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"Yo soy fiesta" - Gronk is back

Von David Schmitt
Rob Gronkowski durfte in diesem Jahr vier Touchdowns mit seinem typischen Spike bejubeln
© getty

Rob Gronkowski steht nach seinem Kreuzbandriss wieder für die New England Patriots auf dem Feld und nähert sich langsam wieder der alten Form an. Die Rekordjagd der vergangenen Jahre soll nun fortgesetzt werden. "Gronk" ist jedoch nicht nur auf dem Feld ein Mann fürs Rampenlicht.

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Einen Superstar-Wide Receiver durch einen Rookie-Tight End im Draft ersetzen? 2010 verwunderten die Patriots mit dieser Entscheidung viele Experten. Doch die blamable Niederlage gegen die Ravens in den vorigen Playoffs hatte Bill Belichick die Augen geöffnet. Sein Team wurde von der robusten Defense aus Baltimore sprichwörtlich zerlegt, Star-Receiver Randy Moss war größtenteils abgemeldet.

Im Draft sollten daher Talente gewählt werden, die drei entscheidende Attribute mit sich bringen: Physis, Größe und Härte. Die Playoff-Niederlage hatte Mastermind Belichick gezeigt, dass sich Veränderungen in der Liga anbahnten und diese so schnell wie möglich positiv genutzt werden mussten.

Das Spiel wurde immer pass-lastiger und durch Regeländerungen wurden gerade die Defensivreihen in der Mitte des Feldes stark in ihren Aktionen limitiert. Man verstärkte die Offense im Draft also mit Tight End Rob Gronkowski, der in der zweiten Runde an 42. Stelle gezogen wurde und eine neue Waffe für Tom Quarterback Tom Brady werden sollte. Moss, dessen produktive Zeit abgelaufen war, wurde kurz nach Saisonstart getradet, der Taktikwechsel war vollzogen.

Das wandelnde Mismatch

"Keine Ahnung, was Baltimore vorhatte. Es ist unfassbar, dass die Pats sich hochgetradet haben. Das zeigt mir, dass sie mich unbedingt wollten", freute sich Rob Gronkowski nach dem Draft. New England tradete sich in der zweiten Runde vor die Ravens, denen ebenfalls großes Interesse an Gronk nachgesagt worden war.

Dass der 1,98 Meter große und 120 Kilogramm schwere Hühne überhaupt soweit fiel, dürfte seiner Rückenverletzung im letzten College-Jahr geschuldet gewesen sein. Er verpasste die College-Saison 2009 für die Arizona Wildcats komplett, nachdem er in den beiden Spielzeiten davor in Sachen Touchdowns (16), Receptions (75) und Yards (1197) die Tight End-Rekorde der Universität gebrochen hatte.

Die besonderen Fähigkeiten ihres Rookies wurden den Coaches in New England schnell ersichtlich. Einerseits als Blocker gegen den Pass-Rush durchaus zu gebrauchen, anderseits als Receiver einem gewöhnlichen Tight End in Sachen Schnelligkeit, Agilität und Route-Running weit voraus. "Er sieht nicht wirklich schnell aus, aber durch seine riesigen Schritte ist es fast unmöglich, ihn zu Boden zu bekommen", analysierte Pro Bowl-Safety Brian Dawkins Gronks Qualität.

Für Linebacker ist er deshalb kaum zu halten, die körperlich unterlegenen Safeties und Cornerbacks übertrifft er mit seiner Größe. Er stellt also für die Verteidigung das wandelnde Mismatch dar, das zudem noch riesige Hände hat: "Die sind doppelt so groß wie meine und sehen wie Ofenhandschuhe aus", scherzte Gronks ehemaliger Teamkollege BenJarvus Green-Ellis über dessen Pranken.

Gronks Rekordjagd

Durch die Umstellung der Pats auf ein Two-Tight-End-System, in dem die Tight Ends als Receiver agierten, konnte er in seiner Rookie-Season direkt über 500 Receiving-Yards verbuchen und zehn Touchdowns verbuchen.

Schon nach dem ersten professionellen TD lernte die Welt seinen heute legendären Gronk-Spike kennen: Linkes Bein anheben, auf dem Rechten einbeinig tippeln, Windmill-Ausholbewegung und das Leder-Ei mit Urgewalt auf den Rasen hämmern. "Ich wollte schon immer spiken, aber ich durfte es am College und in der High-School nie machen. Darum musste ich es heute einfach tun", klärte Gronkowski die Reporter nach seinem ersten TD-Score in der NFL auf.

Der Jubel wurde sein Markenzeichen. Im Sophomore-Jahr konnte er insgesamt 17 gefangene Touchdown-Pässe und dazu noch einen Rushing-TD auf diese Weise bejubeln. Zusätzlich zu diesem Bestwert setzte er mit 1327 Yards eine weitere Rekordmarke für Tight Ends.

Der Ausnahme-Athlet, der in der Kleinstadt Williamsville in der Nähe von Buffalo aufwuchs, stellte außerdem mit herausragenden Playoffs sicher, dass die Pats den Super Bowl XLVI erreichten. Den Sieg über die Ravens im AFC Championship Game bezahlten Gronk und sein Team allerdings teuer.

Die Leidenszeit beginnt

Durch eine Knöchelverstauchung ging er angeschlagen in den Super Bowl gegen die New York Giants, welcher vielleicht auch aufgrund seiner Verletzung zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren gegen Eli Manning verloren wurde.

Nach der Rekordsaison brach für Gronkowski die erste Leidenszeit in seiner NFL-Karriere an. Vor der Spielzeit 2012/13 unterzeichnete er noch eine Vertragsverlängerung über sechs Jahre mit einem Gehalt von 54 Millionen Dollar, in Week 11 der Saison brach er sich jedoch den linken Unterarm und fiel bis zu den Playoffs aus.

Bei seinem verfrühten Comeback in der Postseason brach er sich den Arm erneut und musste sich der nächsten Operation unterziehen. Doch dies sollte nicht der letzte Eingriff gewesen sein, da er sich zu allem Überfluss eine Infektion zuzog. Außerdem zwickte der Rücken, sodass Gronk erst in Week 8 der Saison 2013/14 auf das Feld zurückkehren konnte. Schon kurze Zeit später kam der nächste Schock: Gronk riss sich nach einem unsauberen Hit von T.J. Ward das Kreuzband. Die nächste Pause.

Wenngleich er sportlich zu mehr Pausen gezwungen war als gewünscht: Langweilig wurde es Gronkowski selten. Dafür hatte er abseits des Feldes einfach zu viel Spaß.

Party, Party, Party

Egal ob auf einer Party nach dem verlorenen Super Bowl 2012, bei der er sich sein Shirt wild tanzend vom Körper riss oder beim Feiern mit Johnny Football an einem Pool mit Dutzenden Bikini-Schönheiten: Gronk polarisiert.

Schon als Achtklässler fiel er auf. Zusammen mit den Brüdern stemmte er schon zu diesem Zeitpunkt Gewichte mit nur einem Motivationsgedanken: "Tu es, dann bekommst du die Chicks." Ein Erfolgsrezept, welches nicht nur auf dem Gridiron seine Wirkung zeigte, wenn man sich bei "Twitter" oder "TMZ" umschaut.

In der "Sports Illustrated" erfuhr man, dass er nur wenige Minuten vom Gillette Stadium entfernt lebt, in einer kleinen Zwei-Raum-Wohnung. Inhalt: Ein kleiner Kühlschrank gefüllt mit Eiern und Energy Drinks, und ein paar Möbel. Sein Lebenstraum sollte mit seinem immensen Gehalt realisierbar sein: Er will unbedingt einen Limousinen-Bus besitzen.

"Die müssen flachgelegt werden"

Gronks verrückte Seite kommt hin und wieder in Interviews durch. Auf die Frage eines Reporters, welche Superkraft er am liebsten hätte, antwortete Gronk: "Ich will durch die Zeit reisen können mit einer Zeitmaschine, dann könnte ich jetzt in Florida sein. Und dann: Boom, bin ich in Florida."

Durch solche lockeren Interviews und seine legere Lebensweise sticht der 25-Jährige aus der Masse heraus. Er sagt einfach das, was gerade in seinen Kopf vor sich geht. Nach dem 37:22-Sieg gegen die Bills in Week 6 gab er nach längerer Zeit mal wieder ein Interview mit Kult-Potenzial.

Ein Moderator kürte Gronk aus Spaß zum "sexiest man" der Pats, woraufhin dieser laut lachend zurückgab: "Nein, das bin ich nicht. Unsere Linemen sind alle sexy. Sie haben diese unfassbaren Bodies. Die müssen heute Nacht einfach flachgelegt werden."

Einerseits wird diese Verwirrtheit belächelt, andererseits kommt die unbefangene Art bei den Medien und Fans gut an. Die Spitze des ganzen Aufsehens um seine Person hat er durch ein legendäres Interview mit einem spanisch-sprachigen Reporter erreicht, in dem er sagte: "Yo soy fiesta" - "Ich bin Party". Familie Gronkowski hat sich das Urheberrecht für den Ausruf gesichert und verkauft mittlerweile Shirts mit dem Schriftzug.

Musterprofi mit Feierbiest

Der Erfolg der Patriots ist mit der Präsenz des Mannes mit der Rückennummer 87 verbunden. Eine gewisse Diskrepanz in der Lebensweise zwischen Tom Brady, dem absoluten Musterprofi, und dem Feierbiest Gronkowski ist aber nicht zu übersehen.

Nach dem emotionalen Sieg über die Cincinnati Bengals Anfang Oktober lässt sich in einer Aussage Gronkowskis trotzdem eine freundschaftliche Bindung der beiden Aushängeschilder erkennen: "Vor dem Spiel sagte ich zu meinem Bruder [Brady], dass ich seine Nummer 12 auf dem Spielfeld wieder wie den alten Tom Brady aussehen lasse." Er hielt Wort und fügte dann an: "Ich bin einfach dankbar und stolz, mit diesem Kerl spielen zu dürfen."

Brady gab das Lob an den zwölf Jahre jüngeren Kollegen und Freund direkt zurück: "Er musste einfach so viel durchmachen. Wir sprechen immer von mentaler Stärke. Niemand hat mehr davon als Gronk." Man kann ihn auf dem Feld durchaus als Lieblingsziel von Bradys Pässen betrachten. Julian Edelman entwickelte sich über die letzten Jahre zwar zum Top-Receiver mit den meisten Targets, geht es jedoch in die Redzone, sucht Brady mit Vorliebe seinen Co-Star.

"He is back"

Ein weiteres Detail, das bei dem Erfolg bei den Bengals ins Auge fiel: Belichick setzte häufig auf die Two-Tight End-Offense. 48 Snaps wurden mit zwei Tight Ends auf dem Feld gespielt. Das System, das der Coach gegen Cincinnati und in Ansätzen auch gegen die Bills spielen ließ, erinnerte an die Erfolgszeiten vom Duo Hernandez-Gronk.

Das neuerliche Comeback in dieser Saison lässt auf einen Neuanfang der Rekordjagd hoffen. Gronkowski erzielte bei der Auftakt-Niederlage in Miami direkt einen Touchdown und verbuchte bis zu diesem Zeitpunkt der Saison in vier Spielen jeweils einen Score. Nach sieben Wochen steht er schon wieder bei insgesamt 409 Receiving-Yards. Brady ist deswegen sicher: "Oh yeah, he is back."

Natürlich spielt die Unsicherheit immer mit, die Verletzungsanfälligkeit zieht sich wie ein roter Faden durch Gronks Karriere. Dennoch kam der er nach schweren Rückschlägen immer zurück. Die Patriots haben bei ihrer Jagd nach Superbowl Nummer vier der Brady-Ära ohnehin keine andere Wahl, als auf seine Gesundheit zu vertrauen.

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