NBA

Pietrus macht den Jordan

Von Philipp Dornhegge
Mickael Pietrus (r.) und Jameer Nelson machten den Dallas Mavericks das Leben schwer
© Getty

In einer Partie, in der bei den Mavericks (50-26) offensiv gar nichts ging, war es ausgerechnet Rodrigue Beaubois' Mentor, der ihnen zeigte, wie es geht. Die Orlando Magic (53-22) gewannen in Dallas völlig verdient 97:82.

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Als Rodrigue Beaubois vor einigen Tagen 40 Punkte gegen die Golden State Warriors erzielte, war Mickael Pietrus schwer beeindruckt. Die beiden Franzosen verbindet eine ganz besondere Geschichte.

Denn als der junge Beaubois noch ein absoluter Niemand war, war es Pietrus, der ihn in einem Basketballcamp in Guadeloupe entdeckte, einigen Profiklubs empfohl und ihm so die Tür zur Profilaufbahn öffnete. Entsprechend herzlich begrüßten sich die beiden vor dem Tipoff.

Und so stark Beaubois' Performance gegen die Warriors auch war: Diesmal war es Pietrus, der bewies, dass er selbst nicht der schlechteste Spieler ist. In einer engen Partie stellte der 28-Jährige mit einer bärenstarken Vorstellung die Weichen für Orlandos 53. Saisonsieg. Pietrus erzielte 24 Punkte, nicht einer seiner sechs Versuche von der Dreierlinie verfehlte das Ziel.

Als er im Schlussviertel seinen letzten Wurf im Korb untergebracht und damit den Sack endgültig zugemacht hatte, zuckte er nur kurz mit den Schultern, als wollte er sagen: "Was soll ich machen? Es läuft einfach."

Erinnerungen an Michael Jordan

Flashback zu den Finals 1992: Mit exakt der gleichen Geste machte Michael Jordan in Spiel eins gegen die Portland Trail Blazers deutlich, dass auch er sich seine damalige Leistung nicht erklären konnte.

Auch Jordan traf damals sechs Dreier, wenn auch in einer Halbzeit, und erstickte damit die aufkommende Diskussion, ob Gegenüber Clyde Drexler nicht ein ebenso starker Shooting Guard sei wie Jordan, im Keim.

Nun ist es noch ein weiter Weg, bis sich Pietrus in den Finals zur Unsterblichkeit schießen kann, aber im Spiel gegen Dallas zeigte Orlando zumindest, dass es einer der heißesten Anwärter auf die Endspiele ist.

Dank Bankspielern wie Pietrus, dank Vince Carter, Rashard Lewis und Jameer Nelson. Aber vor allem wegen Dwight Howard (17 Punkte, 20 Rebounds, 5 Blocks), der in den letzten Wochen wie ein echter MVP spielt und auch gegen die Mavs die Partie dominierte.

Doppeln gegen Howard verpufft

"Wir wissen, wie stark wir sind", sagte Nelosn nach der Partie. "Wir sind nicht arrogant oder überschätzen uns, aber wir haben heute wieder gezeigt, dass wir jeden Gegner schlagen können, wenn wir unser Spiel spielen."

Rick Carlisles Taktik gegen Howard war von Beginn an, den Center mit leichter Verzögerung zu doppeln. Dies gelang aber nur mit mäßigem Erfolg: Zweimal kam der zweite Verteidiger zu spät, sodass Howard einmal mit rechts, einmal mit links per Hakenwurf traf.

Danach passte das Timing, dafür waren die anderen Mavs zu spät dran, als sie an der Dreierlinie rotieren sollten. Offene Dreier waren die Folge.

Immerhin lief es anfangs noch in der Offensive. Brendan Haywood revanchierte sich einige Male, Jason Kidd traf von außen, auch Caron Butler und Shawn Marion kamen zu Punkten. Nur bei Dirk Nowitzki dauerte es acht lange Minuten, ehe endlich der erste Jumper saß.

Beaubois ein Totalausfall

Beim Stande von 15:12 gab es die erste Auszeit, und urplötzlich war bei beiden Teams die Luft komplett raus. Die Atmosphäre erinnerte sehr an ein Playoff-Spiel, sprich das Tempo war langsam, die Defense intensiv - und das Publikum richtig heiß.

Das 18:16 für Orlando nach dem ersten Viertel macht deutlich, dass wir uns langsam aber sicher wieder auf Low-Scoring-Partien einstellen dürfen.

Zu Beginn des zweiten Viertels betraten Beaubois und Pietrus erstmals das Parkett. Und während sich der Magic-Swingman gleich an die Arbeit machte und 15 Punkte allein im zweiten Abschnitt erzielte, fiel Beaubois mit zwei Fehlwürfen und zwei komplett überflüssigen Turnovern vor allem negativ auf.

Zum Glück für die Mavs hielt Nowitzki jetzt besser dagegen, sodass der Gastgeber nach wie vor im Spiel blieb. Doch auch der Deutsche brauchte irgendwann wieder eine Pause, und ohne ihn ging gar nichts.

Mavericks - Magic: Die Highlights zum Spiel im Video bei ESPN

Orlandos Defense zieht Mavs den Zahn

Zwei katastrophale Backstein-Dreier von Kidd und Jason Terry waren der negative Höhepunkt einer insgesamt enttäuschenden ersten Hälfte der Texaner. Zwei Sekunden vor der Pause versenkte Orlandos All-Star-Point-Guard Nelson (14 Punkte, 7 Assists) seinen ersten Wurf des Spiels und stellte den Halbzeitstand von 43:36 her.

Was die Mavs in den guten Spielen der letzten Wochen so stark gemacht hatte, war ja vor allem das gute Zusammenspiel. Gegen die Magic verbuchte das gesamte Team insgesamt 7 Assists. Wie gesagt: enttäuschend.

Natürlich war Dallas nicht einfach nur schlecht drauf. Man sollte nicht vergessen, dass Orlandos Defense dank Howard zu den besten der Liga gehört, und es war ganz offensichtlich, dass es den Magic sehr gut gelang, den Rhythmus der Mavs komplett zu durchbrechen.

Und das nachhaltig: Denn auch in der zweiten Hälfte gelang es nur Nowitzki, gegen diese Magic-Verteidigung zu Punkten zu kommen. "Coach Stan van Gundy verlangt von mir, dass ich das Rückgrat unserer Defense bin", erklärte Howard seine Rolle. "Ich muss in den seltenen Fällen zur Stelle sein, wenn einer unserer Guards einen Fehler macht."

Marion: "Ein frustrierendes Spiel"

Da Orlando zudem in den ersten Minuten alle vier Versuche aus dem Feld und zwei von der Freiwurflinie traf, wuchs der Vorsprung schnell auf zwölf Punkte an. Carlisle, der sich schon in der Halbzeit wenig begeistert von der Vorstellung seiner Mannschaft zeigte, nahm sofort eine Auszeit, um seinem Team ins Gewissen zu reden.

Doch es war wieder nur Nowitzki, der das Flehen seines Coaches erhörte: Kidd und Terry schossen weiter nur Fahrkarten, von Marion und Butler war nichts mehr zu sehen. "Es war einfach ein frustrierendes Spiel", jammerte Marion. "Es wollte einfach nichts klappen."

In seiner Verzweiflung brachte Carlisle nun J.J. Barea ins Spiel, doch das einzige, was dieser Schachzug zunächst bewirkte war, dass nun auch Carter (19) im Spiel ankam und die Magic-Führung ausbaute.

Aus Sicht der Mavs wurde es minütlich schlimmer, und man konnte nicht umhin sich zu fragen, wann Dallas zuletzt dermaßen ratlos gewirkt hatte. Klar, es gab auch in dieser Saison schon einige Spiele, in denen das Team in der Defense lustlos oder überfordert wirkte. Aber dass offensiv gar nichts geht, das kommt doch höchst selten vor.

Wieder gleichauf mit den Jazz

Und selbst wenn doch mal ein Wurf fiel, schenkte Dallas die hart verdienten Punkte in der Verteidigung gleich wieder her. Sogar Ex-Maverick Brandon Bass (8) durfte unbedrängt durch die Zone marschieren und Punkte sammeln. Mit 56:72 ging das dritte Viertel zu Ende.

Im letzten Abschnitt startete Dallas noch mal einen letzten Anlauf und verkürzte sogar auf 85:75, weil Barea und Terry in Fahrt kamen. Aber dass die Mavs wirklich ernsthaft um den Sieg mitspielen könnten, war reines Wunschdenken der Fans im American Airlines Center.

Carter, der im vierten Viertel richtig stark aufdrehte, und Pietrus bauten die Führung dreieinhalb Minuten vor Schluss wieder auf 15 Punkte aus, das Ding war endgültig gelaufen. "Was uns wirklich weh getan hat, waren ihre Dreier", klagte Carlisle, nachdem Orlando 14 von 24 Versuchen versenkt hatte. "Eigentlich wollten wir sie da zu stellen, aber das überhaupt nicht funktioniert."

Dallas verlor letztlich völlig verdient und konnte die Chance, Platz zwei im Westen zu festigen, erneut nicht nutzen. Ganz im Gegenteil: Nach der Pleite liegt das Team jetzt exakt gleichauf mit den Utah Jazz - und hat nur noch ein Spiel Vorsprung auf die Nuggets (49-27), nachdem Denver im Anschluss Portland schlug.

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