NBA

"Nowitzki braucht einen zweiten Superstar"

Von Interview: Haruka Gruber
Dirk Nowitzki und LeBron James: Zwei Superstars, die im Sommer wechseln könnten...
© Getty

Hat Dirk Nowitzki in den Playoffs als Leader seiner Dallas Mavericks versagt? Bundestrainer Dirk Bauermann nimmt seinen Schützling nach dem Aus in der ersten Runde in Schutz - und kritisiert stattdessen die fehlende Klasse der Mavs-Mitspieler und die fehlende "Krisenfestigkeit" im Team. Für den deutschen Basketball könnte das Ausscheiden von Dallas jedoch positive Folgen haben.

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SPOX: Auch im zwölften NBA-Jahr hat Dirk Nowitzki den ersehnten NBA-Titel verpasst. Verspüren Sie Mitleid für das Aushängeschild des deutschen Basketballs?

Dirk Bauermann: Er braucht kein Mitleid, aber ich fühle total mit ihm mit, weil ich weiß, wie viel ihm der NBA-Titel bedeutet. Wie hart er für den Titel gearbeitet hat und noch tagtäglich arbeitet. Ihn dann zu sehen, wie er in der ersten Playoff-Runde ausscheidet, ist einfach nur traurig.

SPOX: Wie geht Nowitzki mit solch einer Enttäuschung um?

Bauermann: Er kann solche Dinge nur sehr schwer verarbeiten und ist am Boden zerstört. Dirk ist ein Mensch, der nach solchen Enttäuschungen nicht zur Tagesordnung übergeht, sondern sehr lange daran zu knabbern hat. Das wird in seinen ersten Äußerungen nach dem sechsten Spiel spürbar.

SPOX: Könnte die Niedergeschlagenheit dazu führen, dass Nowitzki Dallas verlässt?

Bauermann: Jeder Spieler macht sich in solch einer Lage Gedanken. Dirk wird jedoch nicht überstürzt entscheiden, sondern in Ruhe die Situation in Dallas analysieren und zusammen mit Holger Geschwindner überlegen, wie es weitergeht. Es gehört nicht zu meinen Aufgaben, ihm Tipps zu geben.

SPOX: Nowitzki zeigte als einziger Maverick konstant gute Leistungen - aber ist das Ausscheiden nicht der letzte Beweis dafür, dass er als Führungsspieler keine Mannschaft zur Meisterschaft führen kann?

Bauermann: Dirk geht sehr hart mit sich ins Gericht und sucht immer als erstes bei sich nach Fehlern - dennoch ist der Vorwurf absolut ungerechtfertigt. Er schwingt keine großen Reden, dafür geht er jedoch als Vorbild voran und zeigt so Führungsqualität. Vielen Trainern wie mir ist so ein Leadertyp lieber als ein Spieler, der versucht, sich mit plakativen Brandreden zu profilieren. Bei der Analyse des Ausscheidens sollte man sich daher weniger auf Dirk konzentrieren.

SPOX: Auf was dann?

Bauermann: Es ist Gesetz in der NBA, dass ein Team drei, mindestens zwei Superstars im Kader benötigt, um ernsthaft den Titel anzugreifen. Caron Butler mag ein guter Basketballer sein, aber er ist nicht auf diesem Niveau. Jason Kidd war früher ein Superstar, aber er gehört nicht mehr dazu. Und der Rest besteht aus Ergänzungsspielern, die bei allem Talent nicht in der Lage sind, Dirk dauerhaft zu entlasten. Wenn Dirk eine Meisterschaft gewinnen will, braucht er einen zweiten Superstar an der Seite, mit dem er harmoniert und der ihm Verantwortung abnimmt. Ein Superstar alleine reicht heutzutage nicht mehr aus.

SPOX: Ist das Fehlen eines zweiten Go-to-Guys der einzige Grund für den K.o.?

Bauermann: Der zweite wichtige Grund: San Antonio hatte während der sechs Spiele auch schwache Phasen, wirkte nichtsdestotrotz wesentlich abgezockter und krisenfester - was wohl damit zu tun hat, dass die Mannschaft eine ganze Saison Zeit bekam, um sich einzuspielen und Neuzugänge wie Richard Jefferson zu integrieren. Dallas hingegen musste sich wegen des Washington-Trades neu finden - und hatte dafür jedoch nur zwei Monate.

SPOX: Ist der Zeit-Faktor so entscheidend?

Bauermann: Dallas verfügte über Talent, und Talent ist die Grundlage jeden Erfolgs. Aber: In der NBA hat jedes Team massig Talent, daher kommt es vor allem darauf an, als Gemeinschaft kompakt aufzutreten. Der Prozess des Teambuildings geht nicht über Nacht. Der Mavs-Mannschaft wurde jedoch nicht genug Zeit gegeben, um sich zu formieren. Deswegen war Dallas nicht stabil genug. Deswegen hat Dallas trotz der Auswärtsstärke in der Regular Season alle drei Playoff-Spiele in San Antonio verloren.

SPOX: War der Trade mit Caron Butler und Brendan Haywood demnach ein Fehler?

Bauermann: Dallas blieb nicht viel anderes übrig, daher war der Trade richtig. Dirk hat es ja auch immer wieder gesagt. Mit Butler und Haywood war bei allem Risiko dennoch die Chance größer, in den Playoffs etwas zu reißen, als wenn die Mannschaft so geblieben wäre.

SPOX: Was auffiel: Coach Rick Carlisle fand zu keinem Zeitpunkt der Saison eine feste Rotation. Steht er zurecht in der Kritik?

Bauermann: Ich will mir nicht anmaßen, als Außenstehender solche komplexen Themen wie die Rotation zu beurteilen. Ich habe Carlisle als Trainer mit hoher Qualität und sehr, sehr viel Know-how kennen gelernt, der außerdem ein sehr angenehmer Mensch ist.

SPOX: Dennoch die Nachfrage: Was bewegt einen Coach dazu, zum Beispiel im sechsten Spiel Rookie Rodrigue Beaubois im letzten Viertel auf die Bank zu setzen, obwohl er neben Nowitzki der beste Mann war?

Bauermann: Ich kenne die Situation ganz gut, weil ich bei der EM auch mit vielen Talenten gearbeitet habe. Es ist grundsätzlich so, dass Trainer in wichtigen Situationen wie den Playoffs dazu neigen, auf Spieler zu setzen, von denen man einigermaßen weiß, was man von ihnen bekommt. Gerade bei einem jungen Spieler gibt es jedoch eine große Portion Ungewissheit. Kommt er wie Beaubois ins Spiel und macht in 21 Minuten 16 Punkte? Oder kommt er rein und schmeißt sofort drei Bälle weg? Von daher ist es nachvollziehbar, wie Carlisle entschieden hat.

SPOX: Als klar war, dass San Antonio große Probleme mit Beaubois hat, wurde er von Carlisle dennoch aus dem Spiel genommen.

Bauermann: Ich habe Beaubois im Training beobachtet und sein immenses Potenzial hautnah erlebt. Er ist ein hochveranlagter Basketballer mit hervorragenden körperlichen Voraussetzungen. Das Problem bei ihm ist aber, so kurios es klingt: Er ist fast zu schnell und zu athletisch. Vor lauter Power überzieht er häufig, dreht zu sehr auf und begeht überhastet Fehler. Zumal er noch kein richtiger Spielmacher ist und daher gelegentlich die Übersicht verliert. Dieses Risiko wollte Carlisle wohl nicht eingehen.

SPOX: Bei aller Enttäuschung über das Abscheiden von Dallas: Für den deutschen Basketball gibt es einen positiven Randaspekt. Die Chancen, dass Nowitzki bei der WM in der Türkei teilnimmt, sind nun deutlich gestiegen. Oder könnte er womöglich auf das Turnier verzichten, weil die Suche nach einem neuen Klub wichtiger ist?

Bauermann: Bei einer Finals-Teilnahme der Mavs wäre eine Zusage wohl nahezu ausgeschlossen gewesen,  weil Dirk dann zu platt gewesen wäre. Inwiefern ein möglicher Klubwechsel eine WM-Teilnahme verhindern könnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich sehe Dirk weiter in Dallas, insofern hat der deutsche Basketball wegen des Mavs-Ausscheidens zwei weinende Augen, das eine Auge wird jedoch wegen der verbesserten Aussichten auf eine WM-Teilnahme von Dirk wohl schneller trocken. So bitter es ist: Das Erstrunden-Aus der Mavs hilft der deutschen Nationalmannschaft.

Die 5 brennenden Fragen nach dem Aus: Nowitzki hat Optionen