NFL

Das Ende der Tebow-Magic

Von Jan-Hendrik Böhmer
Tim Tebow wird vermutlich auch gegen die Steelers Bekanntschaft mit dem Boden machen
© Getty

Das Wildcard-Weekend in der NFL geht in die zweite Runde: Bei den New York Giants hofft am Sonntag jeder auf die nächste Victor Cruz-Show gegen die Atlanta Falcons. Tim Tebow und seine Denver Broncos brauchen gegen die Pittsburgh Steelers ein göttliches Wunder.

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NFC Wild Card Round

No.4 New York Giants (9-7) - No. 5 Atlanta Falcons (10-6), So. 19 Uhr

Der Weg in die Playoffs: Nur ein Name - Victor Cruz. Vor der Saison noch ein völlig unbekannter Receiver, den beim Draft 2010 niemand haben wollte, ist der 25-Jährige mittlerweile zum drittbesten Receiver der Liga avanciert. Dabei waren seine Ziele vor der Saison noch ganz bescheiden.

"Ein realistisches Ziel war es, nach meinen Auftritten in der Preseason auch mal in einem richtigen Spiel einen Pass zu fangen. In einem Spiel, in dem es zählt", erklärte Cruz kürzlich. "Weil sich ein paar Kollegen verletzt haben, ist es dann doch ein bisschen mehr geworden. Ein unglaublicher Ritt. Eine Achterbahnfahrt." Schön gesagt. Denn genau die war es auch für die Giants.

Nach vier Niederlagen in Folge sah es Anfang Dezember danach aus, als würde New York die Playoffs verpassen. Doch das Team von Coach Tom Coughlin rappelte sich gerade rechtzeitig auf und sicherte sich mit einem Sieg im Alles-oder-Nichts-Spiel gegen die Dallas Cowboys am letzten Spieltag noch den Einzug in die Postseason.

Die Falcons standen in der NFC South hingegen klar im Schatten der Saints und qualifizierten sich völlig unspektakulär für die Playoffs. Richtig überzeugen konnten sie dabei allerdings nicht.

Die Situation der Giants: Genau rechtzeitig zu den Playoffs sind Quarterback Eli Manning und sein Team wieder in Topform und könnten es in der Postseason mit ein bisschen Glück ganz weit bringen.

Denn neben Manning (4933 YDS, 29 TD, 16 INT), der besonders in Third-Down-Situationen scheinbar immer einen offenen Receiver findet und Cruz (1536 YDS, 9 TD), der einfach alles fängt, was auch nur annähernd in seine Richtung fliegt, findet sich besonders die Defensive Line der Giants genau zum richtigen Zeitpunkt zusammen.

Jason Pierre-Paul (16,5 Sacks, 86 Tackles) und Osi Umenyiora sind ein Alptraum für jeden Quarterback und auch der Rest der Verteidigung mit Linebacker Mathias Kiwanuka und Michael Boley, Safety Antrel Rolle und Defensive End Justin Tuck ist derzeit eine Bank.

Die Situation der Falcons: Seit vier Jahren gilt Atlanta als eines der besten Teams der NFL, doch genau so lange haben sie jedes Mal in den Playoffs versagt. Dabei hat man eigentlich alles, was man für einen langen Postseason-Run braucht.

Mit Matt Ryan (4177 YDS, 29 TD, 12 INT) einen starken und zuverlässigen Quarterback, mit Michael Turner (1340 YDS, 11 TD) einen der besten Running Backs der Liga und mit Roddy White (1296 YDS, 8 TD), Julio Jones (959 YDS, 8 TD) und Tight End Tony Gonzales (875 YDS, 7 TD) gleich drei erstklassige Pass-Empfänger.

Trotzdem stand man die gesamte Saison im Schatten der Saints und muss sich laut einiger Experten in Zukunft auch vor den Carolina Panthers in Acht nehmen. Größte Schwäche ist dabei die Pass-Verteidigung (nur Rang 20 im NFL-Vergleich).

Darauf kommt es an: Beide Teams lieben das Passspiel - und haben auf der anderen Seite Probleme in der Secondary. Für Atlanta heißt das: Irgendwer muss Giants-Receiver Cruz aus dem Spiel nehmen.

Dafür müssen sich die Cornerbacks Brent Grimes und Dunta Robinson sowie die Safetys William Moore, Thomas DeCoud und James Sanders im Vergleich zur Regular Season allerdings deutlich steigern.

Auf der anderen Seite hat aber auch die Giants-Secondary in der zweiten Saisonhälfte alles andere als überzeugt. Bei den vielen Anspielstationen, über die Atlanta verfügt, ist das ein Problem.

Die Lösung: Ryan erst gar nicht zum Passen kommen lassen. Die Offensive Line der Falcons hatte besonders zu Saisonbeginn Probleme, ihren Quarterback zu beschützen. Vorteil: Giants.

AFC Wild Card Round

No. 4 Denver Broncos (8-8) - No. 5 Pittsburgh Steelers (12-4), So. 22.30 Uhr

Der Weg in die Playoffs: Nach der 3:7-Niederlage gegen die Kansas City Chiefs saßen die Spieler der Denver Broncos in den Katakomben des Sports Authority Field at Mile High und starrten gebannt auf einen Fernseher. Sie starrten nach Oakland. Nur ein Sieg der dort gegen die Raiders antretenden San Diego Chargers würde sie nach drei Niederlagen zum Saisonende noch in die Playoffs bringen.

Und genau so kam es. Ein passendes Ende für die wilde Regular Season in Denver. In Kürze: Vier Niederlagen aus den ersten fünf Spielen, daraufhin wurde Starting-Quarterback Kyle Orton durch Tim Tebow ersetzt, zwischenzeitlich sechs Spiele hintereinander mit teilweise unglaublichen Last-Minute-Comebacks gewonnen und am Ende irgendwie in die Playoffs gerutscht. Der Ausdruck Achterbahnfahrt wäre eine Untertreibung.

Und die Steelers: Auch in Pittsburgh wird man froh sein, einen Schlussstrich unter diese Regular Season ziehen zu können. An sich sieht die Bilanz von 12-4 ja nicht schlecht aus, doch zufrieden ist man bei den Steelers damit nicht.

Besonders die zwei Niederlagen gegen den Erzfeind aus Baltimore tun weh und generell sah vieles in dieser Saison nicht unbedingt nach klassischem Steeler-Football aus. Hinzu kommen unzählige Verletzungen. Das Fazit lautet daher: Hauptsache Playoffs.

Die Situation der Broncos: The End of Tebow Magic. Tim Tebow befindet sich im Rückwärtsgang. Nach zuvor sieben Siegen in acht Spielen als Starting-Quarterback gab er in den letzten drei Partien (alles Niederlagen) eine fürchterliche Figur ab: Ein Touchdown, vier Interceptions - und im Saison-Finale gegen Kansas City kamen nur 27 Prozent seiner Pässe an.

"Mit einer solchen Team-Leistung packen wir es in den Playoffs bestimmt nicht", sagte ein sichtlich angefressener Cornerback Champ Bailey.

Der Routinier scheut sich nicht, die ernüchternde Wahrheit auszusprechen: "Wenn man uns so anschaut, kann man nicht gerade viele Stärken erkennen. Ganz im Gegenteil: Wir sind ziemlich durchschnittlich."

Die Situation der Steelers: Viele Teams haben Verletzungssorgen. Doch so hart wie Pittsburgh hat es wohl kaum ein anderes Team getroffen.

Quarterback Ben Roethlisberger hat sich noch immer nicht von seiner Knöchelverletzung erholt - schlimmer noch: Er erlitt beim Spiel gegen Cleveland sogar noch einen Rückschlag. Er kann den Fuß nicht voll belasten und daher seine Würfe nicht wie gewohnt durchziehen.

Das Resultat: Nur ein Touchdown, vier Interceptions und nicht einmal 60 Prozent angekommener Pässe. Ganz bitter ist auch der Verlust von Running Back Rashard Mendenhall, der sich im Regular-Season-Finale schwer verletzte und für die Playoffs ausfällt.

Ebenfalls angeschlagen: Safety Troy Polamalu, die Wide Receiver Mike Wallace und Emmanuel Sanders, Linebacker LaMarr Woodley und andere. Außerdem wird auch Ryan Clark in Denver nicht spielen. Der Safety leidet an einer Erkrankung der roten Blutkörperchen, die ein Auflaufen in großen Höhenlagen unmöglich macht.

Nach seinem letzten Spiel bei den Broncos war er zusammengebrochen und hatte sich Milz und Gallenblase entfernen lassen müssen. Zwar ist auch sein Ersatz, Ryan Mundy, stark - dennoch tut es der Secondary weh.

Darauf kommt es an: Durchwachsene Regular Season? Völlig egal. Denn die Kombination Steelers und Playoffs, das ist ein ganz anderes Paar Schuhe. Sieben Mal ging es für die Steelers in den letzten zehn Jahren in die Postseason - und nur einmal war bereits im ersten Spiel Schluss (2007 gegen die Jaguars).

Allerdings muss Pittsburgh dazu in diesem Jahr erstmal die Offense neu beleben. Der Schlüssel zum Sieg: Um den angeschlagenen Big Ben zu entlasten, müssen die Steelers dringend einen Weg finden, das nach dem Ausfall von Mendenhall stark dezimierte Running Game in Schwung zu bringen.

Viel Last wird hierbei auf Isaac Redman (479 YDS, 3 TD) und Rookie John Clay (41 YDS, 1 TD) liegen. Für die Broncos sieht es allerdings noch düsterer aus. Sie müssen einen Weg finden, die in den letzten beiden Spielen wieder knallharte Steelers-Defense (keinen Touchdown zugelassen) zu überwinden.

Das scheint angesichts der jüngsten Ergebnisse unmöglich. Wer gegen Kansas Ciry keinen Touchdown zustande bringt, wird an Pittsburgh verzweifeln.

Die einzige Hoffnung lautet daher: Hoffen, dass Big Ben einen schlechten Tag erwischt, einen die eigene Defense im Spiel hält und Tebow seine Magie wiederfindet. Vorteil: Steelers.

NFL: Der Spielplan in den Playoffs

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