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The American Dream

Jerry Rice gewann in seiner einzigartigen Karriere dreimal den Super Bowl
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Montanas langer Schatten

Das war nur der Anfang. 1987 fing der Wide Receiver 22 Touchdown-Pässe - in nur zwölf Spielen aufgrund eines Spielerstreiks, hatte damit aber doppelt so viele wie der Zweite in der Liste. Selbstredend war dies ein neuer Rekord, der bis zum Jahr 2007 Bestand hatte (Randy Moss 23). Sein erster ganz großer Moment kam jedoch in Super Bowl XXIII. Gegen Cincinnati fing er elf Pässe (Super-Bowl-Rekord) für 215 Yards, einen Touchdown und wurde zum MVP des Spiels gewählt.

Doch nach dem Spiel fiel das Rampenlicht auf Joe Montana, den Quarterback, nicht auf Rice, den MVP. Alles fokussierte sich auf den Passgeber, den Weißen. Eine Tatsache, die Rice merklich störte. Er sah sich nicht respektiert, hatte er doch den vermeintlich größten Anteil am Triumph. Immer noch schien es, als könne der Star sein Kleinstadt-Image nicht völlig ablegen.

Er steckte die Nichtbeachtung weg und gewann prompt den folgenden Super Bowl, in dem Montana John Elways Denver Broncos mit fünf Touchdown-Pässen (drei auf Rice) fast alleine zerstörte - Endstand: 55:10.

"Wie kann man Gott abgeben?"

Es sollte der letzte große Erfolg mit und für Montana sein. Wenig später übernahm dessen Backup Steve Young das Ruder offiziell. Und das war eine große Umstellung für den Receiver, der treffend formulierte: "Wie kann man Gott abgeben?"

Doch nicht nur emotional war es schwierig für Rice. Auch rein praktisch war es neu für ihn, denn Young war Linkshänder, Montana warf mit rechts. Folglich kamen die Bälle mit einer gegensätzlichen Drehung ans Ziel. Das mag trivial klingen, doch für den Perfektionisten Rice war es eine große Sache.

Folglich rekrutierte er Equipment-Manager Ted Walsh dazu, ihm täglich unzählige Pässe zu werfen. Der war zwar kein Young, dafür aber Lefty! Über den ganzen Sommer hinweg malträtierte Rice also Walshs Arm, um ein Gefühl für Lefty-Pässe zu bekommen.

Die Früchte dieser Arbeit waren weitere starke gemeinsame Spielzeiten und ein Super-Bowl-Erfolg im Jahr 1994. Überhaupt endete Rices ganz große Zeit erst mit einer verletzungsgeplagten Saison 1997. Er wirkte nur in zwei Partien mit, wodurch seine Serie von elf Saisons mit mindestens 1000 Yards ein jähes Ende fand. Danach erreichte er selbige Marke aber immerhin noch drei Mal.

Spielverderber Terrell Owens

Das endgültige Ende der Ära Rice in San Francisco aber wurde mit der Ankunft und sukzessiven Entwicklung von Terrell Owens in Rot und Gold eingeläutet. 1998 entschloss sich General Manager Bill Walsh dazu, den verdienten Star abzugeben. Die Entscheidung stieß nicht auf Gegenliebe, aber Rice akzeptierte sie.

Im letzten Heimspiel gegen die Chicago Bears sollte Rice noch einmal der Star sein, einen gebührenden Abschied bekommen. Doch das wussten auch die Bears, die sich folglich fast exklusiv auf ihn konzentrierten. Das Ergebnis: QB Jeff Garcia suchte den offenen Mann und das war eben Owens.

Owens stellte schließlich mit 22 einen neuen Reception-Rekord auf und stiel buchstäblich die Show. Rice war entsprechend sauer und wollte nur noch von dannen ziehen - obwohl eine große Verabschiedung nach dem Spiel geplant war. Doch dann bekam er doch noch seinen Moment, fing seinen letzten Pass als Niner und wurde mit großem Applaus verabschiedet.

Die letzten Jahre

Das Ende war es aber noch nicht für Rices NFL-Karriere. Er blieb sogar der Bay Area erhalten und schloss sich den Oakland Raiders an. Mit ihnen erreichte er sogar noch einen Super Bowl nach der Saison 2002. Den verloren sie gegen Tampa Bay deutlich, doch Rice erzielte sogar noch einen Touchdown und ist damit der einzige Spieler, der Touchdown-Pässe in vier Super Bowls gefangen hat.

Es folgte noch ein Jahr in Oakland und schließlich die Saison 2004 in Seattle. Danach versuchte er es noch bei den Denver Broncos, doch dort hätte er nur eine Nebenrolle inne gehabt, weshalb er schweren Herzens mit 43 Jahren seine Karriere beendete.

"He just can't quit"

Selbst nach seiner Karriere gilt für Rice weiterhin dies: "Er kann einfach nicht aufhören", sagte einer seiner Weggefährten. Und so trat er an bei "Dancing with the Stars", belegte den zweiten Platz. Außerdem spielt er Golf und versucht dabei von Tag zu Tag besser zu werden. Er ist überdies als Motivationstrainer im ganzen Land unterwegs.

Sein Erbe im Football wiederum bleibt beeindruckend: 2010 wurde er selbstredend beim ersten Anlauf in die Pro Football Hall of Fame in Canton/Ohio gewählt und die Niners haben seine Nummer 80 aus dem Verkehr gezogen. Er hält über 100 Rekorde in der NFL, darunter die Karrierezahlen in den Bereichen Receptions (1549), Receiving Yards (22.895) und Total Touchdowns (208). Darüber hinaus hat er ganz am Ende auch noch Walter Payton bei den All-Purpose Yards überholt.

Rice absolvierte 303 Spiele, die meisten jemals für einen Receiver. Er war 13 Mal im Pro Bowl, zwölf Mal All-Pro und wurde von NFL Films in der Reihe "Top 100: NFL's Greatest Player" zur Nummer eins gewählt. Zudem ist er Teil der All-Decade Teams der 80er und 90er Jahre. Und das sind nur die wichtigsten Highlights.

Super Bowl XIXX

Rein aus dramaturgischen Gesichtspunkten erfuhr Jerry Rices Bilderbuch-Karriere ihren runden Abschluss aber eigentlich schon im Jahr 1995 durch Super Bowl XXIX gegen die San Diego Chargers, das Team, das ihn zehn Jahre zuvor nicht wollte!

Überhaupt ist dieses Spiel die Essenz der Persönlichkeit und des Spielers Jerry Rice. Der Receiver hatte in diesem Spiel einen Michael-Jordan-Moment, bevor ihn der Basketball-Gott selber hatte! Rice spielte weite Teile des Spiels mit einer kaputten Schulter nach einem heftigen Sturz zu Beginn. Doch das störte ihn wenig: Er fing zehn Pässe für 149 Yards und drei Touchdowns beim vernichtenden Kantersieg in Miami, wo Rice bereits seinen ersten Ring gewann. Der Kreis schloss sich also.

Wie sehr er den Triumph genoss? Drei Tage später lief er schon wieder Routes auf dem Trainingsplatz.

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