NBA

San Antonio bangt um den neuen Dumars

Von Florian Regelmann
Spurs-Guard George Hill erzielte in der Regular Season im Schnitt 12,4 Punkte
© Getty

Die Spurs schonten bei der Niederlage in Dallas mit Tim Duncan und Manu Ginobili ihre Superstars, aber sie trafen dennoch eine fatale Fehlentscheidung. Ihr X-Factor droht auszufallen: George Hill.

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"Die Spurs haben sich entschieden, die Niederlage zu kassieren und gegen uns zu spielen. Ich freue mich auf die Serie, das wird ein interessantes Matchup", sagte Dirk Nowitzki nach dem 96:89-Erfolg der Dallas Mavericks gegen die San Antonio Spurs im letzten Regular-Season-Spiel.

Über die Partie braucht man kein einziges Wort zu viel zu verlieren - der Erfolg der Mavs hatte Null-Komma-Null Aussagekraft, da die Spurs nur mit einem B-Team und ohne jede Absicht das Spiel gewinnen zu wollen im America Airlines Center antraten.

So gab es auch im Anschluss nur eine Diskussion: War es die richtige Entscheidung von Spurs-Headcoach Gregg Popovich, mit der psychologischen Kriegsführung frühzeitig zu beginnen und auf Tim Duncan und Manu Ginobili zu verzichten? Wollte er sie wirklich schonen?

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Blairs Einfluss limitiert

In gewisser Weise spielen die Antworten auf diese Fragen keine Rolle. Denn weder Duncan noch Ginobili werden darüber entscheiden, ob San Antonio eine Chance hat, nach zwei verlorenen Playoff-Serien in Folge den Spieß umzudrehen und Dallas aus der Postseason zu kegeln.

Sicher, Duncan ist nach wie vor ein ultra-toughes Playoff-Monster - er wird gegen Dallas seine Leistung bringen. Dass Ginobili in den vergangenen Wochen in überragender Form war und in dieser Phase zu den fünf besten Spielern der NBA gehörte, steht ebenfalls außer Frage.

Aber Duncan und Ginobili sind dennoch nicht die X-Factor auf Seiten der Spurs. Es ist auch nicht Tony Parker, obwohl der Franzose nach seiner Verletzungspause immer mehr einen akzeptablen Fitnesszustand erreicht und wie der alte Tony Parker aussieht.

Und es ist auch nicht DeJuan Blair. Der Rookie lieferte gegen Dallas zwar irrwitzige Stats ab (27 Punkte, 23 Rebounds) und hat jede Menge Potenzial, aber er gehört auch zu den schwächsten Verteidigern, die es auf den Big-Men-Positionen in der NBA gibt. Sein Einfluss auf die Serie wird alleine deshalb limitiert sein.

Teil der "Magnificent Seven"

Es gibt nur einen wahren Schlüsselspieler bei den Spurs und dieser heißt George Hill. Ein 23-jähriger Combo-Guard mit All-Star-Potenzial.

Hills Karriere im Zeitraffer: Er ist Teil der "Magnificent Seven" (Greg Oden, Mike Conley Jr., Eric Gordon, Josh McRoberts, Courtney Lee, Rodney Carney), die alle in Indiana zu Jungstars heranwachsen. Statt ein Stipendium an einer renommierten Uni anzunehmen, geht Hill an die Indiana University-Purdue University Indianapolis (IUPUI), um in der Nähe seines todkranken Urgroßvaters zu bleiben. Es ist bezeichnend für seinen bodenständigen Charakter.

2008 wird er als erster IUPUI-Jaguar der Geschichte gedraftet. In der ersten Runde schlagen die Spurs an 26. Stelle zu, verzichten auf einen größeren Namen wie Mario Chalmers aus Kansas und holen einen wenig bekannten Spieler von einer wenig bekannten Uni. Prädikat: mutig.

Prototyp eines Popovich-Spielers

"Es gibt Jungs, die haben das gewisse Etwas. Er ist damit geboren worden. Die Leute haben ja keine Ahnung, wie talentiert dieser Junge ist. Seit Jahren sage ich, dass er mich an Tony Parker erinnert", schwärmt Hills College-Coach Ron Hunter schon damals.

Er ist schnell wie der Blitz, hat die Fähigkeit, am Korb zu finishen, und kombiniert einen hohen Basketball-IQ mit unglaublicher Toughness. Kurzum: der Prototyp eines Popovich-Spielers.

Ein Beleg für Hills Athletik: Obwohl er noch nie zuvor Fußball gespielt hatte, überzeugte er in seiner High-School-Zeit auch bei einem Probetraining in der Fußball-Mannschaft und wurde in der Folge nach der Saison sogar ins All-Star-Team berufen. Als Torwart.

Hill arbeitet an seinem Jumpshot

Er kommt also mit jeder Menge Vorschusslorbeeren im Gepäck nach San Antonio, aber dort will dann aber erst einmal niemand so recht ins Schwärmen geraten. Hill hat große Probleme mit der Umstellung auf das NBA-Spiel. Er hat vor allem ein Manko: sein miserabler Wurf.

"Du bist einer der schlechtesten Jumpshooter der Liga und du bist nicht gut genug, um bei irgendeinem Team Point Guard zu spielen." Rumms. Nach seiner enttäuschenden Rookie-Saison sagen ihm der Spurs-Trainerstab mit diesen Worten knallhart ins Gesicht, was Sache ist.

Hill braucht Zeit, nimmt die Kritik aber an und arbeitet in der Offseason gemeinsam mit Spurs-Assistenzcoach Chip Engelland, der bereits Parkers Wurf enorm verbessert hatte, wie ein Besessener an seinem Wurf.

"Ich wollte als ein ganz neuer Spieler aus dem Sommer kommen", erklärt Hill. Und siehe da: Ein Jahr später ist er aus der Rotation der Spurs nicht mehr wegzudenken.

Kandidat für den Most-Improved-Player-Award

Er hat seinen Punkteschnitt (von 5,7 auf 12,4) fast um sieben Zähler erhöht, seine Trefferquoten aus dem Feld (47,7 Prozent) und von der Dreierlinie (40,3) sind inzwischen richtig gut. Gerade aus den Ecken ist Hills Schuss schon so tödlich geworden, wie es früher in San Antonio bei Bruce Bowen der Fall war.

Seine Offensivqualitäten sind also enorm gestiegen, aber das, was Hill so speziell macht, ist seine Defense. Für "ESPN"-Experte John Hollinger ist Hill hinter Rajon Rondo aus Boston der zweitbeste Verteidiger auf der Spielmacher-Position. Mit seinen unglaublich langen Armen ist Hill trotz Größennachteilen zudem in der Lage, auch Shooting Guards exzellent auszuschalten.

Nur dank ihm konnten die Spurs die lange Abwesenheit des verletzten Parker so gut kompensieren. Hill, der einen aufgrund seiner Größe und Allroundfähigkeiten an Pistons-Legende Joe Dumars erinnert, gehört zu den ganz heißen Kandidaten auf den Most-Improved-Player-Award.

Spurs bangen um Hill

Hill ist der Spieler, der den Mavs in der am Sonntag startenden Serie wirklich wehtun könnte. Wenn er denn fit ist. Hill, der gerade erst seine Knöchelverletzung überstanden zu haben schien, spielte in Dallas nämlich nur ganze fünf Minuten.

Dann trat er bei einem Korbleger unglücklich einem hinter dem Korb postierten Kameramann auf den Fuß und verletzte sich erneut am lädierten rechten Knöchel. Am Donnerstag soll eine Kernspintomographie Aufschluss darüber geben, ob Hill einsetzbar sein wird.

Sollte Hill ausfallen, muss sich auch Popovich Kritik gefallen lassen. Warum hat er Duncan und Ginobili geschont, aber Hill nicht? Er könnte sich verzockt und eine fatale Fehlentscheidung getroffen haben, die den Ausgang der Serie mit beeinflussen wird. Denn ohne Hill sinken die Chancen der Spurs erheblich.

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