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NBA Legenden-Serie: Ray Allen - Ein Wurf wie aus einem Guss

Ray Allen hat die meisten Dreier aller Zeiten versenkt.
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Allen: Trade nach Boston verändert das Kräfteverhältnis

Konsequentes Miss-Management war in Seattle aber an der Tagesordnung, durch schlechte Trades und Signings schwächte man sich immer wieder selbst. Im Sommer 2007 profitierte Allen wiederum selbst davon und wurde für Jeff Green, Wally Szczerbiak und Delonte West zusammen mit Glen Davis nach Boston geschickt. Einen Monat später kam auch noch Kevin Garnett aus Minnesota und die neue Big Three zusammen mit Paul Pierce war entstanden.

Es war ein hohes Risiko, welches Boston mit diesem Experiment einging, doch es funktionierte, weil alle drei Veteranen (alle bereits über 30) Opfer brachten und mit Rajon Rondo als Spielmacher ein junges, erfrischendes Element hinzukam. Auch Allen passte sich an und wurde mehr und mehr zum überqualifizierten Rollenspieler und Schützen.

Im Halbfeld-Basketball der Celtics flitzte Allen um massenweise Screens und ließ den Spalding bevorzugt aus den Ecken oder im Fastbreak mit seinem schnellen Release fliegen. In seinen fünf Jahren in Beantown versenkte Allen über 40 Prozent aus der Distanz und knackte später auch noch den Dreierrekord von Reggie Miller, der die Laudatio für Allens Hall-of-Fame-Einzug hielt.

Ray Allen: Vorbild Reggie Miller

Killer Miller war stets eine Inspiration für den jungen Allen, ein Spieler, der wie er hart arbeitete, mental unglaublich stark war und ebenfalls einen tödlichen Jumper besaß. Doch während Millers Würfe, zumeist mit dem ausgestreckten Bein, nach harter Arbeit aussahen, war der Wurf von Allen wie am Reißbrett entworfen. Auch wenn Allen nicht müde wurde zu betonen, wie viel Arbeit dahintersteckte.

Ähnlich viel Arbeit mussten auch die Celtics für ihren Titel investieren und quälten sich mit gleich zwei Serien über die volle Distanz durch den Osten und später zum Titel, doch am Ende stand nur das Ergebnis und ein Finals-Erfolg über den Erzrivalen aus L.A. Allen stellte dabei mit sieben verwandelten Dreiern einen neuen Finals-Rekord im Clincher in Spiel 6 auf, den er zwei Jahre später noch einmal übertraf. Damals nahmen die Lakers jedoch Revanche und gewannen nach sieben Partien.

Ray Allen: Differenzen mit Rondo und ein unrühmlicher Abgang

Doch an der Big Three nagte der Zahn der Zeit, auch intern gab es erste Probleme, vor allem zwischen Allen und dem aufstrebenden Rondo. In seinem Buch schilderte der Hall of Famer, dass Rondo mehr Einfluss haben wollte und mit Absicht nicht mehr zu Allen passte. Erschwerend kam hinzu, dass 2010 in Miami eine neue Macht erwachte, als sich LeBron James und Chris Bosh den Heat um Dwyane Wade anschlossen.

Die Celtics scheiterten in der Folge gleich zweimal am neuen Rivalen in den Playoffs und es kamen Gerüchte über das Aufbrechen der Big Three auf. Coach Doc Rivers wollte Allen zum neuen Sixth Man machen, gleichzeitig kamen auch Tradegerüchte auf, auch wenn der alternde Guard bis zu seinem Vertragsende blieb.

Im folgenden Sommer ließ er aber die Bombe platzen und ging als Free Agent tatsächlich nach Miami. Allen verzichtete dabei auf jede Menge Geld und akzeptierte auch die Bankrolle, die er bei den Celtics noch ablehnte. Über seine Entscheidung informierte er niemandem in Boston, die stolzen Celtics spuckten Gift und Galle. Selbst heute haben sich lediglich Pierce und Coach Rivers mit Allen versöhnt, mit KG und Rondo herrscht dagegen weiterhin Eiszeit.

"Alle Celtics-Spieler waren vertraglich gebunden, nur ich nicht", erinnerte sich Allen später. "Mir wurde nur das angeboten, was übrig blieb. Es gab keinerlei Verhandlungsspielraum für mich."

Allen, der Trainings-Weltmeister

Die Heat freute es, sie bekamen einen weiteren Veteranen, der mit seinem Trainingseifer auch in Miami Standards setzte. Seine Rituale vor den Spielen blieben immer gleich und streng durchgetaktet. Ein Nickerchen von 12 bis 13 Uhr, danach Mittagessen (Hühnchen mit Reis) um 14.30 Uhr. Danach fuhr Allen zur Halle, begann das Stretching um 15.45 Uhr und rasierte sich anschließend den Kopf. Genau drei Stunden vor Tip-Off betrat er das Feld und nahm methodisch von allen Stellen des Courts seine Jumper.

Eine Rolle spielte dabei auch eine Zwangsstörung, die zwar nie diagnostiziert wurde, von der Allen jedoch wusste, wie er 2008 zu ESPN sagte. Er kann kein Stück Papier auf dem Boden liegen lassen, er braucht alles sauber, ordentlich und symmetrisch - auch beim Basketball, was seine fast manischen, immer gleichen Routinen vor Spielen begründete.

Das hinterließ natürlich Eindruck, besonders bei Coach Erik Spoelstra. "Wir nannten ihn 'Everyday Ray'. Er arbeitete einfach jeden Tag, wirklich jeden Tag. Seine Arbeitsmoral und Disziplin suchte seinesgleichen in der Liga", adelte Spo den Hall of Famer.

Selbst einen Wurf wie in den Finals gegen die Spurs trainierte Allen laut Spoelstra tausendfach mit einem selbst erfundenen Drill, den der Coach so nie zuvor gesehen hatte. "Er lag unter dem Korb, sprang hoch und lief rückwärts in die Ecke, um dann den Pass zu fangen und sofort zu werfen. Er sagte mir, dass dies für Situationen nach Offensiv-Rebounds nützlich sei. Es werde Momente geben, in denen man zur Dreierlinie muss, ohne die Zeit zu haben, nach unten zu schauen." Wie recht er behalten sollte.

Allen: Der (noch) beste Dreierschütze aller Zeiten

Keine Episode könnte wohl die Karriere von Allen besser zusammenfassen als diese. Der noch beste Dreierschütze aller Zeiten (Steph is coming!) hatte sicher ein gewisses Talent zum Werfen, doch veredelt wurde dies durch knallharte Arbeit, die nur wenige Menschen in dieser Form investieren würden. Zwei Titel, zehn All-Star-Nominierungen, ein All-NBA Second- (2005) sowie ein All-NBA Third Team (2001) sprangen dabei heraus, hinzu kommen zahlreiche Wurfrekorde, die teilweise noch immer Bestand haben.

"Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Es sind einfach nur langweilige Angewohnheiten", beschrieb Allen nüchtern seine Wurfstärke. Als 2014 die Heat wieder zerbrachen, jagten einige Teams den Edel-Schützen, nur war Allen zu stolz, lediglich den Mentor zu geben. Über Jahre gab es Gerüchte um ein neues Engagement, erst zwei Jahre nach seinem letzten Spiel zog Allen endgültig einen Schlussstrich, auch wenn er selbst jetzt noch auf Knopfdruck Dreier in den Korb nageln könnte.

An der Verfassung von Allen gab es sowieso keine Zweifel. Auch fernab des Spielbetriebs hielt er sein Trainingsprogramm aufrecht und war stets bereit. Diese Bereitschaft, mehr zu opfern als andere, war der Garant dafür, dass der 43-Jährige nun in die Ruhmeshalle in Springfield, Massachusettes aufgenommen wird.

Auch dass Allen in seiner Karriere unzählige Clutchshots netzte, war kein Zufall. "Ich werde als Clutch-Spieler gesehen, weil ich so viele Würfe im vierten Viertel getroffen habe. Dazu muss man topfit sein, um sein Niveau im vierten Viertel zu halten. Andere Spieler ließen nach, ich wurde nicht müde", hatte Jesus Shuttlesworth auch dafür eine einfache Erklärung. Allen war der lebende Beweis dafür, dass Talent alleine nicht reicht.

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