NBA

Als Nowitzki zum Über-Dirk wurde

Von Haruka Gruber
2006: Nowitzki trifft den entscheidenden Korleger in Spiel 7 gegen die Spurs
© Getty
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Platz 5 - Dallas Mavericks vs. San Antonio Spurs 78:90 (29. Mai 2003): Welch Schmerz, den Dallas durchleiden musste: Mit einem Heimsieg in Spiel 6 der Conference-Finals gegen San Antonio hätten die Mavs die Serie ausgleichen und mit einem weiteren Erfolg erstmals in die NBA-Finals einziehen können. Wäre nur nicht dieser bleiche, bereits 37-jährige Fast-Rentner gewesen, der im Grunde nichts mehr konnte außer werfen.

Die Vorgeschichte: In den 5 Spielen gab es Subplots zuhauf. Die Mavs gewannen Spiel 1, indem sie nach einem Fehlversuch zum Start alle folgenden 49 Freiwürfe (!) hintereinander verwandelten. Die Spiele 2, 3 und 4 gingen an die Spurs, weil Duncan trotz Kniebeschwerden außerirdisch spielte (Dallas-Serie: 24,2 Punkte, 17,0 Rebounds, 5,3 Assists, 5,3 Blocks), während Nowitzki nach der Knieverletzung in Spiel 3 für die restliche Serie ausfiel. Spiel 5 entschied wiederum Dallas mit seinem improvisierten Small Ball (Nash, Nick Van Exel, Finley) für sich.

Und dann kam Spiel 6: Dallas führte Anfang des vierten Vietels bereits mit 13 Punkten (71:58) und stand vor dem 3-3-Ausgleich. Stattdessen hatte das Weißbrot namens Steve Kerr seinen letzten großen Auftritt. Der ehemalige Sidekick von Michael Jordan bekam in der Schlussphase überraschend viele Minuten, gab zwei wichtige Assists und versenkte 3 Dreier in 1:58 Minuten (am Ende 12 Punkte). Ein Schock, von dem sich Dallas nicht mehr erholte. 78:90, 2-4, Playoff-Aus.

Kerr, der kurz darauf mit San Antonio den Titel gewann und daraufhin zurücktrat, sagte nach jener Partie: "Warum ich in San Antonio sonst so wenig gespielt habe? Ich bin 37. Ich bin alt. Ich bin kein guter Verteidiger."

Platz 4 - San Antonio Spurs vs. Dallas Mavericks 92:89 (25. April 2010): Der Geist von Steve Kerr - nur dass Dallas' Albtraum diesmal auf den Namen George Hill hörte. In der ersten Playoff-Runde der Saison 2009/10 nutzte Spurs-Coach Gregg Popovich mal wieder einen Kniff, der die Mavs verwundert zurückließ. Statt Tony Parker in der ersten Fünf aufzustellen, blieb der damals recht unbekannte Hill Starter, obwohl er erst kurz vor der Postseason befördert wordem war. Hill dankte es mit einer formidablen Serie und dem Höhepunkt in Spiel 4: Seine 29 Punkte waren maßgeblich für das 92:89 und die 3-1-Führung.

"Es ist tough. Ich werde nicht lügen und etwas anderes sagen. Es ist so frustrierend, dass wir schon wieder einen wichtigen Sieg verschenkt haben", sagte Nowitzki. Was ihn so aufregte: Dallas lag im dritten Viertel bereits mit 14 Punkten vorne und wusste um die Formschwäche von Tim Duncan (4 Punkte) und Tony Parker (10). Dennoch verlor Dallas das Spiel und San Antonio qualifizierte sich mit 4-2 für die zweite Runde.

Dabei waren die Mavs als zweitbestes und die Spurs nur als siebtbestes West-Team in die Playoffs gegangen. Cuban hatte vor der Serie noch gesagt: "Das ist das beste Team in Dallas, seit ich und Dirk hier sind." Dass das Urteil nicht ganz falsch war, beweist die Championship ein Jahr später. Trotzdem bleibt Hill ein Name, den Dallas gerne verschweigen würde.

Platz 3 - Dallas Mavericks vs. San Antonio Spurs 91:86 (15. April 2007): Es gibt keinen NBA-Superstar, der so stoisch seinen Job nachgeht wie Duncan. Nur bei einer Person verliert selbst er die Contenance: Joey Crawford, einer der bekanntesten und zugleich umstrittensten Referees der NBA. Im April 2007 passierte folgendes: Beim Regular-Season-Spiel in Dallas pfiff Crawford Ende des dritten Viertels ein Technisches Foul gegen Duncan. Der lachte wenig später auf der Bank sitzend, was Crawford als Provokation bewertete und gleich mit einem zweiten Technischen Foul ahndete, sprich: Ejection! Erst der zweite Rauswurf in Duncans Karriere. Während sich Duncan auf den Weg in die Kabine machte, jubelten die schadenfrohen Mavs-Fans extra laut.

Die Partie hatte jedoch weitreichende Konsequenzen, nachdem Duncan das Gebaren Crawfords schilderte. "Er schaute mich an und fragte: 'Willst du dich mit mir anlegen? Willst du dich mit mir anlegen?' Ich habe keine Ahnung, warum ein Schiedsrichter inmitten eines Spiels zu mir kommt und mich anschreit: 'Willst du dich mit mir anlegen?' Er hat eine persönliche Vendetta gegen mich geführt", sagte Duncan. Daraufhin wurde Crawford von der NBA für den Rest der Saison gesperrt.

Platz 2 - San Antonio Spurs vs. Dallas Mavericks 98:97 (17. Mai 2006): Schon jetzt zählt die Mavs-Spurs-Serie 2006 zu den Playoff-Klassikern der NBA-Neuzeit: spannend, hochklassig, intensiv, zum Zerbersten emotional. Spiel 1 des Conference-Halbfinals gewinnt San Antonio mit 2 Punkten (87:85), weil unter anderem Jerry Stackhouse den Gamewinner für die Mavs verpasst. Spiel 2 gewinnt Dallas 113:91, weil Coach Avery Johnson mit Devin Harris' Aufstellung in die Starting Five ein Clou einfällt. Spiel 3 gewinnt Dallas mit einem Punkt (104:103), weil Manu Ginobili beim möglichen Gamewinner den Ball verliert. Spiel 4 gewinnt Dallas mit 5 Punkten nach Verlängerung (123:118), weil Jason Terry plötzlich explodiert (32 Punkte). Und dann folgte Spiel 5.

San Antonio stand als Titelverteidiger mit 1-3 vor dem Aus. Terry und Nowitzki bekamen jeweils die Gelegenheit, das Spiel in den letzten Sekunden zu entscheiden. Stattdessen verwarf Terry und Nowitzki wurde von Bruce Bowen geblockt, so dass sich die Spurs zum 98:97 retteten. Wobei die Situation im Anschluss eskalierte: Wie herauskam, schlug Terry im Kampf um den Ball ausgerechnet seinem Ex-Mavs-Mitspieler Finley, mittlerweile bei den Spurs unter Vertrag, in den Genitalbereich. An der Frage, ob Terrys Aktion nachträglich geahndet werden sollte oder nicht, stritten sich beide Teams aufs Heftigste. Am Ende wurde Terry für Spiel 6 gesperrt, welches die Mavs prompt mit 86:91 verloren. Spiel 7 musste entscheiden.

Platz 1 - San Antonio Spurs - Dallas Mavericks 111:119 OT (22. Mai 2006): Die Ausgangslage: Dallas, der Inbegriff eines Nervenbündels, hatte gegen Titelverteidiger San Antonio mit 3-1 geführt und ließ es zu, dass die Spurs auf 3-3 ausglichen. Jene Spurs, gegen die die Mavs noch nie eine Playoff-Serie gewinnen konnten. Niemand, wenn sie ehrlich sind nicht einmal die Mavs-Fans, glaubten an einen Triumph - und das noch in fremder Halle. Viel wahrscheinlich war es, dass Dallas mal wieder in einem wichtigen Spiel versagt. Das sogenannte Mavs-Naturgesetz.

Als ob sich jeder an das klassische Mavs-Spurs-Drehbuch halten würde, wurde es eine knappe Partie, in welchem sich Dallas zwar ein 20-Punkte-Polster erarbeitete, aber San Antonio selbstredend aufholte und 32 Sekunden vor Schluss erstmals überhaupt in Führung ging. Ginobili verwandelte mit 32 Sekunden auf der Spieluhr den Dreier zum 104:101. Wie erwähnt: Niemand, wirklich niemand dachte an ein Comeback der so labilen Mavs. Nur: Irgendetwas war anders an diesem Tag. Oder besser: Irgendwer.

Dirk Werner Nowitzki bekam den Ball, und statt sich wie so oft auf den Jumper zu verlassen, bahnte er sich nicht elegant, dafür mit dem nötigen Willen den schmerzhaften Weg zum Brett, zog gegen Ginobili das Foul, traf dennoch den schwierigen Korbleger und anschließend den Bonus-Freiwurf. Im Gegenzug hatte San Antonio noch einen Angriff - doch Nowitzki blockte den möglichen Gamewinner durch Duncan.

Perplex ob des Widerstandsgeists der Mavs verlor San Antonio in der Verlängerung erst die Souveränität eines Titelverteidigers und kurz darauf das Spiel: 119:111 für Dallas.

Es waren genau diese Momente, als aus Nowitzki der Über-Dirk wurde. Und es waren genau diese Momente, die Nowitzkis Karriere definierten. Auch wenn noch Rückschläge auf ihn warten sollten (Finals-Niederlage 2006, Erstrunden-Aus 2007): Ohne dieses Spiel 7 gegen San Antonio wären Erfolge wie die Meisterschaft 2011 nicht denkbar gewesen.

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