NFL

Der Glanz vergangener Tage

Von Adrian Franke
Die Dallas Cowboys prägten eine Ära
© getty

Die Cowboys stehen vor einer harten Saison, dennoch rühmt sich Big D mit seinem noch immer vorhandenen Ruf als "America's Team". Eigentümer Jerry Jones verteidigt den Status wo er nur kann, hat aber selbst seinen Anteil am sportlichen Abstieg. Gleichzeitig braucht Dallas die Show, was für einen schwierigen Spagat sorgt. Doch wo es in den USA am meisten zählt, sind die Cowboys seit längerem nicht mehr "America's Team".

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Wenn Jerry Jones dieser Tage gefragt wird, ob seine Cowboys den Titel "America's Team" angesichts ihrer schwachen Leistungen in den vergangenen Jahren noch verdienen, verweist er nur zu gerne auf die Errungenschaften außerhalb des Platzes.

"Die Cowboys waren zwar seit einigen Jahren nicht mehr in den Playoffs, aber wir sind die größte TV-Show, die es gibt. Wir haben bessere Einschaltquoten als jedes andere Team", erzählt Jones dann stolz: "Wenn die Cowboys spielen, verzeichnet die Liga mit ihre besten Quoten. Und woran liegt das? Weil wir für Aufregung und Reize sorgen."

Und tatsächlich beruft er sich damit sogar auf die Wurzeln des berühmten Spitznamens. Dieser tauchte erstmals 1978 im Highlight-Film des Teams auf, in dem Erzähler John Acena die von Bob Ryan geschriebene Einleitung vorliest: "Sie erscheinen so oft im Fernsehen, dass ihre Gesichter den Menschen genauso bekannt sind wie die von Präsidenten und Filmstars. Sie sind die Dallas Cowboys, America's Team."

Love 'em or hate 'em

Keine Frage: Geht man nach beinahe allen Punkten außerhalb des Sportlichen, kann man Acenas Aussage unterschreiben. Vor einigen Wochen wurde Dallas wieder einmal als das Sportteam Amerikas mit den meisten Fans ausgezeichnet, noch vor den Pittsburgh Steelers, den Green Bay Packers und den New York Yankees.

Jährlich durchgeführte Studien bestätigen dieses Bild, darüber hinaus polarisiert Dallas wie kein anderes Team: Man liebt sie oder man hasst sie. In TV-Quoten bedeutet das aber gleichzeitig: Auch Cowboys-Hasser schauen die Spiele, weil sie das Team scheitern oder Quarterback Tony Romo im Schlussviertel wieder einmal patzen sehen wollen.

Big D braucht die Öffentlichkeit, im Gegensatz zu anderen Teams. "Wir wollen unsere Gegner mit Glitzer und Glamour platt machen", hat Jerry Jones jüngst gesagt. Doch auf dem Platz, wo es aus sportlicher Sicht letztlich zählt, verdienen die Cowboys schon lange nicht mehr den Titel "America's Team" - und zehren vielmehr von ihrer ruhmreichen Vergangenheit.

Fortschritt von Anfang an

Grund dafür ist, neben dem großen Einzugsgebiet im Football-verrückten Texas, die grandiose Basis, auf der die Cowboys begründet sind. Zwischen den 1960ern und den 80ern war Dallas den meisten Teams in Dingen wie Scouting oder Training weit voraus und gab viel Geld aus, um Talente frühzeitig zu entdecken und seine Position zu zementieren.

"Wir machten Tryouts und Camps, was damals nicht üblich war. Wir holten mehr Free Agents als sechs andere Teams zusammen, und wir waren im Scouting in den kleineren Schulen sehr aktiv", erinnerte sich der mittlerweile verstorbene Tex Schramm, Cowboys-Geschäftsführer von 1960 bis 1989, Anfang des neuen Jahrtausends: "Kein anderes Team hat da viel Arbeit rein gesteckt, aber für uns hat es sich immer und immer wieder gelohnt."

"Die Leute folgen den Sieger-Teams"

Das Resultat waren überaus erfolgreiche Drafts sowie zwanzig aufeinanderfolgende Spielzeiten mit mehr Siegen als Niederlagen zwischen 1966 und 1985. Dallas war zu dieser Zeit fast immer ein Titelkandidat und zudem in den 70ern das einzige NFC-Team, das dauerhaft mit der AFC mithalten konnte.

Dadurch spielte Dallas fast jedes Wochenende im CBS-National-Game, wodurch die Popularität weiter stieg. Bis heute hat kein Team mehr Siege beim Monday Night Football auf der großen nationalen Bühne als die Cowboys (41), mehr Post-Season-Spiele (56), Teilnahmen am NFC-Championship-Game (14) oder am Super Bowl (8).

Kurzum: Die Cowboys waren über Jahrzehnte eine der sportlich führenden Franchises und ein Siegerteam, das aufgrund seiner Erfolge mehr und mehr Fans bekam - nicht wegen des Glamours drum herum. Auch der große Cowboys-Running-Back Emmitt Smith erinnert sich: "Die Cowboys waren wie Michael Jordan und die Chicago Bulls: Sie gewannen immer. Und die Leute folgen den Sieger-Teams. Das gibt ihnen einen positiven Einfluss auf ihr eigenes Leben. Etwas, auf das sie stolz sind."

"Die Cowboys sind Amerika"

Als Smith 1990 im Draft unerwartet bis an Position 17 fiel und von den überglücklichen Cowboys geschnappt wurde, war das Team gerade seit einem Jahr im Besitz von Jerry Jones, und nach wie vor auch sportlich eines der absoluten Topteams der Liga: Es folgten Titel 1992, 1993 und 1995.

Für 151 Millionen Dollar hatte Jones die Cowboys 1989 gekauft, es war zu diesem Zeitpunkt der höchste jemals für ein amerikanisches Sportteam bezahlte Preis - und dennoch konnte er sein Glück kaum fassen. "Das ist wie Weihnachten für mich", erklärte Jones damals bei seiner Vorstellung: "Die Cowboys sind Amerika. Sie sind mehr, als nur ein Football-Team."

Am Morgen nachdem er sich mit Noch-Eigentümer Bum Bright auf die Verkaufssumme geeinigt hatte, rief ihn Bright an und berichtete, dass ein anderer Bieter zehn Millionen Dollar mehr auf den Tisch legen würde. Doch Jones lehnte den direkten Weiterverkauf mit Gewinn ab. "Ich glaube, Jerry hätte sie auch mit 100 Millionen Gewinn nicht weiterverkauft", berichtete Jones' alter Freund und Jagdkumpane Sheffield Nelson.

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