beobachten die Free Agency. Wir sind da seit einigen Monaten dran - auch wenn wir keine Geister jagen."

Erleben Packers-Fans also zum ersten Mal seit Jahren eine wirklich aggressive Free Agency? Zumindest hat der Verlauf der vergangenen Spielzeit die Verantwortlichen offenbar nachdenklich gestimmt.

Übergewicht und Isolation

Zwar schafften es die Packers bis in die Divisional Round - wo erst eine unfassbare Partie in Arizona das Aus bedeutete - allerdings war der Weg dorthin mehr als nur steinig. Als sich Receiver Jordy Nelson während der Saisonvorbereitung das Kreuzband riss, wusste man in Wisconsin, dass die Saison gerade ungleich schwieriger geworden war. Wie schwer aber tatsächlich - das hatten wenige kommen sehen.

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Die Packers verließen sich übermäßig stark auf Aaron Rodgers und A-Rod war auch der einzige Grund dafür, dass Green Bay überhaupt so weit kam. Doch weder personell, noch was das Play-Calling angeht, bekam Rodgers über weite Strecken sonderlich viel Unterstützung.

Co-Head-Coach Tom Cable, an den McCarthy nach dem Vorjahres-Drama gegen Seattle die Play-Calling-Verantwortung abgetreten hatte, setzte zu stark auf Isolation Routes und ein Isolation Concept - bedeutet: Die Routes bauen nur sehr bedingt aufeinander auf (Beispiele wären Fakes und verschiedene Routes aus der gleichen Aufstellung im Laufe eines Spiels) und "helfen" sich nicht innerhalb eines Spielzuges (etwa indem sich die Laufwege der Receiver kreuzen, was den Cornerbacks das Leben erschwert).

Ohne Nelson, James Jones wurde als günstiger und altbekannter Ersatzmann geholt, fehlte hierfür aber die Qualität, so dass Rodgers immer wieder improvisieren musste. Dazu kam, dass Running Back Eddie Lacy mit gehörigem Übergewicht in die Saisonvorbereitung eingestiegen war und sich davon nie wirklich erholte. Zwar betonte McCarthy jüngst, dass Lacy entgegen anders lautender Berichte keine 30 Pfund verlieren müsse - gleichzeitig aber könne er "nicht auf seinem aktuellen Gewicht spielen. Eddie hat viel Arbeit vor sich."

Das kostbare Fenster

In jedem Fall gilt: Das Fenster für den besten Quarterback der Liga ist zu kostbar, um für eine weitere Saison zu großen Teilen auf Rodgers zu bauen. Diese Erkenntnis scheint sich langsam aber sicher auch bei den Verantwortlichen heraus zu bilden. McCarthy zog bereits Mitte Dezember seine Notbremse, als er das Play-Calling wieder übernahm. Prompt war jene Packers-West-Coast-Offense wieder zu sehen, in der Spielzüge aufeinander aufbauen und die ganze Offensive wesentlich dynamischer agiert.

Auch in der Free Agency soll jetzt analog dazu ein Umdenken stattfinden. Die Packers könnten Rodgers verstärkt mit mehr Talent umgeben, um ihren Superstar zu entlasten. Konkret könnte das in Form von Verstärkungen für die Offensive Line und vor allem einem neuen Starting-Tight-End aussehen: Richard Rodgers stand in der Vorsaison bei 8,8 Yards pro Catch, was für den 67. Platz unter den Tight Ends reicht. Sollte James Starks (Vertrag läuft aus) gehen, ist auch ein Komplementär-Back zu Lacy dringend notwendig.

Secondary als Idealvorstellung

Gleichzeitig gilt allerdings: Es war längst nicht alles schlecht in Green Bay, und insbesondere die Secondary wäre hier hervorzuheben. Nach einigen eher durchwachsenen Jahren zahlte es sich aus, dass die Packers hier mit Micah Hyde, Ha Ha Clinton-Dix, Damarious Randall, Morgan Burnett und Casey Hayward gut gedraftet haben. Der unumstrittene Leader der Secondary aber ist Sam Shields, der 2010 als Undrafted Free Agent nach Green Bay kam.

Die Packers zeigen, wie ihr auf den Draft fokussierter Weg im Idealfall funktionieren kann - und beweisen in einer anderen Defense-Position bereits vorausschauend die eigene Anpassungsfähigkeit. Clay Matthews musste zuletzt meist als Inside Linebacker ran, was ihn seiner großen Pass-Rusher-Stärke beraubt. McCarthy kündigte daher Ende Januar an: "Wir sind viel besser, wenn er außen spielt. Er ist ein Outside Linebacker und wir müssen ihn da wieder einsetzen."

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Das Talent ist in Green Bay vorhanden, um nach zwei bitteren Playoff-Niederlagen hintereinander wieder auf den ganz großen Wurf zu schielen. Aber, und für alteingesessene Packers-Fans klingt das schon fast nach Revolution, gleichzeitig wissen die Verantwortlichen, dass die eine oder andere größere Free-Agency-Unterstützung vielleicht das fehlende Puzzle-Teil darstellen kann.

"Wir legen Wert auf den Draft und darauf, Spieler zu entwickeln. Aber wir legen auch Wert auf die Free Agency", fügte Ted Thompson daher hinzu: "Wenn du uns helfen kannst, Spiele zu gewinnen, ein guter Team-Kamerad bist und all das passt, dann gibt es für dich einen Platz bei uns. Wir sträuben uns da nicht gegen, auch wenn bei uns weiter gilt: In einer perfekten Welt draftest, entwickelst und behältst du deine eigenen Spieler." In der Realität aber ist manchmal eben einfach ein Schock nötig.

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