NBA

Jason Kidd: Die graue Eminenz der Mavs

Von Philipp Dornhegge
Jason Kidd wurde zehnmal ins All-Star-Team berufen. Zuletzt im Februar 2010
© Getty

Jason Kidd ist die Schlüsselfigur im Mavs-Sommer. Er rekrutiert Free Agents, überredet Dirk Nowitzki, hält das Team zusammen - und will jetzt auch noch ein Supertalent groß rausbringen.

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Für die Dallas Mavericks ist die Vertragsverlängerung von Dirk Nowitzki überlebenswichtig, um auf dem diesjährigen Free-Agent-Markt etwas zu reißen. Nur mit einem Franchise Player kann sich ein NBA-Klub Hoffnungen machen, namhafte Spieler zu sich zu locken.

Während sich alle einig sind, dass Nowitzki enorm wichtig für die Mavs ist, entgeht jedoch vielen, dass es da noch einen weiteren Mann gibt, auf den sich die Erwartungen der Texaner stützen: Jason Kidd.

Jawohl, jetzt ist es raus: Nichts und niemand kann diesen 37-Jährigen, der seine besten Tage eigentlich längst hinter sich hat, ersetzen.

Free-Agent-Magnet Kidd

Wenn einmal seine nachlassende Defense oder seine zunehmend zögerliche Penetration in die gegnerische Zone außen vor gelassen wird, dann ist Kidd noch verdammt stark: Er schießt gut von der Dreierlinie, er spielt Pässe wie kein Zweiter und mit dem Ball in der Hand schaltet er blitzschnell von Verteidigung auf Angriff um.

Gerade in der heutigen Zeit finden nur noch wenige Spieler, und das gilt vor allem für die Superstars, die richtige Balance zwischen Eigeninitiative, sprich Dribbling, und Uneigennützigkeit. Kidd dagegen weiß immer, was er tut.

Während andere Point Guards sich den Ball schnappen und bis zum anderen Ende des Feldes spurten, um dort entweder selbst zu scoren oder einen Traumassist zu spielen - in den USA gibt es schließlich nichts Wichtigeres als Statistiken -, findet der Regisseur der Mavs meist schon im Backcourt den Mitspieler, der dann einen freien Weg zum Korb hat oder ein weiteres Mal ablegen kann. Das macht ihn zum beliebtesten Mitspieler der Liga.

LeBron James ist Kidds größter Fan

Denn Kidd will gewinnen - egal wie. Ihm ist egal, ob er 25 Punkte und 14 Assists einsammelt oder 5 Punkte und 3 Assists. Kidd tut das, was für den Erfolg der Mannschaft am besten ist.

Und das Entscheidende: Er weiß, was für sein Team am besten ist. Das wiederum wissen alle seine Kollegen. Fast scheint es, als würde jeder NBA-Profi mit Kidd zusammenspielen wollen. Nicht zuletzt LeBron James, der dem Cavs-Management 2008 dringend rat, Kidd nach Cleveland zu holen, ehe der von New Jersey nach Dallas getradet wurde.

Und weil Kidd auf dem Feld so altruistisch spielt und weil ihn jeder gerne in seinem Team hätte, spielt er für die Mavs in diesem Sommer eine entscheidende Rolle.

Ein Abendessen mit Nowitzki in NY

Denn nicht Nowitzki, nicht Mark Cuban und schon gar nicht General Manager Donnie Nelson werden Free Agents bewegen, bei den Mavs anzuheuern. Dafür ist Kidd zuständig.

Und der Routinier ist sich seiner Rolle durchaus bewusst: "Ich sehe mich als Vertreter der Mavericks-Organisation. Es ist meine Pflicht, die Franchise nach vorne zu bringen. Wenn das bedeutet, dass ich vertragslose Spieler rekrutieren muss, dann werde ich genau das tun."

Als Nowitzki aus seinem laufenden Vertrag ausstieg und die Mavs nicht hundertprozentig sicher sein konnten, ob der Superstar einen neuen Vertrag bei dem einzigen Klub, für den er je tätig war, unterschreiben würde, war es Kidd, der sich mit Nowitzki in New York zum Essen traf und über die Zukunft des Klubs sprach.

Das Ergebnis, direkt oder indirekt, war, dass der MVP von 2007 einem neuen Vierjahresvertrag zu günstigeren Konditionen für die Mavs zustimmte.

Händeringend gesucht: ein echter Shooting Guard

Nowitzki wiederum ist eines von Kidds Argumenten auf seinen weiteren Reisen: Er wolle mit James sprechen, mit Dwyane Wade, mit Chris Bosh und all den anderen Kandidaten. "Wir haben die Liste mit den Free Agents, auf der in diesem Jahr mehr hochkarätige Leute stehen als je zuvor. Die werde ich definitiv abarbeiten."

Aber wer sind denn eigentlich die Kandidaten, die für die Mavs in Frage kämen? Nun, die größte Baustelle hat Dallas ohne Zweifel auf der Zwei.

Zu dumm, dass mit Joe Johnson der vielleicht passendste Spieler schon in Atlanta zugesagt hat. Als groß gewachsener Shooter wäre er die perfekte Entlastung für Nowitzki und defensiv keine Belastung.

Ray Allen würde ebenfalls gut passen. Einen echten Superstar könnte Dallas aber nur per Sign-and-Trade holen, weil das Team seit Jahren den Salary Cap sprengt. Caron Butler und Erick Dampier wären wohl zu haben. Damit könnte man zum Beispiel Dwyane Wade holen, aber der bleibt voraussichtlich in Miami oder geht nach Chicago.

"Jeder will ihn, nur ein Team kann ihn haben"

Zum ultimativen Hauptgewinn LeBron James sagte Kidd: "Jeder will ihn, aber nur ein Klub kann ihn haben. Das ist auch okay, denn es gibt noch viele andere Spieler, die uns weiterhelfen würden."

Einer davon war schon im letzten Jahr in Dallas aktiv: Brendan Haywood. Der Center - die zweite Position, auf der Dallas Bedarf hat - soll unbedingt weiterverpflichtet werden, und wenn man sieht, wie gut er sich mit Kidd auf dem Feld verstand, fällt es schwer zu glauben, dass er es anderswo besser haben könnte.

Dank Kidd kam Haywood zu vielen einfachen Punkten, im Pick-and-Roll verstanden sich die beiden von Beginn an exzellent. Zuletzt kam aus Miami das Gerücht auf, die Mavs könnten Haywood in einem Sign-and-Trade-Deal zu den Heat schicken und würden dafür Jermaine O'Neal und Michael Beasley bekommen. Doch die Mavs sollen schon abgewunken haben - sie wollen Haywood halten.

Neben Haywood und dem einen oder anderen externen Free Agent hat Kidd eine dritte Baustelle, um die er sich aber mit viel Liebe und zunehmendem Stolz kümmert.

Beaubois soll von Kidd lernen

Diese Baustelle heißt Rodrigue Beaubois und gilt als die Zukunft der Mavericks. Zur Erinnerung: Vor der letzten Saison galt der Franzose mit Wurzeln in Guadeloupe nur als irgendein Rookie, der vielleicht mal eine Rolle in der NBA würde spielen können.

Doch schnell stellte sich heraus, dass Dallas sich da ein echtes Juwel geangelt hatte, das unfassbar schnell, unglaublich athletisch und dazu noch unheimlich lernwillig ist. Highlight einer famosen ersten Saison war ohne Frage sein 40-Punkte-Spiel gegen die Golden State Warriors.

Headcoach Rick Carlisle baute Beaubois bisher behutsam auf und verpasste ihm immer mal wieder einen Denkzettel, wenn er - typisch Neuling - mal wieder Mist gebaut hatte.

Aber zur neuen Saison sollte der Wirbelwind von der Leine gelassen werden und ein ständiger und wesentlicher Teil der Mavs-Rotation sein.

Kidd: Weniger Spielzeit zugunsten von Beaubois

So denken nicht nur die zahlreichen Fans, sondern auch sein Mentor: "Ich bin total einer Meinung mit den Leuten, die sagen, dass Roddy eine wichtige Rolle für unsere Zukunft spielt", so Kidd. "Aber nicht nur das: Er kann schon in der Gegenwart den Unterschied ausmachen."

Kidd wolle dem 22-Jährigen helfen zu verstehen, wie man in der NBA erfolgreich ist. "Ich hatte diese Hilfe leider nicht, als ich jung war", sagt Kidd.

Um Beaubois die dringend benötigte Spielpraxis zu verschaffen, ist Kidd sogar bereit, eigene Minuten zu opfern. "Ich hätte kein Problem damit, ab und zu von der Bank zu kommen. Je schneller sich Roddy entwickelt, um so besser für uns", glaubt Kidd.

Ein Statement, dessen Wert man auf keinen Fall unterschätzen sollte. In einer Zeit, in der jeder NBA-Profi zuerst an sich denkt, an seine Punkte, an seine Minuten, will einer der besten Spielmacher aller Zeiten das Ruder freiwillig an ein Greenhorn übergeben, weil es für das Team das beste ist.

Was geht da mit Shaq?

Es sind auch solche Opfer, die Kidd zum beliebtesten Mitspieler der Liga machen. Er ist außerdem das Hauptargument bei den Bemühungen um einen weiteren Free Agent: Shaquille O'Neal.

Der Diesel hat bereits angekündigt, dass er noch zwei oder sogar drei Jahre weiterspielen wolle. Kaum vorstellbar, dass sich Shaq auf dem Parkett nicht blendend mit Kidd und Nowitzki verstehen würde.

Aber die Mavs sollten sich beeilen, wollen sie nach dem Sommer nicht erneut mit leeren Händen dastehen: Atlanta ist längst in das Wettbieten eingestiegen und hat O'Neal einen Zweijahresvertrag angeboten, den der offenbar sehr verlockend findet. Auch Boston könnte Shaq gut gebrauchen.

Kidd ist sich dessen durchaus bewusst: "Wenn ich irgendwo hinfliegen soll, muss der Verein mir nur Bescheid geben. Ich werde alles tun, um dieses Team besser zu machen." Wie gesagt: Dieser Mann ist nicht zu ersetzen.

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