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Unterhalte ich euch etwa nicht?

Draymond Green ist in den Playoffs voll in seinem Element
© getty

Die Golden State Warriors pflügen weiter durch die Liga und haben gegen Utah den sechsten Sieg in Folge eingefahren. Ihr MVP der Postseason ist bisher Draymond Green, der nicht nur wie ein Irrer verteidigt, sondern auf einmal auch noch zum Dreierkönig mutiert ist. Erneut fragt sich: Wer soll dieses Team überhaupt gefährden?

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Für einen ganz kurzen Moment hingen die Warriors am frühen Freitagmorgen (deutscher Zeit) in der Schwebe. Es ging dabei weniger um Spiel 2 gegen Utah - man führte rund sieben Minuten vor Schluss mit 10 Punkten und auch wenn sich Draymond Green anscheinend soeben verletzt hatte, hatte man ja immer noch zwei gewisse MVPs auf dem Court, die den Sieg schon nach Hause bringen könnten.

Es ging auch nicht wirklich um die Serie. Die Jazz sind ein sehr gutes Team, aber wie gesagt, zwei MVPs und so. Das einzige, was wirklich in der Schwebe hing, war das einzige, was für dieses Team zählt: der Titel. Und selbst darüber ließe sich wohl streiten. Die Warriors sind so abartig talentiert, dass nicht erst seit der Verletzung von Kevin Durant in der Regular Season darüber sinniert wird, ob man KD, einen der besten fünf (oder drei?) Spieler der Liga, bis zu den Finals überhaupt brauchen würde.

So merkwürdig das klingen mag, aber einen Ausfall von Durant könnten die Warriors wahrscheinlich wirklich eher kompensieren als eine Verletzung oder eine Sperre (hust) von Green. Draymond, und das hat er in Spiel 2 erneut unter Beweis gestellt, ist das wahre Einhorn der Liga - und damit der ultimative Cheatcode dieser Warriors.

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Umso glücklicher dürften sie gewesen sein, dass Green nach wenigen Minuten aus dem Locker Room zurückkehrte und nach dem Spiel sagte, sein Knie sei "in Ordnung", es habe nur etwas gezwickt.

Kein Problem mit Gobert

Ob die Dubs gegen den dominanten Jazz-Center Rudy Gobert effektiv klein spielen könnten, war eine der prägenden Fragen vor dieser Serie - Gobert (2,16m) ist schließlich einen ganzen Kopf größer als sein Konterpart Green (2,01m) in diesem Szenario. Spätestens jetzt weiß man: Ja, das können sie.

Green blockte den ersten Dunk-Versuch von Gobert in Spiel 2, und auch wenn der Franzose am Ende starke Zahlen auflegte (16 Punkte, 16 Rebounds), konnte er das halsbrecherische Tempo des "Death Lineups" mit Green auf Center nicht mitgehen. Dabei wurde Gobert teilweise auch von Durant verteidigt, der Spieler, der das Lineup überhaupt erst möglich machte, war jedoch Green.

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Man kann darüber diskutieren, wer der beste Verteidiger der Liga ist - Kawhi Leonard und auch Gobert haben dafür sicherlich gute Argumente. Green allerdings ist der vielseitigste, wobei ihm Giannis Antetokounmpo diesen Titel vielleicht irgendwann streitig machen wird - und das zeigt er in diesen Playoffs. Gegen Utah genau wie vorher gegen Portland.

Ein beweglicher, hochintelligenter Hydrant

Green ist der einzige Spieler, der alle fünf Positionen verteidigen kann und es auch wirklich tut (im Gegensatz zu LeBron James, der ebenfalls die Fähigkeiten mitbringt). Er übernimmt in wichtigen Situationen schnelle Guards wie Damian Lillard und kann sie auch im Eins-gegen-Eins vor sich halten, weil er flink, intelligent ist und eine enorme Spannweite hat.

Er ist trotz seiner Körpergröße aber auch einer der besten Postverteidiger der Liga, weil er mit seinem niedrigen Körperschwerpunkt gebaut ist wie ein Hydrant. Statistisch war er in der vergangenen Saison der beste Rim-Protector der Liga. Für ihn ist es nichts Außergewöhnliches, wenn er nacheinander Gobert und dann Gordon Hayward verteidigen muss. Vielmehr lebt er für diese Momente, auch wenn er natürlich nicht jedes einzelne Duell gewinnen wird.

"Mein Job als Verteidiger ist es, den Wurf zu erschweren", erklärte Green bereits nach Spiel 1. "Wenn ich das schaffe, habe ich einen guten Job gemacht, ob der Ball drin ist oder nicht." Ziemlich häufig fällt die Antwort darauf negativ aus, auch weil Green sensationell antizipiert und seinem Gegenspieler gedanklich häufig einen Schritt voraus ist.

Auf einmal Dreierkönig

All dies ist bekannt - nicht zu Unrecht hat Green ziemlich gute Karten auf den Defensive-Player-of-the-Year-Award. Dass er gegen Portland und auch gegen Utah defensiv dominieren würde, war aufgrund seiner Reputation zumindest zu erwarten gewesen. Folgendes aber nicht: Green hat mit 54,5 Prozent momentan die fünftbeste Dreierquote der Playoffs - und er hat deutlich mehr Triples getroffen (18) als alle vier Spieler vor ihm. Insgesamt haben überhaupt nur sechs Spieler mehr Dreier versenkt als er.

Woran das liegt? Zum einen spielt Green bekanntlich ziemlich häufig mit drei der besten Shooter der NBA-Geschichte zusammen. Wenn man KD, Curry und Klay Thompson vom Ballern abhalten will, ergeben sich zwangsläufig Freiräume für jemanden wie Green. "Ich bin in unseren meisten Matchups ziemlich offen. Daran wird sich so schnell wahrscheinlich nichts ändern", kommentierte Green nach Spiel 2 lapidar.

Was sich jedoch geändert hat, ist die Tatsache, dass er die Teams dafür neuerdings regelmäßig bestraft. In der Regular Season hatte Green noch 30,8 Prozent bei 3,5 Versuchen getroffen, jetzt sind es fünf Versuche und die erwähnte Topquote.

Man mag spekulieren, dass dies mit der Abwesenheit von Steve Kerr zu tun hat, der Green in der Vergangenheit für seine Dreier kritisiert hatte und ihm das grüne Licht nicht geben wollte - vergangene Saison schoss Green auch unter Interimscoach Luke Walton besser als unter Kerr. Unabhängig von der Ursache: Macht Green so weiter, sind die schier unschlagbaren Warriors noch ein bisschen unschlagbarer geworden.

Lässigkeit als Achillesferse

Spiel 2 gegen die Jazz war kein hoher Sieg. Es war auch kein vollends überzeugender Sieg - aber es war doch einer, der zu keinem Zeitpunkt in Gefahr war. Nicht, weil die Jazz nicht alles versucht hätten. Sondern vielmehr, weil Golden State immer nur dann kurzzeitig Probleme bekam, wenn das Team die Ernsthaftigkeit ablegte und mit Larifari-Pässen gegen die eigene Langeweile ankämpfte.

Kerr hat sich schon in den letzten Jahren regelmäßig über die gelegentliche Lässigkeit seines Teams beschwert und darauf hingewiesen, dass die Ballverluste eine Art Achillesferse seines Teams seien. Damals hatte man freilich aber auch noch keinen Durant, dem man in brenzligen Situationen problemlos den Ball geben und "Mach' mal bitte kurz zwei Punkte" sagen konnte. Derzeit wird man das Gefühl nicht los, dass neben Verletzungen und LeBron James die Hybris die größte und einzige Gefahr für dieses Team ist.

Alles schon entschieden?

"Die Playoffs sind bereits vorbei. Wir wissen es nur noch nicht", hatte ESPN-Experte Jeff Van Gundy schon vor der Postseason gesagt und damit gemeint, dass die Warriors ohnehin Meister werden würden. Womöglich wird er Recht behalten - bisher haben die Dubs sich nach jedem kurzen Lapsus zusammengerissen und sofort wieder einen dominanten Run hingelegt. Ernsthaft gefährdet war bisher keiner ihrer Siege.

Man muss fairerweise anerkennen, dass vor und während den Playoffs im letzten Jahr ganz ähnliche Töne angestimmt wurden, bevor sich in den Finals alles in Luft auflöste. Daran war Green mit seiner Suspendierung für Spiel 5 bekanntlich nicht ganz unbeteiligt.

Die Warriors gehen jedoch davon aus, dass ihr Spiritus rector seit dem berüchtigten Angriff auf die königlichen Weichteile nicht nur seinen Distanzwurf verbessert hat. Und solange Green sich im Griff hat, fällt es mittlerweile verdammt schwer, sich die Larry O'Brien Trophy ab Mitte Juni im Besitz irgendeines anderen Teams vorzustellen.

Das Playoff-Bracket im Überblick

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