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Der fiese Junge macht alles kaputt

Kevin Durant entschied das dritte Spiel gegen die Cleveland Cavaliers
© getty

Spiel 3 der NBA Finals war der ultimative Beweis, dass es übermenschliche Kräfte braucht, um diese Golden State Warriors zu schlagen. Dabei sah es kurz so aus, als verfiele das Team gegen die Cleveland Cavaliers in die gefürchteten Muster von 2016. Bis Kevin Durant den wichtigsten Wurf seiner Karriere traf.

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Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine Horde kleiner Jungs baut am Strand eine Sandburg. Nach knapp zwei Stunden ist diese Sandburg so groß und schön, dass selbst die Sorte von Leuten verstummt, die den Jungs gar nichts mehr zugetraut hat. Denn genau diese Jungs haben zuvor ordentlich Lehrgeld gezahlt und waren erst nicht in der Lage, den übermächtigen Wellen des Meeres, das keine Erbauung einer fremden Burg zulassen wollte, standzuhalten.

Doch diesmal sah es - wie gesagt - besser aus und die Sandburg erstrahlte prächtig am Strand. Aber dann das: Kurz bevor die letzte Mauer geschlossen und das letzte Dach vollendet war, kommt ein großer, fieser Junge mit noch fieserem Grinsen daher und stampft die Burg mit Schuhgröße 50 in Grund und Boden. Und grinst dabei.

Dieser Junge heißt Kevin Durant. Sonderlich beliebt ist er nicht - aber das ist ihm egal. Er zieht einfach sein Ding durch und ordnet alles dem einen großen Ziel unter. Dieses Ziel ist natürlich nicht, Sandburgen am Sand zu zertreten, sondern seine erste Championship zu gewinnen. In Spiel 3 der Finals hat er einen Riesenschritt in diese Richtung gemacht und die metaphorische Sandburg von LeBron James, Kyrie Irving und Co. gnadenlos zertrümmert.

Durant: Der wichtigste Wurf der Karriere

Bis kurz vor Schluss sah es so aus, als würden die Dubs die erste Niederlage der Postseason einstecken müssen und Spiel 3 der Finals - genau wie im Vorjahr - verlieren. Doch während der Gegner bereits aus dem letzten Loch pfiff, hatten sie noch einige Pfeile im Köcher. Dass dies so war, war auch der Tatsache geschuldet, dass ein KD fünf Minuten weniger auf dem Tacho hatte als beispielsweise LeBron, was auf diesem Niveau ein Unterschied sein kann wie ein Halbmarathon.

Golden State beendete das Spiel mit einem 11:0-Run, nachdem die Cavs das vierte Viertel über weite Strecken dominiert hatten. 7 dieser Punkte erzielte Durant, darunter eben den jetzt schon legendären Dreier 45 Sekunden vor Schluss über LeBron James, der dem Gegner das letzte Fünkchen Hoffnung raubte.

Es war zweifellos der wichtigste Wurf in Durants Karriere. "Ich habe schon mein ganzes Leben an genau diesem Wurf gearbeitet. Es war befreiend, zu sehen, wie er reingegangen ist", sagte der Übeltäter anschließend.

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Spiel 3 war der letzte Beweis dafür, dass dieses Warriors-Team auf alles eine Antwort hat. Vor den Finals gab es noch die Fragezeichen, wie es wohl reagiert, wenn es in der Crunchtime mal eng zugeht oder der Gegner gar führt. Schließlich gab es dieses Szenario seit einer halben Ewigkeit nicht mehr - auch nicht in den ersten beiden Spielen gegen Cleveland.

Curry: "Alles sehr geruhsam, wirklich"

Zunächst sah es jedoch tatsächlich so aus, als würden die Dubs in Iso-Muster verfallen, die 2016 den Titel gekostet haben. Gerade im dritten Viertel, als Irving praktisch jeden Wurf traf, verloren die Dubs ihr Konzept. Hatten sie in der ersten Halbzeit noch 21 Assists bei 23 Field Goals gespielt, kamen im dritten Viertel nur 4 Assists dazu. KD blieb in besagten 12 Minuten bei 0/3 aus dem Feld und erinnerte an Plays, für die er in OKC hart kritisiert wurde und auch Curry nahm einige fragwürdige und überhastete Abschlüsse.

Doch schenkt man den Worten von Curry Glauben, hat sie das alles nicht tangiert. "Es gab keine Panik", sagte er nach dem Spiel. "Es war die ganze Zeit...sehr geruhsam, wirklich." Geruhsam? In so einem Spiel? Die Art und Weise, wie KD das Geschehen am Ende an sich gerissen hat, bestätigt das.

"Er wusste, dass das sein Moment werden würde. Er ist schon seit vielen Jahren einer der unglaublichsten Spieler der Liga. Und in solchen Momenten fühlt er, dass seine Zeit gekommen ist", lobte Head Coach Steve Kerr seinen Schützling.

Kerr war es, der in den vielen Auszeiten in der zweiten Halbzeit immer wieder ansprach, den Mitspielern zu vertrauen und den Ball weiter laufen zu lassen. Das mag ein sehr altes Mantra ein, das diesmal aber anzog: Der Ball wurde in den richtigen Momenten den richtigen Leuten überlassen, die dann die richtigen Entscheidungen trafen. Und all das in dem Selbstverständnis, dass ein überragendes Duo auf der anderen Seite bei weitem nicht reicht, um die Dubs-Maschinerie zu stoppen.

Thompson ist zurück

Zu diesem Selbstverständnis gehört auch, dass man nicht nur offensiv, sondern eben auch defensiv die Elite der Liga stellt. Niemand sollte sich von den verrückten Irving-Layups täuschen lassen; sein primärer Gegenspieler Thompson ist der vielleicht beste On-Ball-Defender der NBA - zumindest im Backcourt.

Klay war es, der nach dem KD-Dreier die Isolation von Uncle Drew so überragend verteidigte, dass dessen Wurf selbst für seine Verhältnisse zu schwer war. Zuvor hatte er Curry nach einem Switch wild mit den Händen wedelnd weggeschickt, getreu dem dem Motto: Ab hier übernimmt der Papa. Curry trottete daraufhin von dannen beziehungsweise auf die Weakside zu J.R. Smith.

Apropos Thompson: Seit der Rückkehr von Kerr auf die Trainer-Bank hat der Splash-Brother seinen Shooting Slump überwunden. Spiel 2 war schon eine Warnung, Spiel 3 dann die Bestätigung: Mit 30 Punkten und 6/11 Dreiern war er hinter KD Topscorer seines Teams.

Nebenbei lieferte er die beschriebene zweitwichtigste Verteidigungs-Aktion kurz vor Schluss. Auch das sind halt die Warriors: Sie haben nie an ihm gezweifelt. Sie gaben ihm immer seine Würfe, in dem Wissen, dass er irgendwann wieder trifft. Einen besseren Zeitpunkt hätte er sich nicht aussuchen können.

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Ein weiterer Beleg dafür, dass die Dubs immer eine Waffe mehr in der Hinterhand haben, ist Andre Iguodala. Er riss im vierten Viertel die vollen 12 Minuten ab und schlug LeBron beim letzten verzweifelten Versuch, die Angelegenheit in die Verlängerung zu schicken, den Ball aus der Hand.

Cavs: Mehr Demoralisierung geht nicht

Nun stehen die Dubs also bei 15-0 - und es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie auch die letzte Playoff-Serie dieser Saison sweepen. Denn auch, wenn sie nach dem Spiel Parolen wie "es ist noch nicht vorbei", "wir können uns nicht ausruhen" und "der Job ist noch nicht erledigt" zum Besten gaben, wissen alle, dass diese Schlussphase als Definition von "demoralisieren" in den Duden aufgenommen werden kann.

Andre Iguodala bei den Warriors: Der König der kleinen Dinge

Wenn also LeBron und Co. in der Nacht auf Samstag wieder anfangen, ihre Sandburg zu formen, werden sie sich spätestens kurz vor der Fertigstellung an diesen fiesen Jungen erinnern, der sowieso alles kaputt macht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er ihnen beim nächsten Mal zusammen mit seinen Freunden schon die Schaufeln klaut, bevor es ernst wird.

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