NBA

Da kann Nowitzki echt neidisch werden

Von Florian Regelmann
Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks liegen in den Finals mit 1-2 in Rückstand
© Getty

Dirk Nowitzki vergab den Buzzer-Beater zum Ausgleich, aber die Schuld an der Pleite im 3. Finalspiel tragen in erster Linie seine Mitspieler. Nowitzki bekommt viel zu wenig Unterstützung, Jason Terry verspricht jetzt vor Spiel 4 (Mi., 2.45 Uhr im LIVE-TICKER) Besserung. Bei den Miami Heat geht Dwyane Wade als großer Leader voran und staucht dafür auch mal LeBron James zusammen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Neidisch auf Dwyane Wade? Dirk Nowitzki würde es öffentlich niemals zugeben. Wäre auch äußerst unklug. Aber als der deutsche Superstar nach der Niederlage in Spiel 3 zuhause ankam und sich noch einmal Gedanken über die Finals machte, wäre es nur allzu menschlich und verständlich, wenn Neidgefühle ihn ihm hochgekommen wären.

Nowitzki ist der Typ, der viel eher die Schuld bei sich selbst suchen und mit seinem Fehlpass und verworfenen Buzzer-Beater hadern wird, aber könnte man es ihm verdenken, wenn er etwas neidisch zu Wade herüberschauen würde? Nein, das könnte man nicht.

Wade weiß, wie es ist, wenn man ohne veritablen Sidekick auskommen muss. Seit dieser Saison ist bei ihm aber alles anders. Seit dieser Saison hat Wade LeBron James und Chris Bosh an seiner Seite. Und wen hat Nowitzki? Auf Spiel 3 der Finals bezogen, lautet die Antwort: niemanden.

Nowitzkis Teamkollegen: Danke für nichts!

"Ihre Verteidigung ist ziemlich gut. Sie machen es unseren Schützen schwer. Wenn wir offene Würfe haben, müssen wir die aber einfach treffen. Wir haben nicht genug davon getroffen bislang. Wenn wir weiterhin um die 40 Prozent schießen, wird es schwer sein, Spiele zu gewinnen. Ich weiß, dass ich weiter Plays machen und aggressiv bleiben muss", sagte Nowitzki.

Dass der 32-Jährige auch in den nächsten Spielen überragende Leistungen abliefern wird, ist aber gar nicht die Frage. Die Frage ist eher, wie viele Punkte er denn bitteschön machen muss, damit es für einen zweiten Sieg reicht. Nowitzkis Teamkollegen trafen in Spiel 3 17 von 49 Versuchen aus dem Feld (34,7 Prozent), in der Kabine hätte Dirk überspitzt formuliert zu ihnen sagen können: Danke für nichts!

"Wir haben ihm nicht wirklich geholfen. Ich nehme das zu einem großen Teil auf meine Kappe", sagte Jason Terry: "Es war jetzt schon das zweite Mal in der Serie, dass ich im vierten Viertel keine wichtigen Würfe getroffen habe. Den Schuss am Ende, den treffe ich normalerweise immer."

Jet hätte die Mavs 59 Sekunden vor Schluss mit einem Dreier aus der Ecke in Führung bringen können, stattdessen tauchte er im kompletten letzten Viertel ab. Schon enttäuschend für jemanden, der sich selbst mit einem seiner Spitznamen "Mr. Fourth Quarter" nennt.

Terry bleibt selbstbewusst

An mangelndem Selbstvertrauen leidet Terry aber auch nach dem jüngsten Versagen nicht. "Ich freue mich auf die nächsten Spiele. Jetzt werden wir sehen, wer das Ding wirklich reißen will. Ich weiß, wo sich für mich Chancen ergeben werden. Es wird nur an mir liegen, ob ich sie nutze oder nicht. Ich würde Geld auf mich setzen", versprach der Guard in seiner ureigenen Art Besserung.

Terry musste sich ohne Zweifel als Erster angesprochen fühlen, als Jason Kidd forderte, dass außer Nowitzki auch andere Leute Verantwortung übernehmen müssen. Aber es geht eben nicht nur um Terry. Die restlichen Starter neben Nowitzki brachten in Spiel 3 nur 27 Punkte zustande - völlig inakzeptabel.

Und dann sind da noch Terrys Bank-Kollegen J.J. Barea und Peja Stojakovic. Beim Serben kann man die Sache kurz machen. Er spielt in der Rotation von Coach Rick Carlisle kaum mehr eine Rolle. Stojakovic saß, wie schon in Spiel 2, die komplette zweite Hälfte auf der Bank. Nur weil Dallas im letzten Angriff noch einen Schützen aufs Feld bringen wollte, bekam er noch vier Sekunden Spielzeit.

Dass Stojakovic defensiv das Team enorm schwächt, weiß man sowieso. Und wenn er dann in so einer Wurfkrise (5/25 Dreier seit der Lakers-Serie) steckt wie jetzt, hat er keinerlei Wert für das Team.

Butler wird schmerzlich vermisst

In die gleiche Richtung entwickelt sich die Geschichte bei J.J. Barea. Der kleine Puertoricaner, der im Playoff-Run der Mavs so ein großer Faktor war, ist in den Finals (5/23 FG) noch gar nicht angekommen. Sein bevorzugtes Pick-and-Roll-Spiel wird von der Heat-Defense fast immer zerstört.

Dallas fehlt es an Spielern, die sich selbst ihre Würfe kreieren können. Es kommt ganz automatisch, dass einem genau an dieser Stelle der Name Caron Butler einfällt. Es war klar, dass ihn die Mavs irgendwann noch einmal brutal vermissen werden, jetzt ist es endgültig soweit.

"Unsere Rotation umfasst neun Spieler. Ich habe immer betont, dass wir keine spezifische Hackordnung haben. Wir sind ein Team, das auf Ausgeglichenheit und Balance basiert. Wir sind ein Team, das vielleicht sieben Spieler braucht, die alle mindestens 4 oder 5 Punkte machen. Oder acht Mann, die mindestens 3 Punkte machen. Das wissen wir nie so genau", beschreibt Carlisle die Situation.

Und weiter: "Dirk weiß, dass er eine gewisse Last tragen muss, nicht nur beim Scoring. Wir würden es ihm gerne einfacher machen, aber heute war es schwer. Heute war keiner dieser Abende, an denen das schon geklappt hat. Miami war besser. Wir müssen effizienter sein, einfach insgesamt ein besseres Spiel machen."

Das Problem mit den Rückständen

Insgesamt ein besseres Spiel machen? Das trifft es sicher ganz gut. Die Mavs machten sich das Leben erneut mit leichtsinnigen Ballverlusten schwer, die Präsenz des verletzten Brendan Haywood wurde durchaus vermisst - und dann gibt es da noch das Problem mit den Rückständen.

"Wir dürfen nicht ständig in Rückstand geraten. Es kostet uns jedes Mal eine Menge Energie, wieder heranzukommen. Wir dürfen uns nicht immer so tiefe Löcher buddeln", erklärte Nowitzki. Auch das wird aber nur gelingen, wenn Nowitzki mehr Unterstützung bekommt.

Auch wenn Heat-Coach Erik Spoelstra die These, dass man in kritischen Situationen ja nur noch Nowitzki verteidigen müsse als "absurd" zurückwies und Dallas über den grünen Klee lobte, weiß Miami natürlich, dass die Mavericks nicht in der gleichen komfortablen Situation steckt wie man selbst.

Dallas hat keinen Co-Star namens Chris Bosh, der trotz einer der schlimmsten Wurfkrisen seiner Karriere und trotz einer im Spiel erlittenen Augenverletzung 39 Sekunden vor dem Ende ganz cool den Game-Winner trifft. Und Nowitzki hat wohl auch nicht die Mitspieler, denen er so vertrauen kann, wie es bei Miami der Fall ist.

LeBron nimmt sich zurück

"Mir ist es vollkommen egal, ob Chris vorher 15 Würfe in Folge daneben gesetzt hat. Er war offen und es war sein Sweet-Spot. Da hat sich wieder das Vertrauen gezeigt, das wir ineinander haben, egal zu welchem Zeitpunkt des Spiels", sagte James.

Auch LeBron machte im Vergleich zu Spiel 2 eine Wandlung durch. Hatte man dort noch den Eindruck gehabt, dass er unbedingt den Closer spielen wollte, nahm er sich dieses Mal zurück und wollte nicht mehr als Wades Helferlein sein. Dennoch wurde James natürlich darauf angesprochen, dass er erneut im letzten Viertel offensiv kaum in Erscheinung trat.

"Ich denke, Sie konzentrieren sich nur auf eine Seite des Feldes. Sie schauen nur auf die Stats. Ich bin aber ein Zwei-Wege-Spieler. D-Wade war heiß, also haben wir es ihm erlaubt, den Ball in seinen Händen zu haben. Sie sollten sich das Video noch einmal ansehen und schauen, was ich in der Defensive geleistet habe. Dann stellen Sie mir morgen eine bessere Frage", so ein gereizter James.

Der eindeutige Leader der Heat ist in den Finals in jedem Fall Dwyane Wade. Schon einen Tag vor Spiel 3 setzte er mit seiner Aggressivität im Training ein Zeichen. "Ich versuche voranzugehen. Und meine Jungs sind mir toll gefolgt", sagte Wade.

Wade staucht James zusammen

Auch James musste Wade folgen, als er von diesem in der Kabine und auf dem Court zusammengefaltet wurde. LeBron hatte aber kein Problem damit: "Unsere Freundschaft erlaubt uns das. Er hatte in der Situation alles Recht der Welt, um das zu sagen, was er gesagt hat. Er hat mich herausgefordert, das respektiere ich."

Wades Aggressivität war von Beginn an überall zu sehen. Am Ende des Spiels hatte er acht Field Goals innerhalb einer Zone von eineinhalb Metern bis zum Korb auf seinem Konto, darunter waren zwei Dunks. Die Mavs hatten in dieser Kategorie als Team nur sieben Field Goals vorzuweisen. Für die letzten beiden Spiele steht Wade jetzt bei sieben Dunks. Bemerkenswert.

Es ist Nowitzkis großes Problem, dass er im Moment mit ihm einen Gegner hat, der mindestens auf dem gleichen Niveau agiert. Und dass dieser daneben auch noch Unterstützung findet. Nicht nur bei James und Bosh. Auch und vor allem bei Rollenspielern wie Mario Chalmers und Udonis Haslem. Der eine schießt haufenweise Dreier rein, der andere zwingt Dirk in der letzten Minute erst in einen Turnover und dann in einen schwierigen Wurf.

Wie gesagt: Da kann schnell ein bisschen Neid aufkommen. "Du darfst nicht so einen emotionalen Sieg feiern in Spiel 2 und dann nach Hause fahren und Spiel 3 verlieren", hatte Nowitzki vor Spiel 3 gewarnt. Genau das ist jetzt passiert. Und wenn er nicht ganz schnell eine ganze Menge mehr Hilfe bekommt, dann wird auch Spiel 4 verloren gehen. Und dann wäre die Serie im Grunde vorbei.

NBA: Die Ergebnisse der Playoffs im Überblick

Artikel und Videos zum Thema