NBA

Kleine Franchise verliert großes Gesicht

Von Jan Menzner
Die Fans in Utah verehrten Gordon Hayward
© getty

Die Offseason 2017 wird den meisten Jazz-Fans als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem Gordon Hayward beschlossen hat, dem Salzsee den Rücken zu kehren. Doch die Franchise war auch abgesehen von dem Top Free Agent eine der aktivsten des Sommers. Die Offseason-Analyse.

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Die Transaktionen der Utah Jazz

Bereits Anfang Oktober zog die Franchise die Optionen der Spieler Dante Exum (für 5 Millionen US-Dollar), Trey Lyles und Rodney Hood (je 2,4 Mio.). Gleichzeitig wurde der Vertrag mit Center Rudy Gobert verlängert. Der Defensivspezialist kassiert über die nächsten vier Jahre 102 Millionen Dollar.

Außerdem investierte Jazz-GM Dennis Lindsey seinen 2018er Erstrundenpick, um Ricky Rubio von den Minnesota Timberwolves loszueisen.

Für Aufregung sorgten die Jazz am Draftday, als sie zwei Mal hochtradeten: Josh Hart (#30) und Thomas Bryant (#42) wurden mit dem Los Angeles Lakers für deren Rookie-Center Tony Bradley (#28) getauscht.

Tylor Lordon (#24) schickte Utah gemeinsam mit Trey Lyles nach Denver - dafür kam Combo-Guard Donovan Mitchell (#13). An 55. Stelle wählten die Jazz außerdem noch Nigel Williams-Goss.

Point Guard George Hill schloss sich in der Folge den Sacramento Kings an, Shelvin Mack zog es nach Orlando und Boris Diaw wurde gewaivt. Center Jeff Whitey kam bei den Dallas Mavericks unter und Gordon Hayward entschied sich für einen Tapetenwechsel.

Um die abgewanderten Spieler zu ersetzen, verpflichtete GM Lindsey die Free Agents Jonas Jerebko (2 Jahre/8,2 Millionen), Thabo Sefolosha (2 J./10,5 Mio.) und Royce O'Neal (3 J./3,8 Mio.).

Ekpe Udoh darf nach zwei Jahren bei Fenerbahce wieder zurück in die NBA und Joe Ingles unterschrieb einen neuen Vertrag, der ihm 52 Millionen Dollar über vier Jahre garantiert.

Die Strategie der Utah Jazz

Nach der erfolgreichen Vorsaison hatten die Jazz in diesem Sommer ganz klar einen Plan A: Gordon Hayward halten, punktuell verbessern und möglicherweise den Homecourt-Advantage in den Playoffs angreifen.

Mit Goberts Vertragsverlängerung stellte man Hayward langfristig einen Co-Star in Aussicht, der besonders defensiv zur absoluten Elite zählt. Beim Draft sorgte man für frisches Blut und potentiell mehr Scoring in Person von Mitchell, ohne einen Star abzugeben.

Auch der Trade für Ricky Rubio sollte Hayward wohl ködern. Mehrere Quellen, darunter der BleacherReport und ESPN-Frau Ramona Shelburne berichteten, der Small Forward habe die Jazz gezielt um einen Trade des passstarken Rubios gebeten.

Doch obwohl die Jazz alles Franchise-mögliche unternahmen, entschied sich Hayward gegen das gemachte Bett in Utah. Das Gras - oder die Kleeblätter - auf der anderen Seite waren einfach grüner.

Ab dem 14. Juli hatte GM Lindsey dann die Wahl: Alles einreißen und absoluter Rebuild, oder Schadensbegrenzung und Reload? Es wurde Zweiteres.

Lindsey musste hier pragmatisch denken: Ein Contender wären die Jazz in keinem Fall gewesen, bei einem Rebuild hätte man Goberts Prime nicht genutzt und der Reload bietet den Vorteil, dass der mögliche zukünftige Kern um Mitchell, Hood und Gobert mehr Playoff-Erfahrungen sammeln kann.

Plan B manifestierte sich in der Folge in einer Stärkung des Jazz-Kaders in der Breite: Sefolosha, Jerebko und Udoh waren sicher nicht die größten Fische im Free-Agency-Teich, doch sie waren bezahlbar. Besonders Udoh, der in der EuroLeague für Fenerbahce 12 Punkte und 6,5 Rebounds pro Partie verzeichnete, könnte sich als Steal entpuppen.

Vergleicht man den heutigen Kader mit dem der letzten Saison, haben die Jazz sich auf den Guard-Positionen tatsächlich verbessert - neben Rubio, Burks und Hoffnungsträger Mitchell stehen mit Exum und Hood auch noch zwei preiswerte Alternativen im Roster, die möglicherweise den nächsten Schritt machen.

Auch die Big-Man-Rotation sieht nicht schlechter aus als vergangenes Jahr: Neben dem Stifle Tower als Fixpunkt hat Head Coach Quin Snyder mit Rookie Tony Bradley einen 2,08 Meter großen Rebounder mit guter Antizipation zur Verfügung ins Boot geholt.

Die Schwachstellen der Utah Jazz

Die Jazz erzielten in der vergangenen Saison die drittwenigsten Punkte aller Teams und spielten außerdem die drittwenigsten Assists. Das Ball Movement sollte sich zwar sofort verbessern, wenn Rubio das Zepter schwingt, durch den Abgang der starken Dreier-Schützen Hayward (39,8 Prozent) und Hill (40,3) wurde aber vor allem das Scoring-Problem noch vergrößert.

Können Ingles und Johnson die Dreier-Quoten über 40 Prozent bestätigen? Sehen wir den Prä-Allstar-Weekend Rubio oder den aus dem Saisonendspurt? Wie groß ist der direkte offensive Einfluss der Neuzugänge Mitchell, Udoh, Sefolosha und Co.? Die Offensive ist ein einziges großes Fragezeichen - oder viele kleine.

Folgendes ist jedoch klar: Lässt Snyder wie erwartet Rubio und Gobert gemeinsam starten, muss er die restlichen drei Positionen möglichst mit Scorern besetzen - beispielsweise mit Johnson auf der Vier, Ingles als Small Forward und Hood oder Mitchell auf Shooting Guard.

Hier kommt auch ihre neugewonnene Tiefe der Jazz zur Geltung: Thabo Sefolosha und Jonas Jerebko treffen beide rund 35 Prozent von Downtown und könnten damit für Scoring-Entlastung von der Bank sorgen.

Der Hoffnungsträger der Utah Jazz

Donovan Mitchell ist der Schlüsselspieler für einen Erfolg von Plan B. Im Roster hat er den größten Upside. Als starker Defender passt der 20-Jährige gut ins Jazz-Spiel und kann aufgrund seiner Länge auch die größeren Positionen verteidigen.

Gleichzeitig geben seine Offensiv-Explosionen in der Summer League Grund zur Hoffnung, dass Mitchell auch auf dieser Seite des Korbs direkt einen Einfluss nimmt.

Egal ob man sich seine Debüt-Perfomance in Utah mit 23 Punkten und fünf Assist, den 28-Punkte-Schnitt in Las Vegas oder das Spiel gegen Memphis anschaut, in dem er den Grizzlies acht Mal den Ball klaute: Mitchell scheint NBA-ready zu sein und kann sofort Minuten übernehmen.

Auch von Rudy Gobert hängt vieles ab. Der All-Defense-Center führte im vergangenen Jahr eine Defense an, die die wenigsten Punkte der Liga kassierte. Der 25-Jährige ist in seiner Prime angekommen und hat im Sommer ordentlich abkassiert - jetzt muss er den Erwartungen gerecht werden.

Das Fazit

Die Bewertung der Jazz-Offseason hängt vor allem von einer einzigen Frage ab: Kann man der kleinen Franchise vom Salzsee ankreiden, dass ihr potenzieller Franchise-Player lieber für ein besseres Team mit größerem Markt und längerer Historie spielt?

Dass Lindsey sich trotz der Abgänge gegen den Umbruch entschieden hat, ist mutig und nachvollziehbar: Die Jazz werden auch in der kommenden Saison wieder eine Top-Drei-Defense haben, die sie bis in die Playoffs führen kann. ESPN prophezeit den Jazz immerhin 44,7 Wins, obwohl zwei ihrer Stars das Weite gesucht haben. Das liegt auch an einem - Stand jetzt - klugen Draft-Trade.

Die Jazz haben ihren Plan B zielsicher durchgezogen und dürfen so auch 2018 auf Playoff-Basketball hoffen. Der kleinen Franchise vom Salzsee reicht das fürs Erste.

Die Note: 3-

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