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Coaching-Legende Del Harris im Interview über Dirk Nowitzki: "Dirk hat sich nie geschont"

Del Harris war zwischen 2000 und 2007 Assistant Coach bei den Dallas Mavericks um Dirk Nowitzki.
© getty

Del Harris ist nicht nur eine Coaching-Legende in der NBA, er hat vor allem eine besondere Beziehung zu Dirk Nowitzki. Zwischen 2000 und 2007 arbeitete Harris als Assistant Coach bei den Dallas Mavericks. Im SPOX-Interview spricht der 81-Jährige über die Einzigartigkeit des Deutschen und stellt ihn über Kobe Bryant, Shaquille O'Neal oder Magic Johnson. Das große Legenden-Interview mit Del Harris folgt demnächst!

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DAZN überträgt das vielleicht letzte Heimspiel in Nowitzkis Karriere in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch aus der Halle in Dallas (10. April., 2.30 Uhr).

Del, erzählen Sie uns bitte Ihre liebste Dirk-Story?

Del Harris: Dirk ist eine Story für sich. Wir würden ihm nicht gerecht werden, wenn ich jetzt fünf Geschichten erzählen würde. Es ist die ganze Person Dirk Nowitzki, die hervorsticht. Ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, ob Dirk gegenüber sich selbst zugeben kann, was für ein guter Spieler er ist. Er ist der bescheidenste und großartigste Spieler, mit dem ich je zu tun hatte.

Das will bei Ihnen etwas heißen.

Harris: Das stimmt. Ich habe viele großartige Spieler gecoacht. Fünf der Top 10 in der All-Time-Scoring-Liste waren Spieler unter mir. Dirk, Elvin Hayes, Moses Malone, Shaq und Kobe. Ich war Kobes erster Coach, ich war der letzte Coach von Magic. Ich habe Sid Moncrief und Jack Sikma trainiert, die jetzt in die Hall of Name einziehen werden. Oder Rudy Tomjanovich, die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Und alle waren richtig gute Jungs. Mein Gott, war Moses Malone ein überragender Typ. Aber Dirk steht für mich ganz oben. Eine Geschichte erzähle ich Ihnen jetzt doch.

Gerne.

Harris: Ich muss etwas weiter ausholen. Ich bin im März 2000 als Assistant Coach zu den Mavs gestoßen, 20 Spiele waren noch zu absolvieren in der Saison. Nellie (Don Nelson, Anm. d. Red.) wollte unbedingt, dass ich komme und ihm helfe. Wir hatten zuvor schon vier Jahre bei den Bucks zusammengearbeitet und hatten ein enges Verhältnis. Also gab ich meinen Job als Berater bei den Blazers auf und ging nach Dallas. Steve Nash kannte ich gut, weil ich ihn schon als 19-Jährigen 1994 in der kanadischen Nationalmannschaft trainiert hatte. Aber Steve kam wie Hubert Davis damals von der Bank, in der Starting Five standen Robert Pack und Erick Strickland. Als wir uns einen Tag nach meinem ersten Spiel als Co-Trainer zum Training trafen, sagte ich Nellie: 'Es gibt eine Sache, die wir ändern müssen. Steve muss starten.' Ab dem nächsten Spiel stand Steve bis zum Ende seiner Dallas-Zeit in jedem Spiel in der Startformation. Wir gewannen 15 der letzten 20 Spiele, Nellie und ich bekamen neue Verträge und ein Jahr später erreichten wir mit den Mavs zum ersten Mal nach elf Jahren wieder die Playoffs.

Del Harris: "Niemand hat je härter gearbeitet als Dirk"

Ich erinnere mich gut. Dallas schlug in der ersten Runde das favorisierte Utah um Karl Malone und John Stockton in fünf Spielen und traf danach auf San Antonio.

Harris: Während Spiel 4 gegen die Spurs in Dallas wurde Dirk ein Zahn rausgeschlagen. Aber was hat er gemacht? Er hat den Zahn zur Bank geworfen und einfach weitergespielt. Er hat nicht mal eine Auszeit verlangt. Wer macht so etwas? Niemand. Ich habe Spieler gesehen, die sich den Knöchel verstauchten und zwischen einer und drei Wochen ausgefallen sind. Bei Dirk war es meistens so, dass er sich den Knöchel verstauchte, ihn in der Kabine re-tapen ließ und zurück auf den Court kam. Wenn es wirklich mal ganz schlimm war, hat er vielleicht zwei oder drei Spiele verpasst, mehr nicht. So tough war Dirk. Diese Toughness passt gar nicht so richtig zu diesem demütigen Menschen. Dirk war nie jemand, der einen Fight angezettelt hätte, aber er war unglaublich tough. Und er hatte die unglaublichste Arbeitseinstellung, die ich jemals erlebt habe.

Wie hat sich diese gezeigt?

Harris: Traditionell passiert im Warmup vor Spielen ja nicht sehr viel. Ein bisschen Stretching, ein paar Layups und Schüsse nehmen, das reicht. Schließlich heißt es ja auch Warmup. Die Spieler sparen ihre Energie für das Spiel auf. Dirk war aber anders. Dirk hat vor einem Spiel in unserer Trainingshalle so harte Workouts gemacht, dass sein Trikot komplett nassgeschwitzt war. Dann ist er in die Kabine gekommen, hat sein normales Jersey angezogen und ist mit dem Team in die Halle gegangen. Zum sogenannten Warmup. Das war verrückt. (lacht) Und es war völlig egal, ob wir das zweite Spiel innerhalb von 48 Stunden hatten, er hat es vor jedem Spiel gemacht. So war Dirk. Nellie und ich haben versucht, Dirk immer freie Tage zu geben. Aber zusammen mit Nash, oder später mit Jason Terry, hat er trotzdem an jedem freien Tag einen Ort gefunden, um doch wieder zu trainieren. Heutzutage nehmen sich die Stars so viele Pausen, sie wollen nicht back-to-back spielen, sie wollen keine harten Training Camps haben, alle wollen sich für die Playoffs schonen. Dirk hat sich nie geschont. Für nichts. Niemand hat je härter gearbeitet als Dirk. Ich übertreibe nicht. Wirklich nicht. Ich weiß, dass es so klingt, aber es ist die Wahrheit.

Del Harris über Dirk Nowitzkis Einfluss auf den Basketball

Wie hat Dirk aus Ihrer Sicht als Spielertyp den Basketball generell transformiert?

Harris: Es gibt keinen Zweifel, dass er den Basketball transformiert hat. Auch wenn Dirk nicht der erste Seven-Footer war, der Dreier geschossen hat. Jack Sikma hat bei mir in Milwaukee gespielt und in einer Saison über 200 Dreier genommen. Und 38 Prozent davon getroffen. Die Dreierquote hat sich in den vergangenen 15 Jahren übrigens nicht großartig verändert in der NBA, es werden viel mehr Dreier genommen, aber besser getroffen wird nicht. Jack war jedenfalls ein ungewöhnlicher Spieler. Er war auch der erste Seven-Footer, der von der Foulinie über 90 Prozent geschossen hat. In Milwaukee haben wir am Ende des Trainings immer einen Shooting-Contest zwischen den großen und den kleinen Jungs gemacht. Bei mir haben immer die Großen gewonnen. (lacht) Auch weil ich weitere große Leute hatte, Brad Lohaus zum Beispiel, die gute Schützen waren. Aber so richtig durchgesetzt hat es sich nicht. Das kam dann erst mit Dirk.

Warum kam es erst mit Dirk?

Harris: Dirk war jung und der Wurf von außen war so ein wichtiger Part seines Spiels. Gleichzeitig sind andere europäische Spieler in die NBA gewechselt, die wie Dirk ein starkes Perimeter-Game auszeichnete. Im FIBA-Basketball wurde das Low-Post-Game nicht betont, auch wenn wir beispielsweise mit China und Yao Ming bei den Olympischen Spielen 2004 zeigten, dass man auch ein Spiel im Low Post gewinnen kann. Damals haben wir immerhin Serbien als amtierenden Weltmeister geschlagen. Aber generell war das nicht der Stil in Europa. Für die europäischen Spieler war das ein Vorteil, auch weil sie super im Ballhandling waren. Dirk war brutal stark darin, nach einem langen Rebound den Ball nach vorne zu bringen und Plays zu kreieren. Er war der erste Seven-Footer, der das konstant machen konnte. Jetzt haben wir die Nikola Jokics dieser Welt und es ist normal geworden, aber vor 20 Jahren war das noch ganz anders. Damals war Dirk der einzige Spieler, dessen Spiel zu einem integralen Teil aus seinem Schuss von außen und seiner Fähigkeit, den Rebound zu pflücken und den Ball nach vorne zu tragen, bestand. Es kam dann auch nicht von ungefähr, dass wir in den Nellie-Jahren, und auch in den Jahren unter Avery Johnson, die Liga im Scoring anführten.

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