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Immer mitten in die Fresse rein

Aus Arizona in den Big Apple: Head Coach Todd Bowles muss es bei den Jets richten
© getty

Todd Bowles dürfte sich den Auftakt zu seinem ersten Head-Coaching-Job anders vorgestellt haben: Die runderneuerten und so hoffnungsvoll in die Vorbereitung gestarteten New York Jets stehen nach den Debakeln um Sheldon Richardson und Geno Smith plötzlich wieder als Lachnummer der Liga da und haben bereits vor dem Start der Regular Season Scherben aufzukehren. Und doch gibt es für die gebeutelten Gang-Green-Fans Grund zur Hoffnung.

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"Das kann nur bei den Jets passieren", lautete der ebenso spöttische wie ungläubige Tenor von Fans und Experten gleichermaßen, als sich die Smith-Meldung kurz vor dem Start in die Preseason wie ein Lauffeuer verbreitete. Ein Starting-Quarterback, dem der eigene Linebacker den Kiefer bricht? Es ist eine völlig absurde Story, welche die Buttfumble-leidgeprüften Jets-Fans einmal mehr auf die Probe stellt.

Dass sich der inzwischen knapp 150 Kilo schwere Jared Lorenzen, besser bekannt als "Hefty Lefty" und zuletzt bei den Northern Kentucky River Monsters aktiv, kurz danach als QB-Aushilfe ins Gespräch brachte, half dabei wenig. Doch das eigentlich Besorgniserregende: IK Enemkpalis präziser Schlag, der seine sofortige Entlassung zur Folge hatte, rückte mit einigen Tagen Abstand zunehmend in den Hintergrund - weil sich Smith in der dem Schlag vorausgegangenen Diskussion über ein Flugticket im Wert von 600 Dollar offenbar selbst nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat.

Smith hatte Enemkpali offenbar ursprünglich zugesagt, bei einem High-School-Footballcamp aufzutreten. Der Linebacker kaufte daraufhin das Flugticket und ließ Flyer und Shirts drucken, die Geno ankündigten. Aufgrund der Beerdigung eines Freundes kam Smith nicht, sagte aber nie ab und hatte seiner Ankündigung, zumindest das Ticket zu bezahlen, keine Taten folgen lassen. Darüber hinaus soll er Enemkpali vor dem Schlag ins Gesicht gefasst und ihn provoziert haben.

Das Wesentliche aus den Augen verloren

Ein Leader tritt zweifellos anders auf. Kaum jemand könnte sich ernsthaft vorstellen, dass ein Peyton Manning oder Aaron Rodgers mit einem Mitspieler über ein ausstehendes Flugticket diskutiert. So lässt sich auch erahnen, warum sowohl Bowles, als auch Star-Cornerback Darrelle Revis unmittelbar nach dem Vorfall erklärten, dass beide Streithähne eine Mitschuld träfe. Anonyme interne Quellen behaupteten gar, Smith habe den Schlag "verdient".

Es dauerte fast eine Woche, ehe sich mit Receiver Brandon Marshall ein Teamkollege öffentlich vor Smith stellte. Das PR-Desaster komplett machte der Spott von Medien und Fans, die ihren Quarterback nach einem durchwachsenen öffentlichen Training zuvor bereits ausgebuht hatten. Die New York Daily News ging einfach über die Tatsache hinweg, dass einem Mann der Kiefer an mehreren Stellen gebrochen worden war, und attestierte den Jets Glück - immerhin müssten die Fans Smith jetzt sechs bis zehn Wochen lang nicht ertragen.

Bowles' klare Ansage

Man kann, ganz sachlich gesehen, angesichts der vergangenen Saison argumentieren, dass Backup Ryan Fitzpatrick vielleicht sogar die bessere Alternative ist. Tatsächlich aber könnte Smiths Ausfall dem Team auch sportlich wehtun: Der 24-Jährige, für den die kommende Saison mit der mit Abstand besten Offensive seiner NFL-Karriere um ihn herum den Durchbruch bedeuten sollte, präsentierte sich im Vorfeld seiner dritten Spielzeit stark.

10 Fragen vor der Preseason: Eine Erschütterung der Macht

Offensive Coordinator Chan Gailey kam seinen Quarterbacks entgegen und führte das System näher an die Spread Offense, mit der sich Smith im College in West Virginia einen Namen gemacht hatte, heran - ein System, das auch Fitzpatrick, der bereits drei Jahre lang mit Gailey zusammengearbeitet hat, bestens kennt.

Und doch überraschte es, als Bowles ungewöhnlich deutlich betonte, dass Smith seinen Platz dauerhaft an Fitzpatrick verlieren könnte: "Wenn er stark spielt und das Schiff in die richtige Richtung unterwegs ist, veränderst man natürlich nichts. Wir werden sehen, was passiert." Fitz wird sich über die Zusage gefreut haben. Gleichzeitig ist aber auch klar: Die Jets könnten im ersten Jahr unter Bowles zur Saisonmitte vor einer QB-Debatte stehen, wenn die alte Weisheit wieder zuschlägt: Hast du zwei Quarterbacks, hast du eigentlich keinen.

Verletzungssorgen

Gleichzeitig gilt es für Bowles und seinen Trainerstab auch, die Augen in andere Richtungen offen zu halten - denn die Probleme der Jets enden längst nicht mit ihrer so ungewöhnlich wie unnötig aufgemachten Quarterback-Diskussion. Vielmehr plagen Gang Green schon vor dem Saisonstart Verletzungssorgen: Safety Antonio Allen wird die komplette Saison verletzt verpassen, Cornerback Dee Milliner fällt aufgrund von Problemen mit dem Handgelenk für bis zu acht Wochen aus.

Auch Receiver Devin Smith steht infolge seines Rippenbruchs für rund sechs Wochen nicht zur Verfügung - und der so wichtige Defensive Lineman Mo Wilkerson (Oberschenkel) erlitt Ende der Vorwoche einen leichten Rückschlag. "Wir gehen das jetzt ganz langsam an", kündigte Wilkerson an. Der Draft von D-Liner Leonard Williams entpuppt sich so für die Jets bereits früh als Glücksfall, denn schon vor dem Smith-Debakel gab es eine weitere grobe Panne.

Seite 1: Geno-Desaster und Verletzungssorgen

Seite 2: Bowles und die Free Agency: Grund zur Hoffnung

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