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"Dankbar, Teil des Teams zu sein"

Zieht den Hut vor seiner Defense: Broncos-Quarterback Peyton Manning
© getty

Mit seinem zweiten Super-Bowl-Triumph baut Peyton Manning seine eindrucksvolle Rekordsammlung aus. Doch beim Sieg über die Panthers ist die lebende Quarterback-Legende nur ein Glied in der Kette - und damit vollauf zufrieden. Die Broncos-Defense krönt überragende Playoffs, stellt mit Von Miller den MVP und beweist: Manchmal stimmen alte Klischees ja doch.

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Erst zwei Jahre ist es her, da musste Broncos-GM John Elway mit ansehen, wie die beste Offensive der NFL-Geschichte im Super Bowl XLVIII von den Seattle Seahawks förmlich in Stücke gerissen wurde. Und die lebende Quarterback-Legende Peyton Manning, die er nach dessen unrühmlichem Abgang aus Indianapolis nach Denver gelotst hatte, beim 8:43 ein persönliches Waterloo erlebte. 55 Touchdowns aus der Regular Season waren plötzlich nichts mehr wert, der Titel ging nach Seattle. Wie sagt man so schön: Defense wins Championships.

Also machte sich Elway ans Werk, um dem zukünftigen Hall of Famer Manning auf der Zielgrade seiner Karriere das gleiche glorreiche Ende zu bescheren, das ihm 1997 und 1998 vergönnt gewesen war: Mit den Broncos hatte er zwei Super Bowls gewonnen und im Anschluss seine Karriere beendet. Eine starke Defense sollte Mannings Chancen auf einen weiteren Meisterring entscheidend erhöhen.

Defense wins Championships

Deshalb verpflichtete der 55-Jährige zu Beginn der Free Agency innerhalb von nur 24 Stunden Pass Rusher DeMarcus Ware, Cornerback Aqib Talib und Safety T.J. Ward. Für fast 110 Millionen Dollar. Die verletzten Von Miller und Chris Harris Jr. kehrten zurück, zusammen mit eigenen Draft Picks wie Derek Wolfe oder Malik Jackson bildete sich das Gerüst einer potenziell dominanten Defense. "Wir hatten bis dahin alle Rekorde gebrochen, aber uns bot sich die Möglichkeit, defensiv noch stärker geworden", so Elway. Im Rückblick muss man konstatieren: eine klare Untertreibung.

ANALYSE Der Defense sei Dank: Broncos gewinnen Super Bowl

Hätte er gewusst, dass vom Manning in Bestform zwei Jahre später eigentlich nichts mehr übrig sein sollte, dass der fünffache MVP von Alterserscheinungen und Verletzungen gebeutelt nicht einmal die Regular Season überstehen sollte - Elway hätte wohl nicht mehr an den Erfolg seines eigenen Plans geglaubt. Aber Manning kam zurück, übernahm zum Ende der Regular Season für Ersatzmann Brock Osweiler - und der Rest ist Geschichte. Oder, wie man so schön sagt: "Epic Comeback starts right here!"

Und so stemmte der mit 39 Jahren älteste QB der Super-Bowl-Geschichte wenige Minuten nach einer Demontage der Carolina Panthers die silberfarbene Vince Lombardi Trophy in die Höhe. Eine Trophy, zu der er an diesem Abend nur einen vergleichsweise bescheidenen Beitrag leisten konnte, mit 141 Yards, einer Interception und insgesamt 5 Sacks.

Und bestätigte dabei mehr oder weniger unfreiwillig, dass die guten alten Schlaumeier-Sprüche manchmal eben doch stimmen. Defense wins Championships.

Manning: vom Alleinunterhalter zum Pflegefall

Im Laufe seiner glorreichen Karriere hatte Manning Rekord um Rekord in die Annalen der NFL gestanzt, das Spiel geprägt, durch sein No-Huddle und seine Audibles bei völliger Entscheidungsfreiheit an der Line of Scrimmage sogar in ganz neue Bahnen gelenkt. Und doch hatte es nur zu einem einzigen Titel gereicht: starke Offense, aber oft nur mittelmäßige Defense - so war in der Postseason immer wieder vorzeitig Schluss.

Entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Manning-Version den zweiten Titel einheimst, die man nur mit viel gutem Willen überhaupt noch als "Game-Manager" bezeichnen kann? Gegen die Panthers sicherte man sich mit gerade einmal 194 Yards Netto-Raumgewinn die Championship, mit Abstand Negativ-Rekord eines Siegerteams. Nur einen einzigen von 13 Third Downs konnte die Offense in einen neuen ersten Versuch umwandeln. Viel, viel Krampf.

Oder hat es doch etwas von ausgleichender Gerechtigkeit, dass der Mann, auf dessen Schultern über so viele Jahre hinweg die Hoffnungen ganzer Städte lasteten, auf der Zielgeraden seiner Karriere ein letztes Mal das Gelobte Land erreicht, gestützt und getragen von seiner Defense? Von der enthaltenen Hollywood-Story ganz zu schweigen: Superstar stürzt ab, landet auf der Bank, feiert sein Comeback - und gewinnt tatsächlich noch einmal den Super Bowl.

"Dankbar, dass ich ein Teil sein durfte"

"Es ist großartig, weil er diesmal Teil eines Teams war, das ihm auf dem Weg zum Sieg helfen konnte", freute sich Head Coach Gary Kubiak nach dem 24:10-Erfolg. Er war es gewesen, der Elway 18 Jahre zuvor zum Titel gecoacht hatte, und er war es auch, der mit Defensive Coordinator Wade Phillips den Architekten der Broncos-Defense an Bord geholt hatte. "Er musste nicht rausgehen und alles alleine machen, und das wusste er. Ich habe ihm erzählt, wie ich dabei war, als John Elway einen Titel mit nur rund 120 Passing Yards gewann - und heute ist ihm ähnliches gelungen. Ich bin einfach nur stolz auf ihn."

Bei aller Liebe: Heldenverehrung ist angesichts Mannings Leistungen auf dem Feld in den letzten Wochen nicht wirklich angebracht. Wo man sie nun doch antrifft, speist sie sich aus der Gesamtheit seiner Karriere, aus seinen unglaublichen früheren Leistungen, aus seiner Beliebtheit bei Mitspielern, Fans und Journalisten gleichermaßen. Und aus der vor allem amerikanischen Angewohnheit, die Besten eines jeweiligen Sports immer wieder neu einzuordnen auf der Suche nach dem GOAT, dem Greatest Of All Time. Da in dieser Diskussion die "Hardware" eine entscheidende Rolle spielt (Stichwort: "Ringzzz!"), wird die Debatte um den NFL-Mount Rushmore nun womöglich einmal mehr aufgerollt.

Das Super Bowl LIVE-Storify zum Nachlesen

Der Gelobte wie Gescholtene konnte seine Leistung bei der Siegerehrung dagegen recht nüchtern einschätzen: "Ich bin einfach nur dankbar dafür, dass ich ein Teil des Teams sein durfte", betonte die Nummer 18. "Mit zwei Teams einen Super Bowl zu gewinnen, darauf bin ich stolz. Das nehme ich nicht als selbstverständlich hin." Wo Manning früher noch das Team verkörperte, war er diesmal nur ein Glied einer langen Kette. Entscheidend waren andere.

Miller und Ware als zweiköpfiges Monster

Zum Beispiel MVP Von Miller. Der Outside Linebacker hatte schon vor zwei Wochen gegen die Patriots dominiert und Tom Brady das Leben zur Hölle gemacht. Gegen die besser aufgestellte O-Line der Panthers waren allerdings Zweifel geäußert worden, ob Miller und sein kongenialer Partner und Mentor Ware gleichermaßen häufig zu Cam Newton würden durchstoßen können. Schließlich stellt sich Carolina häufig in "Max Protection" auf, also mit einem weiteren Lineman oder zwei Tight Ends.

Doch Defensive Coordinator Wade Phillips löste dieses Problem, indem er seine Linebacker immer wieder blitzen ließ, so die numerische Unterlegenheit seiner Pass Rusher ausglich - und Miller und Ware Eins-gegen-eins-Situationen bescherte. "Coach Philipps hat einen fantastischen Job gemacht", betonte Miller. "Er sagt immer, dass unsere Fehler seine Schuld sind, aber der Super Bowl liegt auch an seiner Arbeit."

Und am Defensiv-Ass, dessen Vertrag nach der Saison ausläuft und das nach einer unglaublichen Postseason mit einem siebenstelligen Angebot rechnen kann. Gleich zweimal stürmte der zweite Pick vom 2011er Draft bis zu Cam Newton (Top-Pick des gleichen Jahres) durch und entriss diesem den Ball, dazu kamen sechs Tackles und zwei Hurries. Ware steuerte ebenfalls zwei Sacks bei, insgesamt sieben Sacks bedeuten Super-Bowl-Rekord. Noch nie in diesem Jahr war Newton so oft getroffen worden. "Wenn ich den Award aufteilen könnte, würde ich ihn DeMarcus und [Derek] Wolfe und den anderen geben", so Miller. "Das ist alles schön und gut, aber ich will einfach nur bei meinen Jungs sein. Der Ring ist wichtiger."

Panthers "wie ein offenes Buch"

Was der Pass Rush nicht erledigte, besorgte die Secondary, die sich gegen die pfeilschnellen Receiver nur wenige Aussetzer leistete. Dabei bediente man sich des Rezepts der Seahawks von vor zwei Jahren: kompromisslose Härte, oft nah an der Grenze des Erlaubten oder darüber hinaus. So sprangen zwar auch ein paar Penalties heraus, doch das Passspiel war im Großen und Ganzen abgemeldet. "Mann, als wir sie erstmal erwischt hatten, wurde ihr ganzes Team nervös", beschrieb Chris Harris Jr. "Die Running Backs haben gefumbelt, sie haben Interceptions geworfen... solche Hits wie von uns haben sie vorher nicht abbekommen."

10-2 lautet mittlerweile die Bilanz von Top-Defenses im Super Bowl, nachdem sie von den Broncos noch einmal ausgebaut wurde. Die Offensiv-Feuerwerke des NFC-Champions? An diesem Abend nur eine schemenhafte Erinnerung. "Wir haben ihr Spiel gelesen wie ein offenes Buch", schnaubte Safety T.J. Ward, und Linebacker Brandon Marshall, der vor zwei Jahren von Manning höchstpersönlich aus dem Scout Team in den Kader beordert worden war, setzte noch einen drauf: "Sie haben genau das gemacht, was wir auf Band hatten. Das ist das Verrückte. Mit zwei Wochen Vorbereitungszeit sollte man meinen, dass sie neue Varianten draufhaben. Aber es war alles gleich, nichts war neu."

So habe man das ohnehin eher einfach aufgebaute Passspiel der Panthers neutralisieren können. Aus 49 Punkten gegen die Cardinals wurden an diesem Tag magere zehn. "Ihr habt an sie geglaubt, weil sie einen leichten Spielplan hatten", stichelte Harris auch gegen die Medien. "Ihr habt an sie geglaubt. Aber sie haben gegen niemanden gespielt. Wir haben alles gesehen, da war niemand besonders gut." Sein Fazit: "Ich denke, dass sie jetzt gemerkt haben: Defense wins Championships." Da ist es wieder: Defense wins Championships.

Zukunft? Manning hält sich bedeckt

Verkehrte Welt: Wo 2013 noch die beste Offensive der Geschichte ihr Zuhause hatte, stellte man mit Manning nun den statistisch gesehen schlechtesten Quarterback, der je einen Super Bowl erreichte. Diesen verlässt der Sheriff nun als Sieger, um einige Rekorde und um einen Titelbonus von zwei Millionen Dollar reicher. Super Bowl 50 ist Sieg Nummer 200 für Manning - auch das ist eine neue Bestmarke.

Ob er diese in sieben Monaten noch einmal ausbauen will, ließ der 39-Jährige offen, als er sich auf dem Podium im Levi's Stadium von Konfetti berieseln ließ. Er wolle erst einmal feiern, sich nicht von den Emotionen des Augenblicks leiten lassen.

Aber auch in diesem Augenblick hatte er den Blick für seine Mitspieler: "Ich bin einfach nur froh, dass ich im gleichen Team wie unsere Defense bin. So muss ich nicht gegen sie antreten."

Davon können die Steelers (20 Punkte), Patriots (18) und nun auch die Panthers ein Lied singen.

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