NBA

Endlich Superstar?

John Wall ist bei den Wizards unumstritten
© getty

An John Wall scheiden sich die Geister. Er hat den Anspruch, zu den besten Spielern der Liga gezählt zu werden, wird aber oft übergangen. Das hat seine Gründe - doch die Entwicklung des Franchise Players der Wizards ist noch nicht zu Ende.

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LeBron James, Stephen Curry, Kevin Durant oder James Harden - wenn über die besten Spieler der NBA gesprochen wird, dann fallen einige Namen mit großer Gewissheit.

Nun ist diese Liste natürlich stets erweiterbar oder kann durch positionsbezogene Rankings ersetzt werden. Dann ist klar: Curry, Russell Westbrook oder Chris Paul sind die absolute Elite auf der Eins. Und so weiter.

Ein Spieler taucht in diesen Rankings ziemlich selten an der Spitze auf: John Wall. Am Franchise Player der Washington Wizards scheiden sich die Geister. Ist er ein Superstar? Oder "nur" ein All-Star? Kann er einem Team zu großen Erfolgen verhelfen?

John Wall: "Der beste "Two-Way-Point-Guard der Liga"

Heute, am 6. September 2017, wird Wall 27 Jahre alt und ist damit endgültig im besten Basketball-Alter angekommen. Das Ende der Fahnenstange bei seiner Entwicklung ist aber noch nicht erreicht, trotz seiner 23,1 Punkte und 10,7 Assists - beides Karrierebestwerte, wohlgemerkt - in der abgelaufenen Saison.

"Ich bin der beste Two-Way Point Guard der Liga", erklärte er jüngst in einem Interview gegenüber Ballislife sein Selbstbild. An Selbstvertrauen hat es ihm noch nie gemangelt - niemanden hätte es überrascht, wenn er die Aussage ohne den Zusatz ‚Two-Way' getroffen hätte.

Denn Wall will der Beste sein, immer. "Es ist ganz egal, mit wem ich auf dem Feld stehe oder mit wem ich trainiere. Wenn ich ein Workout mit Durant oder LeBron habe, gehe ich aufs Parkett und gehe davon aus, der bessere Spieler zu sein", sagte er im gleichen Interview.

Sich auf eine Stufe mit LeBron oder KD zu heben, klingt natürlich gewagt, passt aber zu Wall. Ohne seine Alles-oder-Nichts-Einstellung wäre er nicht da, wo er heute ist - sondern "wahrscheinlich im Knast", wie er einst gegenüber ESPN erklärte. "Es gibt wahrscheinlich viele Spieler innerhalb der Liga, die das behaupten, aber ich habe keinen Grund, darüber zu lügen. Ohne Basketball wäre ich im Gefängnis, wie mein Vater", fügte Wall an. Sein Vater saß mehrere Jahre wegen bewaffneten Raubüberfalls im Gefängnis und starb einen Monat, nachdem er entlassen wurde, an Krebs. Wall war zu diesem Zeitpunkt acht Jahre alt.

Wizards: Alle Hoffnungen ruhen auf Wall

Von da an setzte John alles auf die Karte Basketball - und zweifelte nie an sich selbst und seinen Chancen, etwas Großes zu erreichen. Direkt nach dem Draft 2010 soll er seiner Mutter eine Villa mit sieben Schlafzimmern gekauft haben, um zu sagen: Ich habe es geschafft, und ich bin noch nicht fertig.

Von den Wizards, die ihre Zukunft in seine Hände legten, erhielt er großes Vertrauen. Seit dem (endgültigen) Karriereende von Michael Jordan im Washington-Trikot fehlte es an Identifikations- und Starfiguren in der Hauptstadt, was Wall mit seinem spektakulären Spielstil wieder ändern sollte.

Schließlich kam der explosive Guard kam mit dem Ruf in die Liga, der vielleicht schnellste Spieler der Liga werden zu können. Sein erster Schritt war atemberaubend, seine Athletik und sein Körperbau schon in seinem Rookie-Jahr auf sehr hohem NBA-Niveau. In D.C. gab es die Hoffnung, in Wall den nächsten Superstar des Basketball-Universums gefunden zu haben.

Wall: Viel mehr als nur Athletik

Das ist jetzt sieben Jahre her - Zeit also für ein Zwischenfazit.

Nach drei mittelmäßigen Saisons erfolgte der Durchbruch von Walls Wizards in der Saison 2013/14, als sie erstmals mit dem No.1-Pick die Playoffs erreichten und Wall als All-Star debütierte. Der Hoffnungsträger hat sich in seinen sieben Saisons kontinuierlich gesteigert und vor allem sein Spiel angepasst.

Zwar profitiert er immer noch primär von seiner Explosivität und seinem Antritt - vermutlich ist er der schnellste Spieler der Liga - doch Wall agiert deutlich überlegter. Die Athletik-Brechstange packt er selten aus, stattdessen hat er Floater, Runner, Pullup-Jumper oder auch Post-Moves in sein Repertoire aufgenommen, um sein Waffen-Arsenal zu erweitern. Das tut auch seinem Körper gut: Denn nach der Saison 12/13, in der er rund die Hälfte aller Spiele verpasste, spielten Verletzungsprobleme trotz Operationen kaum eine Rolle.

Auch im Playmaking hat Wall eine starke Entwicklung durchgemacht. Er hat kein Problem damit, den Spalding aus der Hand zu geben und sich abseits des Balles zu bewegen. Vergangene Saison war bereits die dritte in Folge mit zweistelliger Assist-Ausbeute für Wall.

Wall: Immer noch keine Elite

Und trotzdem: Zur absoluten Elite gehört er - auch rein auf die Point-Guard-Position bezogen - nicht. Denn Jungs wie Curry oder Westbrook haben eine Entwicklung genommen, die keiner vorausgesehen hat und die den Trend hin zum Score-First-Point-Guard eingeleitet haben.

Was Wall fehlt, ist der verlässliche Dreier. Sicher, es gibt Spiele, in denen er auch von Downtown eine Gefahr ist. Gepaart mit seinem Antritt ist er dann kaum zu verteidigen - doch diese Tage sind die Ausnahme. Noch nie in seiner Karriere traf Wall mehr als 35 Prozent von jenseits der Dreierlinie. Vor allem in Game 7 gegen die Celtics, als deren Defense gegen ihn immer wieder absank, war das ein Problem.

Dafür punktet Wall in der Verteidigung. Seine "Two-Way"-Aussage lässt schon erahnen, dass er dem hinteren Ende des Feldes eine ebenso hohe Bedeutung beimisst wie dem vorderen. Seine ungewöhnlich langen Arme, sein stabiler Rumpf und die schnellen Beine ermöglichen es ihm, vor nahezu jedem Gegner zu bleiben, auch im Pick-and-Roll. Zusammen mit CP3 ist er wohl der beste On-Ball-Verteidiger auf der Eins.

Kobe Bryant: Herausforderung für Wall

Das ist auch einem gewissen Kobe Bryant nicht verborgen geblieben, der bei Twitter fleißig "Challenges" für aktuelle NBA-Spieler bekannt gibt. Während Giannis Antetokounmpo doch bitte MVP werden soll, hat Kobe für Wall das Erreichen des All-Defense First Teams zum Ziel ausgerufen. Dessen Reaktion: "Say no more". Walls Problem: Mit Defense schafft man es nicht ins hellste Spotlight. Das dürfte ihn ärgern, auch wenn er nach außen immer kühl und distanziert wirkt.

Seine Wertschätzung hat er mittlerweile aber trotzdem erhalten: Von den Wizards-Fans und dem Front Office in der Hauptstadt sowieso. Ende Juli erhielt er eine Vertragsverlängerung zu maximalen Bezügen, womit er gehaltstechnisch in die Superstar-Liga aufsteigt. In der Saison 2019/20 wird er 37,8 Millionen Dollar verdienen, in den beiden Folgejahren über 40 Millionen. Das ist auf einer Stufe mit James Harden und nur ganz knapp unter der von Curry.

Ihm bleiben nun also weitere zwei Jahre, um zu beweisen, dass er auch sportlich in diese Kategorie gehört. Besonders viel muss er dafür nicht mehr tun.

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