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NBA Finals: Die Golden State Warriors nach der Niederlage gegen die Raptors: Wie ein düsterer Kinski-Film

Die Golden State Warriors waren in diesen Playoffs vom Verletzungspech verfolgt.
© getty

Die Golden State Warriors haben nach zwei Meisterschaften in Folge den Threepeat verpasst und unterlagen den Toronto Raptors in sechs Spielen. Auch im entscheidenden Spiel zeigten die Warriors große Nehmerqualitäten, vor allem nach der schlimmen Verletzung von Klay Thompson. Der Blick richtet sich nun dennoch auf die kommende Saison. Golden State gibt sich bereits angriffslustig.

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Seuche, Unglück, Pech, Schicksalsschläge. Es gibt zahlreiche Nomen, um die Geschehnisse rund um die Golden State Warriors in diesen Playoffs und vor allem den Finals zu beschreiben. Bei ihrer ersten Meisterschaft im Jahr 2015 galten die Warriors noch als die Glückskinder der NBA, als bei fast jedem Gegner mindestens ein Schlüsselspieler in der Serie fehlte.

Vier Jahre später hat sich das Blatt gewendet, Golden State war das gebeutelte Team, die Basketball-Götter scheinen sich von der Bay Area abgewendet zu haben. Fünf Finals-Teilnahmen in Folge haben Spuren hinterlassen, die Warriors sind dabei nicht die erste Mannschaft, die so etwas erfahren musste. Mit welcher Wucht dies aber geschah, ist in der langen Geschichte der NBA aber unerreicht.

"Es ist einfach nur brutal", fasste Warriors-Coach Steve Kerr die vergangenen Wochen des entthronten Champions passend zusammen. "Es ist brutal, mit welchen Verletzungen unsere Jungs zu kämpfen hatten." Mit Ausnahme von Draymond Green kämpfte jeder, wirklich jeder Starter der Dubs mit größeren oder kleineren Verletzungen.

Warriors: Verletzungen pflastern ihre Playoffs

Da war in der Regular Season der ausgekugelte Finger von Stephen Curry, da waren die ständigen Wehwehchen von Andre Iguodala. In Spiel 2 der ersten Runde gegen die L.A. Clippers riss sich DeMarcus Cousins, der zuvor die halbe Saison wegen eines Achillessehnenrisses verpasste, einen Muskel im Oberschenkel, eine Runde später streikte die Wade von Kevin Durant.

Sogar Iron Man Klay Thompson zerrte sich in Spiel 2 der Finals den Oberschenkel und musste erstmals in seiner Karriere bei einer Playoff-Partie zuschauen. Im gleichen Spiel verletzte sich Backup-Center Kevon Looney am Brustkorb, für den Rest der Finalserie war auch er sichtlich eingeschränkt.

Als "Krönung" riss sich Durant nach elf Minuten Comeback in Spiel 5 gleich wieder die Achillessehne, ein weiterer Tiefpunkt. Spiel 6, der Abschied von der traditionsreichen Oracle Arena, machte da keine Ausnahme und setzte den traurigen Schlusspunkt auf verkorkste Finals. Angelehnt an einen alten Klassiker von Klaus Kinski: Verletzungen pflasterten ihren Weg.

Auch Kawhi konnte Thompson nicht stoppen

Drei Viertel lang wurde Thompson wieder zu "Game 6 Klay" und erzielte in gerade einmal 32 Minuten 30 Punkte. Viele fühlten sich ins Jahr 2016 zurückversetzt, als Thompson die Warriors fast im Alleingang wieder in die OKC-Serie schoss. Wer sollte Thompson nur stoppen, den Mann, der auch in den größten Momenten Nerven so dick wie die Träger der Golden Gate Bridge zu haben scheint?

Kawhi Leonard war es jedenfalls nicht. Er sollte den Warriors-Schützen eindämmen und ihm hinterherjagen, aber ließ sich zu häufig von seinen Instinkten leiten und sank in Richtung Zone für Help Defense ab. Die Folge waren freie Würfe oder Fouls von Kawhi beim Jumper, weil er grade in der ersten Halbzeit einige Male zu spät war.

Gestoppt wurde Thompson letztlich nur von diesem "Freak Play", wie Curry es nannte. Thompson drehte zwar beim Gang in die Kabine noch einmal um, um auszutesten, ob er weitermachen könne, doch nach den verwandelten Freiwürfen legten die Ärzte der Warriors ein Veto ein, um Thompson gewissermaßen auch vor sich selbst zu schützen.

Es war die einzig richtige Entscheidung. Es wäre unverantwortlich gewesen, wenn Klay weitergespielt hätte, es gibt wichtigere Dinge als Basketball und das ist die Gesundheit des Einzelnen. Gerade nach der tragischen Durant-Verletzung wird den Warriors-Docs zumindest diese Entscheidung hoffentlich leicht gefallen sein.

Warriors-Coach Steve Kerr hadert mit dem Schicksal

Aber auch ohne Thompson bewiesen die Warriors echte Moral. Curry rieb sich in der Folge wieder gegen die Box-and-1-Defense (Raptors-Fans nennen sie Box-and-Fred) auf und spielte satte 42 Minuten, in denen er konsequent gejagt wurde und gerade einmal 16 Würfe abfeuern konnte.

So musste Kerr zu Beginn des vierten Viertels (!) ein Lineup aus Quinn Cook, Shaun Livingston, Jonas Jerebko, Green und Cousins spielen lassen. Es fehlten einfach die Alternativen, der Kader der Warriors stach schon die komplette Saison nicht durch Tiefe heraus. Wenn dann zwei All-Stars verletzt wegbrechen, sind solche Lineups die bittere Realität.

"Es hat sich wie ein schlechter Scherz angefühlt. Irgendwann muss das doch ein Ende haben, oder?", zeigte sich Kerr ob der vielen Nackenschläge ernüchtert. Dass Golden State im Schlussabschnitt dann sogar zwischenzeitlich wieder führte, ist dem Team umso höher anzurechnen, das Herz eines Champions wird hier gerne zitiert, in diesem Fall war es treffend.

"Ich habe mich selbst gefragt, wie wir sogar noch die Chance hatten, dieses Spiel zu gewinnen", war auch Kerr erstaunt. "Wir haben hart gekämpft, aber es hat leider nicht gereicht."

Turnover von Draymond Green kosten möglichen Sieg

Mit dieser limitierten Mannschaft hielten die Warriors Toronto im vierten Viertel bei gerade einmal 42 Prozent aus dem Feld, schenkten nichts her, doch verpassten es, sich im Hexenkessel Oracle ein wenig Luft zu verschaffen, als die Chance da war. Gerade Green, der defensiv der Anker war, leistete sich im Schlussabschnitt vier Ballverluste, besonders einer war folgenschwer.

Beim Stand von 101:99 bei noch 4:30 Minuten auf der Uhr schnappte sich Green einen wilden Pass/Wurf von Pascal Siakam, um dann in Transition Überzahl zu schaffen. Siakam klaute aber Green wieder den Ball und der Warriors-Forward blieb lamentierend stehen, während Marc Gasol die Freiwürfe zog. Statt 103:99 stand es plötzlich 101:101. Das mögen Kleinigkeiten sein, aber durch die vielen Verletzungen hatten die Warriors nicht mehr diesen Raum für Fehler, den sie seit der Durant-Ankunft 2017 genossen.

Nach den acht Turnovern hätte ohnehin kein Hahn gekräht, wenn Curry den möglichen Gamewinner 8 Sekunden vor Schluss getroffen hätte, er tat es aber nicht, auch wenn es ein guter Wurf war. "Ich dachte, er würde reingehen, aber das denke ich bei jedem Wurf von Steph", beschrieb Kerr seine Gefühle in diesem Moment. "Steph wurde die komplette Serie mit zwei, drei Spielern gejagt. Gerade ohne Klay im vierten Viertel hat ihn das wohl ausgelaugt."

Curry und Green mit Kampfansage an die Liga

Das dürfte nicht nur für Curry gelten, schließlich war es die fünfte Saison in Folge für die Warriors, in der sie rund 100 Saison-Spiele absolvieren mussten. Mit voller Kapelle hätte es vielleicht zum vierten Titel in dieser Zeitspanne gereicht, dies sind aber nur Gedankenspiele und das wissen auch die Akteure aus der Bay Area. "Ich ziehe meinen Hut vor Toronto für diese Serie", lobte Curry. "Sie sind rausgekommen und haben es sich verdient."

In Oakland wird nun nicht die Welt untergehen, stattdessen werden die Verantwortlichen die Situation nüchtern einschätzen. "Die Finals haben gezeigt, aus welchem Holz dieses Team geschnitzt ist. Wir mussten die kompletten Playoffs gegen Widerstände ankämpfen und dennoch war es auch heute wieder knapp. Ich würde in der kommenden Saison nicht gegen uns wetten", lieferte Curry auch schon eine kleine Kampfansage an die Konkurrenz.

Wie das Team dann aussehen wird, steht natürlich in den Sternen. Thompson wird wohl bis März ausfallen, Durant könnte die komplette Saison verpassen, wenn er denn dann überhaupt noch Teil der Mannschaft ist. Eine Rückkehr von Cousins dürfte unwahrscheinlich sein. Curry und Green werden weiter die Fixsterne sein und diese Finals haben gezeigt, dass Golden State mit diesem Duo und einer vielleicht etwas besseren Bank immer konkurrenzfähig sein wird.

Schien es noch während der Saison so, als ob die Dynastie der Warriors aufgrund (zu) großer Egos zerbröseln würde, haben die Verletzungen das Team wieder zusammengeschweißt. Anführer Green hat dazu sowieso seine eigene Meinung. "Ich höre ständig, dass unser Run zu Ende ist, das sehe ich aber nicht. Wir werden zurückkommen." Wer möchte da Geld dagegen setzen?

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