NFL

Kaepernick? Vorteil Flacco!

Von Florian Regelmann
Die San Francisco 49ers treffen im Super Bowl auf die Baltimore Ravens
© Getty
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Defensive Line

Ray McDonald/Isaac Sopoaga/Justin Smith vs. Pernell McPhee/Ma'ake Kemoeatu/Haloti Ngata

Der entscheidende Name heißt: Justin Smith. Der Defensive Tackle der 49ers ist ein Superstar, er ist vielleicht der wichtigste Spieler in San Franciscos Kader. Aber: Er hat sich in dieser Saison die Trizepssehne teilweise abgerissen und musste einige Zeit pausieren. Smith wird sich durch den Super Bowl kämpfen und wenige Tage danach operieren lassen müssen. Gegen den Lauf machte er zuletzt einen guten Job, aber aufgrund seiner Trizepsverletzung war er nicht der Faktor als Pass Rusher, wie man es gewohnt ist. Die zwei Wochen Pause vor dem Super Bowl werden ihm sehr gutgetan haben.

Das Gleiche kann man auch für den Star der D-Line der Ravens sagen. Haloti Ngata gehört wie Smith zur Creme-de-la-Creme auf dieser Position. Auch er schlägt sich in dieser Saison mit Verletzungen (Schulter, Knie) herum, scheint aber genau rechtzeitig in der besten Verfassung seit langem. Insgesamt ist die D-Line der 49ers mit den unterschätzten Ray McDonald und Isaac Sopoaga einen Tick stärker.

Vorteil: 49ers.

Linebacker

Ahmad Brooks/NaVorro Bowman/Patrick Willis/Aldon Smith vs. Terrell Suggs/Ray Lewis/Dannell Ellerbe/Paul Kruger

Was soll man groß zur 49ers-Linebacker-Unit sagen? Es gibt nichts Besseres. NaVorro Bowman und Patrick Willis sind das beste Duo an Inside-Linebackern in der NFL. Bezeichnend: Willis ist seit Jahren eines der Gesichter der 49ers, einer der großen Linebacker-Stars der Liga.

Aber im NFC Championship Game war es jetzt Bowman, der ein Sensations-Spiel hinlegte. Dazu kommt mit Aldon Smith ein junger Pass Rusher vor dem Herrn (33,5 Sacks in seinen ersten beiden NFL-Jahren, 19,5 diese Saison). Sein Matchup gegen Ravens LT Bryant McKinnie kann den Super Bowl entscheiden. Die 49ers brauchen ein großes Spiel von Aldon Smith.

Obwohl die 49ers-Linebacker so eine Wucht sind, wird man mehr über die Ravens-Linebacker sprechen. Logisch, wegen Ray Lewis. Lewis spielt zum Abschluss seiner legendären Karriere noch mal richtig starke Playoffs, vor allem gegen den Run (25 Tackles in 3 Spielen) hat er es immer noch drauf.

Klar, in der Pass-Verteidigung hat er inzwischen Schwächen. Er erkennt die Plays zwar, hat aber manchmal einfach nicht mehr den Speed, um schnell genug von A nach B zu kommen. Alleine mit seiner Präsenz auf dem Feld, seiner Toughness und Leadership ist er aber nach wie vor so unglaublich wertvoll. Zumal er mit Terrell Suggs und dem aufstrebenden Paul Kruger zwei sehr starke Pass Rusher um sich herum weiß. Suggs hat seit seiner Rückkehr Mitte der Saison (nach Achillessehnenriss) in Ansätzen immer mal wieder angedeutet, wie wichtig ein gesunder T-Sizzle sein kann.

Vorteil: 49ers.

Secondary

Carlos Rogers/Donte Whitner/Dashon Goldson/Tarell Brown vs. Corey Graham/Bernard Pollard/Ed Reed/Cary Williams

Wo ist Ed Reed? Wo ist Ed Reed? Wo ist Ed Reed? Es wird Colin Kaepernicks erste Aufgabe sein, vor jedem Snap zu erkennen, wo sich der legendäre Ravens-Safety herumtreibt. Reed macht mit 34 Jahren sicher nicht mehr ganz so viele Big Plays wie in seiner Blütezeit, aber er ist aufgrund seines Instinkts nach wie vor der beste Safety, wenn es darum geht, in der Mitte des Feldes Plays zu lesen und Bälle abzufangen. Reeds Safety-Parner Bernard Pollard ist in erster Linie für seine hammerharten Hits bekannt. Gewisse Schwächen haben die Ravens auf der Cornerback-Position. Lardarius Webb, ihr einziger Shutdown-Corner hat sich recht früh in der Saison das Kreuzband gerissen und wird schmerzlich vermisst. Corey Graham, der vor der Saison eigentlich nur in den Special Teams zum Einsatz gekommen war, hat aber eine gute Entwicklung gemacht.

Die 49ers-Secondary ist wohl die am meisten unterschätzte Komponente in ihrer herausragenden Defense. Beeindruckendste Qualität ist auch hier die Physis. Das Safety-Duo Dashon Goldson/Donte Whitner muss allerdings ein bisschen aufpassen, nicht zu aggressiv zu werden. Sonst kann sie Flacco auch mal aushebeln, genau so, wie es auch Falcons-QB Matt Ryan in der ersten Halbzeit des NFC Championship Games gelang.

Vorteil: ausgeglichen.

Special Teams

David Akers (Kicker)/Andy Lee (Punter) - Justin Tucker (Kicker)/Sam Koch (Punter)

Was den Punter angeht, müssen sich die 49ers nie Sorgen machen. Andy Lee ist unglaublich konstant und einer der Besten, wenn nicht der Beste seines Fachs. Ravens-Punter Sam Koch gehört aber ebenfalls zu den richtig Guten, insofern ist hier kein klarer Vorteil auszumachen. Dafür auf der Kicker-Position sehr wohl. Die Ravens haben mit Rookie Justin Tucker (32/35 FG inkl. Playoffs) einen Kicker, den sie jederzeit mit einem guten Gefühl aufs Feld schicken können. Das können die 49ers nicht behaupten, denn Veteran David Akers erlebt eine richtig miese Saison und hat schon 14 (!) Mal daneben gekickt (30/44). In einem knappen Spiel könnte er San Francisco den Super Bowl versauen. Noch ein Plus für Baltimore: Jacoby Jones ist eine immens gefährliche Waffe als Return Man. Es sei aber auch erwähnt, dass die Ravens in den Playoffs ihrerseits schon große Probleme in der Kick Coverage hatten.

Vorteil: Ravens.

Coaches

Jim Harbaugh vs. John Harbaugh

Das Interessanteste am Brüder-Matchup: Beide haben in dieser Saison Entscheidungen getroffen, die zunächst zweifelhaft wirkten, aber perfekt aufgegangen sind. Jim Harbaugh verbannte QB Alex Smith nach einer Verletzungspause auf die Bank. Eine Degradierung war aufgrund Smiths überragenden Leistungen zuvor vielleicht noch nie so unverschämt und unverdient wie in diesem Fall, aber Jim Harbaugh sah das größere Potenzial mit Colin Kaepernick und stand zu seiner Entscheidung. Bitter für Smith, aber Stand jetzt goldrichtig für die Franchise.

Sein Bruder John feuerte während der Saison Offensive Coordinator Cam Cameron und ersetzte ihn mit Ex-Colts-Head-Coach Jim Caldwell. Auch das stellte sich als genialer Move heraus. Unter Caldwell hat Baltimore wieder einen größeren Fokus auf das Laufspiel gelegt, vor allem in First-Down-Situationen (61 Prozent). Davon profitiert auch das Passing Game, Flacco bringt zum Beispiel seit dem Switch über 50 Prozent seiner weiten Pässe (mehr als 20 Yards) an den Ball.

Vorteil: ausgeglichen.

SPOX-Prognose

Ray Lewis, der einzig verbliebene Raven aus dem 2000er Super-Bowl-Team, holt in seinem letzten Spiel noch mal die Championship, rein von der Story her könnte das durch nichts getoppt werden. Die 49ers auf der anderen Seite haben bekanntlich noch nie einen Super Bowl verloren (5-0). SPOX sagt, dass sich das diesmal ändert. Als San Francisco in der letzten Saison in Baltimore 6:16 verlor, war es eines von nur drei Spielen in den letzten zwei Jahren, bei dem die 49ers-Defense keinen Sack zustande brachte. Die Smith-Boys Justin und Aldon müssen dominant auftreten, wenn San Francisco den Super Bowl gewinnen will, das sind sie aber seit geraumer Zeit schon nicht mehr so richtig. Wenn es die Ravens schaffen, früh im Spiel das Laufspiel zu etablieren und damit der Weg bereitet wird für Play-Action-Pässe von Flacco, haben sie eine große Chance. Es wird eine ganze enge Kiste, die womöglich von den Kickern entschieden wird. 24:23 Ravens. MVP Flacco.

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