NFL

Rebellion im zweiten Versuch

Roger Goodell und Robert Kraft liegen sich in den Haaren
© getty
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Revolution Marke Al Davis

Tatsächlich wusste die Liga, dass die Bälle nicht derart dramatisch verändert worden waren und die Patriots wiesen NFL-Rechtsberater Jeff Pash bereits im Februar per Mail auf die falschen Berichte hin. Goodell fokussierte sich derweil auf das vermeintliche Herz des Vorfalls und ging die Pats so direkt an: Er bestrafte Brady und das Team. Die ganze Vorgehensweise der NFL, inklusive der extrem langen Entscheidungsperioden, deutete auf einen Konfrontationskurs hin.

Wie Kraft mit seinem Statement deutlich machte, ist die Botschaft spätestens jetzt auch bei ihm angekommen. Ein derartiges öffentliches Misstrauensvotum von einem Team-Eigentümer gegenüber der Liga hat es seit den großen Tagen von Al Davis nicht mehr gegeben und wenngleich Kraft Goodell nicht direkt kritisierte, so war es doch erschreckend nahe an einer offenen Rebellion gegen die Liga - und somit unweigerlich auch gegen Goodell.

Allerdings steht Kraft damit zumindest vorerst noch alleine da, die ersten Eigentümer haben sich öffentlich auf die Seite des Commissioners geschlagen. Dass Goodell bei seiner ursprünglichen Entscheidung blieb hat ihm Respekt verschafft und ihn, nachdem er rund um Rice, Greg Hardy und Adrian Peterson keine gute Figur gemacht hat, wieder glaubwürdiger werden lassen. Ganz zu schweigen davon, dass der Spygate-Skandal nach wie vor bei einigen im Hinterkopf sein dürfte.

Eigentümer stärken Goodell

So erklärte Cowboys-Eigentümer Jerry Jones, dessen Team 2012 wegen vermeintlichen Verstößen gegen den Salary Cap bestraft wurde: "Er hat einen harten Job und leistet gute Arbeit. In seiner Position musst du wissen, dass man Entscheidungen treffen muss, die bei manchen nicht gut ankommen. Uns ist das ebenfalls passiert und ich bin nicht einverstanden mit dem, was damals war. Einige Leute, die sich sonst am lautesten beschweren, rufen dich dann an und sagen, dass du ein Teamplayer sein und den Vorfall vergessen sollst."

Dolphins-Boss Stephen Ross hatte rund um den Mobbing-Skandal in Miami jüngst ebenfalls Erfahrungen mit der Liga gesammelt und fügte hinzu: "Ich hatte ja durch unsere Kontroverse vor nicht allzu langer Zeit mit ihnen zu tun und sie sind sehr objektiv. Ich denke, niemand kennt alle Informationen aber ich glaube, dass die Liga alles berücksichtigt und ich vertraue der Entscheidung der Liga voll. Jeder ist verärgert, wenn es ihm selbst passiert."

Nicht unerwähnt sollte dabei allerdings auch ein kleines, aber feines Detail bleiben: Die Dolphins haben mit einer intensiven Free Agency zum Division-Angriff auf New England geblasen und nur wenn Bradys Vier-Spiele-Sperre bestehen bleibt, wird er den Pats am 11. Oktober im Duell mit den Cowboys fehlen.

Doch trotz allem ist die Botschaft durch einen von Goodells engsten Vertrauten und eine der wichtigsten Personen der Liga klar: Kraft hat den anderen Eigentümern zu verstehen gegeben, dass die Politik der Liga mit Vorsicht zu genießen ist und er hat zweifellos Eindruck hinterlassen. Im Moment mag er unter den Eigentümern zumindest öffentlich noch alleine dastehen, doch Goodells Entscheidungen in den kommenden Monaten werden unter besonderer Beobachtung stehen.

Die schleichende Revolution?

In seinem gemäßigten Statement Mitte Mai hatte Kraft weiter erklärt: "Vor 21 Jahren hatte ich das Privileg, beim Eigentümer-Treffen der NFL willkommen geheißen zu werden. Als Fan und Dauerkatenbesitzer lebte ich meinen Traum und an diesem Tag hatte ich Gänsehaut. Ich habe mir damals geschworen, alles zu tun, um die New England Patriots zu einem Topteam zu formen und dafür, dass das Team respektiert wird. Außerdem schwor ich mir alles zu tun was in meiner Macht steht, um die NFL zum beliebtesten Sport in Amerika zu machen."

In den beiden folgenden Jahrzehnten habe er gelernt, "dass das Herz, die Seele und die Stärke der NFL in der Partnerschaft der 32 Teams liegt. Es wurde mehr als deutlich, dass zu keinem Zeitpunkt die Agenda eines Teams das gemeinsame Gut aller 32 Teams überwiegen sollte." Goodells harte Linie hat Krafts Standpunkt jetzt über den Haufen geworfen und durch seine Ansage gibt es für den Pats-Eigentümer keinen schnellen Weg zurück.

Kraft wird jetzt auf Distanz zu seinem langjährigen Partner gehen müssen, will er in der Öffentlichkeit, vor den anderen Eigentümern und vor den eigenen Fans glaubhaft erscheinen. Das könnte sich bald auch auf Abstimmungen und Vorschläge bei den Eigentümer-Treffen auswirken. Kraft hat eine klare Linie gezogen und nachdem er im Mai mit seiner Nachsichtigkeit auf Unverständnis gestoßen war, ist seine Reaktion jetzt ins Gegenteil ungeschlagen. Langsam aber sicher dürfte das auch Goodell feststellen.

Seite 1: Einst Freunde - nun Gegner

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