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"Die Patriots sind unser Kryptonit"

Björn Werner (Mitte) besuchte die SPOX-Redaktion
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SPOX: Als Nächstes steht in der NFL Ende April/Anfang Mai der Draft auf dem Programm. Den Combine haben die Prospects schon hinter sich, wie hart sind diese Tage aus Ihrer Erfahrung?

Werner: Der Combine ist Wahnsinn. Es gibt nichts Stressigeres. Von morgens 5 Uhr bis abends 22 Uhr musst du irgendwelche Sachen machen. Die Fans sehen immer nur die Drills auf dem Feld, aber es gehört ja noch viel mehr dazu. Du bist nur in Meetings oder im Krankenhaus. Sobald du irgendwo mal eine Verletzung hattest, wird alles ganz genau untersucht, das kann ganz schön dauern. Du kommst nicht mal zum Essen und bist nur noch erschöpft am Ende. Es ist sehr aufregend und ich war glücklich über die Einladung, aber ich war auch sehr froh, als es vorbei war. Es geht wirklich an die Psyche. Vor dem Combine dieses Jahr habe ich mit Mark Nzeocha aus Wyoming gesprochen, der als nächster Deutscher den Sprung schaffen will. Ich habe ihm gesagt: Bleib ganz ruhig und relaxt, mach einfach dein Ding. Du musst nur einem von 32 Teams beweisen, warum du der richtige Typ bist. Du kannst nicht alle glücklich machen.

SPOX: Was auch dazugehört, sind die Interviews, indem quasi ein Charaktertest gemacht wird. Wie haben Sie das erlebt?

Werner: Du kommst in so ein altes Hotel und bist für 15 Minuten in einem Zimmer, in dem dann eine Menge Leute sitzen. Der General Manager, der Head Coach, der Positionscoach, der Defensive Coordinator, da sitzen jede Menge Typen und jeder bombardiert dich mit Fragen. Andere kommen mit einem Psychologen an und wollen irgendeinen Test mit dir machen, bei anderen redet nur der Head Coach mit dir ein bisschen über das Leben, das ist ganz unterschiedlich. Ich wurde oft nach meiner Geschichte gefragt, wie ich es aus Deutschland so weit geschafft habe. Dann erzählst du deine Story und schon sind die 15 Minuten wieder vorbei. Es gibt auch Teams, die spielen Good Cop - Bad Cop. Einer macht dich die ganze Zeit an und erzählt, dass er dieses oder jenes über dich gehört hat, um zu sehen, wie du reagierst. Ob du sauer wirst und abhaust oder ganz cool bleibst. Es ist unglaublich, was es für Strategien gibt.

SPOX: Wir haben vorhin schon das AFC Championship Game angerissen. Die Patriots haben Euch fertig gemacht und werden auch in der neuen Saison das Team sein, das es zu schlagen gilt. Was hat Euch New England voraus?

Werner: Das ist eine gute Frage. Wir müssen es auf jeden Fall herausfinden. Was man sagen muss: Die Patriots haben extrem viel Erfahrung. Sie haben viele erfahrene Spieler und um Bill Belichick einen Coaching-Staff, der weiß, was er macht. Sie haben ja nicht umsonst 4 Super-Bowl-Ringe in der Belichick-Ära. Die Patriots sind unser Erzrivale, der zuletzt immer das bessere Ende für sich hatte. Sie sind unser Kryptonit. Wir werden sie wieder in der Regular Season treffen, sie werden wieder in den Playoffs auf uns zukommen, das ist leider so. Wir müssen also einen Weg finden, sie zu schlagen. Wir haben auf jeden Fall mit Andrew Luck den Quarterback, um es zu schaffen. Dazu haben wir uns mit Jungs wie Frank Gore und Andre Johnson super verstärkt. Gore kommt in sein elftes Jahr, da sind Running Backs ja oft schon etwas abgenutzt, aber er hat noch ein paar gute Jährchen vor sich, für Johnson gilt das gleiche.

SPOX: Deflate-Gate hat die Zeit vor dem Super Bowl dominiert. Glauben Sie, dass die Patriots noch darunter leiden werden?

Werner: Es ist schwer zu sagen. Mit Spy-Gate gab es ja schon mal einen Fall, in den die Patriots involviert waren. Interessanter Weise redet jetzt niemand mehr über Deflate-Gate, alle warten, was passiert. Vor jedem Super Bowl braucht es Gesprächsstoff, in diesem Jahr war es eben diese Geschichte. Für uns bei den Colts war es kein Thema. Wir haben so hoch verloren, uns war es eher peinlich, als dass wir überlegt hätten, dass es der Grund gewesen sein könnte. Jetzt mal ehrlich: Dass da in einem kleinen Football ein bisschen weniger Luft drin war, hat keinen Unterschied gemacht.

SPOX: Was im Super Bowl den Unterschied gemacht hat, war die Entscheidung, Marshawn Lynch am Schluss den Ball nicht zu geben. Haben Sie schon jemanden getroffen, der die Entscheidung verstanden hat? Ich nicht...

Werner: Nein, keiner weiß es. Bei uns haben zwar schon ein paar Coaches gesagt, dass es die logische Entscheidung war, weil die Patriots ja wussten, was kommen muss und mit so vielen Leuten in der Box standen. Aber ganz ehrlich: Selbst wenn die das ganze Team da hinstellen, würde ich immer noch Marshawn Lynch den Ball geben und ihm an der 1-Yard-Linie vertrauen. Rein nach dem Lehrbuch haben die Seahawks vielleicht sogar das Richtige gemacht, aber sie wurden knallhart dafür bestraft. Das zeigt aber auch, was Football für ein Strategie-Spiel ist.

SPOX: Lynch ist ja nicht nur ein Superstar-Running-Back, er ist auch der witzigste Spieler der NFL, wenn man nicht gerade Journalist ist... Ich sage nur: I'm just here so I won't get fined.

Werner: (lacht) Bei Euch ist er nicht so beliebt. Ich liebe den Typen, ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich finde ihn Weltklasse. Wenn jemand nicht reden will, dann kannst du ihn auch nicht dazu zwingen. Die NFL versucht es zwar und drückt ihn da rein, aber es funktioniert nicht. Du wirst kein gutes Interview machen können, wenn jemand nicht will. Seine Teamkollegen erzählen, dass er auch sonst keiner ist, mit dem man über Gott und die Welt spricht. Aber eines ist klar: Er ist einer der besten Running Backs, die es wahrscheinlich jemals gegeben hat. Es ist so hart, ihn von den Beinen zu holen.

Seite 1: Werner über die zweite Saison und das Championship Game

Seite 2: Werner über den Draft und Angstgegner New England

Seite 3: Werner über Medien und die SPOX-Kolumne

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