NBA

Der Kampf um Kidds Nachfolge

Von Philipp Dornhegge
Respekt- und furchtlos zieht Rodrigue Beaubois selbst gegen mehrere Gegenspieler zum Korb
© Getty

Obwohl sich Dallas gegen die Timberwolves lange schwer tat, sprang am Ende dennoch ein 112:109-Erfolg heraus. Rookie Rodrigue Beaubois hatte großen Anteil am neunten Sieg in Folge.

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"Jason und ich sind nach einem kurzen Gespräch zu dem Entschluss gekommen, dass er sich für das heutige Spiel freinehmen soll", sagte Rick Carlisle vor der Partie gegen die Minnesota Timberwolves (14-48).

Was den anwesenden Journalisten lediglich als Erklärung für die Abwesenheit von Routinier Jason Kidd diente, war zugleich eine klare Ansage an die beiden Backups J.J. Barea und Rookie Rodrigue Beaubois: "Heute bekommt ihr eure Chance, zeigt mir, was ihr draufhabt."

Nachdem Kidd in den vergangenen Spielen viele Minuten auf dem Parkett gestanden hatte, stellten sich viele Experten schon die Frage, ob der Coach der Mavs kein Vertrauen in die beiden designierten Nachfolger hat.

Mitnichten, betont Carlisle: "Beide machen einen guten Job. Aber wenn einer in einer anderen Liga spielt, wie es Kidd zuletzt getan hat, dann sehen alle anderen natürlich schlecht aus."

Rookies spielen Barea an die Wand

Nun, gegen Minnesota war Kidd nicht da, und trotzdem sah Barea schlecht aus. Weil ihm Wolves-Point-Guard Jonny Flynn (19 Punkte) einen Knoten in die Beine spielte, und weil Beaubois eine Klassepartie hinlegte.

Barea bekam aufgrund seiner größeren Erfahrung den Vorzug in der Starting Five, doch ohne Kidd ging der Start in die Partie für die Mavericks mächtig in die Hose. Dabei war der Gegner ohne Starspieler Al Jefferson angetreten.

Der Big Man war am Wochende wegen Trunkenheit am Steuer erwischt worden, teamintern wurde er daraufhin für zwei Spiele gesperrt. Das spielte angesichts des ungleichen Spielmacher-Duells in der Anfangsphase allerdings keine große Rolle.

Mavs-Bank dreht die Partie

Nach 5:38 Minuten hatte Carlisle erst einmal genug gesehen vom kleinen Puerto Ricaner. Dallas brauchte dringend einen Energieschub, und bekam ihn von der Bank: Jason Terry und Beaubois, körperlich nicht gerade ein Monster-Backcourt, kamen, sahen und spielten die Timberwolves schwindlig.

Bis zum Viertelende hatten die beiden einen 8:15-Rückstand in ein 30:28 verwandelt, mit einer Defensivaktion setzte Beaubois noch ein Ausrufezeichen: Minnesotas Backup-Point-Guard Ramon Sessions (6) dachte sechs Sekunden vor Schluss, dass er bei einem Fastbreak leichtes Spiel gegen den Franzosen hätte, stieg zum Layup hoch - und merkte erst in der Luft, dass Beaubois schon da war.

Mit Power und Finesse stoppte er Sessions und leitete sofort den Fastbreak ein, anstatt die Kugel stumpf ins Publikum zu jagen, wie es mancher Big Man gerne macht.

Beaubois: Der Publikumsliebling im AAC

Zwar versemmelte DeShawn Stevenson den folgenden Dreier mit der Schlusssirene, aber trotzdem liefen die Fans im American Airlines Center heiß. Bei seinem Coach sammelte Beaubois mit seinem Block weitere Pluspunkte gegenüber Barea, der in diesem Jahr in 60 Spielen insgesamt nur auf fünf Blocks kommt.

Im zweiten Abschnitt setzten Terry und Beaubois ihren Ansturm auf die Wolves-Defense unverändert fort: Gemeinsam verwandelten sie in 15 Minuten Einsatzzeit sieben Dreier, erzielten 30 Punkte und verließen die Partie bei einem Spielstand von 54:41.

Aber die Wolves hatten nicht nur keine Antwort auf den Zwergen-Backcourt: Mit 11 Turnovers in Hälfte eins machte sich das schlechteste Team der Western Conference zusätzlich das Leben schwer. "Ein Problem, das uns immer wieder beschäftigt", ärgerte sich Flynn. "Wir müssen lernen, die Ballverluste abzustellen."

Mavericks - Timberwolves: Die Highlights im Video bei ESPN

Wolves treffsicher und stark am Brett

Dabei wäre man mit einer Quote von 55 Prozent aus dem Feld und einer klaren Überlegenheit an den Brettern (22:17 Rebounds) eigentlich in einer tollen Position gewesen, um Dallas richtig einzuheizen. Nix war's damit, und so ging Dallas mit einem 60:53 in die Kabine.

Doch als Minnesota seine Quote in der zweiten Hälfte weiter in die Höhe trieb, war klar: Nun bekommt Dallas Probleme. Die Gäste verloren weiterhin reihenweise Bälle, dafür saß so gut wie jeder Wurf. Dabei zeigte sich erneut deutlich, dass Barea, der mit acht Punkten immerhin offensiv zum Leben erwachte, defensiv einfach nicht tragbar ist.

Schon gar nicht, wenn er auf flinke Spieler wie Flynn trifft. Der Rookie von der University of Syracuse hätte es beim Zug zum Korb selbst ohne Gegenspieler nicht leichter hätte haben können.

Dirk Nowitzki wiederum, der ebenfalls erst in der zweiten Hälfte sein erstes Field Goal versenkte, bekam immer dann Probleme, wenn sich sein Gegner in einiger Entfernung vom Korb aufhielt. Entweder kam Kevin Love (14 und 14 Rebounds) zu offenen Dreiern, oder er war zu spät dran, um in der Zone auszuhelfen.

Freiwurf-Fest reicht für knappen Sieg

Eine kurze offensive Durststrecke der Mavs reichte, und schon waren die Wolves wieder in der Partie. Acht Minuten vor Schluss gingen sie nach einem Jumper des sehr aktiven Corey Brewer (24) sogar in Führung.

Es stand 93:91, und urplötzlich fragten sich die Fans, ob die Siegesserie ausgerechnet gegen Minnesota zu Ende gehen sollte. Minnesota, das Dallas schon im ersten Aufeinandertreffen mit 118:107 besiegte.

Aber nein, so viel Stolz besaßen die Mavs dann doch. Das Team riss sich zusammen, stand defensiv in den letzten Minuten besser und machte dank Nowitzki und Terry die wichtigen Punkte. Eine Flut von Freiwürfen machte den Deckel drauf.

"Wir haben zu viele kleine Fehler gemacht", war sich Wolves-Coach Kurt Rambis der Gründe für die 48. Saisonpleite bewusst. "Aber ich bin sehr stolz darauf, wie meine Jungs gefightet haben."

Beaubois auch in der Crunch-Time auf dem Platz

Den Schlusspunkt setzte Beaubois, als er 0,5 Sekunden vor Schluss den ersten Versuch von der Linie zum 112:109-Endstand versenkte - und den zweiten absichtlich daneben warf. Ja, Beaubois hatte in der Crunch Time das Vertrauen von Carlisle.

Und wenn ein Neuling in den letzten Minuten einem gestandenen Profi vorgezogen wird, dann darf man das getrost als klaren Fingerzeig deuten. Man kann davon ausgehen, dass Beaubois auch in den kommenden Spielen seine Minuten bekommen wird.

Von den nächsten fünf Gegner sind nur die Chicago Bulls in Schlagdistanz zu den Playoff-Plätzen. Ansonsten warten Sacramento und erneut die Wolves, anschließend die Nets und Knicks.

Da sollte es Möglichkeiten genug geben für "Air France", wie die Fans ihren neuen Liebling inzwischen getauft haben, um sich erneut auszuzeichnen, und Barea weiter auf Distanz zu halten.

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