NBA

Kein Bier vor Sieg Nr. vier?

LeBron James und seine Teamkollegen hatten beim Sieg über Toronto sichtlich Spaß
© getty

Die Cleveland Cavaliers haben das erste Spiel der Serie gegen die Toronto Raptors dominiert. Die Kanadier müssen sich dringend etwas einfallen lassen, um LeBron James und Co. Widerstand zu leisten. Dabei könnte auch ein eine gewagte Umstellung der Starting Five eine Option sein.

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"Ich bin nicht so der Bier-Typ. Wenn es Rotwein gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich einen Schluck genommen." LeBron James hatte Spaß. Sowohl auf der Pressekonferenz nach Spiel 1 gegen die Raptors als auch in den 48 Minuten zuvor.

Die Tatsache, dass der King auf der PK überhaupt über spielferne Themen wie Alkohol sprach, trägt die Kernaussage des Spiels bereits in sich: Die Raptors waren in der Auftaktpartie der Eastern Conference Semifinals schlichtweg keine Herausforderung für Cleveland.

Deshalb konnte es sich James auch erlauben, nach einem And-one-Layup Ende des dritten Viertels einer Servicekraft eine Bierflasche aus der Hand zu nehmen und so zu tun, als würde er einen genüsslichen Schluck nehmen. Zu diesem Zeitpunkt führten die Cavs bereits mit 18 Punkten und hatten über die gesamte Spieldauer keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie das Parkett als Sieger verlassen würden.

Wo war die Intensität?

Das Spiel war deutlicher als das Ergebnis. Den Raptors fehlten Zugriff auf die Partie und defensive Intensität - die beiden wichtigsten Dinge, wenn die Kanadier nicht nach vier Spielen in den Urlaub fahren wollen. Doch der Respekt war größer als der Wille, zu gewinnen. Toronto schaute nur zu, während James und Co. ihrem Spieltrieb freien Lauf ließen.

"Das passiert bei so einem Team wie ihnen", sagte Raptors-Coach Dwane Casey: "Es war bei jedem Team so, in dem LeBron gespielt hat. So war es bei Michael Jordan und auch bei Karl Malone. Es ist die menschliche Natur, solchen Spielern zuschauen zu wollen. Wir dürfen aber eben nicht in Ehrfurcht erstarren. Denn auch sie kochen nur mit Wasser. Wir müssen verstehen, dass wir rausgehen müssen und das kontrollieren, was wir kontrollieren können."

Doch leider konnten die Raptors im ersten Spiel nicht allzu viel kontrollieren, nicht einmal die eigene Offensive. Die Defense der Cavs gab den Ton an und zwang DeMar DeRozan und Kyle Lowry oft dazu, den Spalding abzugeben.

Die aggressiven Traps und Double-Teams führten dazu, dass die beiden Stars lediglich 29 Würfe nehmen konnten, während der Supporting Cast bestehend aus Serge Ibaka, Norman Powell und P.J. Tucker satte 36 Mal auf den Korb warf. Und wenn Cleveland Lowry oder DeRozan zum Abschluss kommen ließ, dann meist per Jumper, nur selten per Drive.

Schwachstelle Valanciunas

Im Gegensatz dazu hatten die Cavs auf die Verteidigung der Raptors stets die passende Antwort. Mit Jonas Valanciunas im Lineup liefen die Cavs das Pick-and-Roll bis zum Erbrechen und nutzten die entstehenden Mismatches clever aus. Zudem zogen sie den Litauer dank ihrer treffsicheren Big Men immer wieder aus der Zone. Ohne JV konnte allerdings niemand die Energie von Thompson unter dem Korb mitgehen.

Ob Valanciunas nun auf der Bank saß oder einen Schützen an der Dreierlinie verteidigen musste - den Ring beschützen konnte er nicht. Ohne Rim Protection war es gerade für LeBron ein Leichtes, zum Korb zu ziehen. Und entweder klingelte es daraufhin oder James ging an die Linie. Doppelten die Raptors den King, bedankte sich wenige Sekunden später ein offener Schütze für den Pass. Ein echtes Dilemma - ausgelöst durch die fehlende Möglichkeit, LeBron im Eins-gegen-Eins in Schach zu halten.

Schoßhündchen statt Kettenhund

Die vergangenen sechs Jahre haben gezeigt, dass ein überdurchschnittlicher Flügelverteidiger unabdingbar ist, um eine Playoff-Serie gegen ein LeBron-Team gewinnen zu können. Doch weder DeMarre Carroll noch Tucker waren in der Lage, gegen den besten Spieler der Welt ihren Mann zu stehen. James traf 13 seiner 22 Würfe für 35 Punkte, zudem trug er 10 Rebounds und 4 Assists zum Sieg bei.

"LeBron verändert die Dynamik komplett, er ist der Ausgangspunkt", so Casey: "Diese Bedrohung müssen wir zuerst kontrollieren und dann müssen wir einen Weg finden, zu den Shootern zu kommen. Er ist Quarterback, Point Guard, Power Forward, Small Forward und Shooting Guard. Er ist einfach alles."

Das Schlüsselproblem, das Toronto in dieser Serie hat, heißt LeBron. Eine Patentlösung gegen dieses Problem hat allerdings noch nie jemand gefunden - daher gilt die Aufmerksamkeit der Raptors in Bezug auf Veränderungen für Spiel 2 in erster Linie der Offensive. Denn hier können sie definitiv etwas verbessern. Die Cavs-Defense hat sich in der Regular Season nicht gerade als Sattelfest erwiesen, auch die Pacers legten in der ersten Runde satte 111 Punkte pro 100 Possessions gegen Cleveland auf.

Pöltl FTW?

Wie schon gegen die Milwaukee Bucks deutet sich also erneut eine Veränderung des Starting Lineups an. Der Retter der Erstrundenserie, Norman Powell, könnte für Valanciunas ins Team rücken, um mehr Feuerkraft beizusteuern. Doch auch über Jakob Pöltl könnte Coach Casey nachdenken.

Auch ohne österreichische Brille ist erschreckend, wie klein die Gefahr war, die von JV ausging. Selbst gegen den kleineren Love konnte er nicht scoren. Da Bismack Biyombo inzwischen bekanntlich in Orlando spielt und Backup Patrick Patterson keine verlässliche Scoring-Option ist, könnte es eine Möglichkeit sein, Pöltl von Beginn an zu bringen. Wenn auch eine sehr gewagte.

Der Rookie ist eine effektive Waffe im Pick-and-Roll könnte so die Defense der Cavs zum Rotieren zwingen. Dazu verschafft sein hartes Abrollen dem Ballführer, der Lowry oder DeRozan heißen sollte, Platz für den Wurf. Riskant? Sicher. Aber viel mehr Optionen hat Toronto aktuell nicht. Und sich ein zweites Mal von den Cavs so herspielen zu lassen, ist hoffentlich auch für Casey keine Option.

In your face

"Wenn sie dir ein paar Mal ins Gesicht geschlagen haben, dann kommt es darauf an, wie du reagierst", sagte der Coach: "Sie sind ein gutes Team, das wissen wir. Aber wir haben die gleiche Bilanz erspielt. Wir müssen mit mehr Selbstbewusstsein ins Spiel gehen. Das ist die Mentalität, die wir an den Tag legen müssen. Sie haben den ersten Treffer gelandet und das erste Spiel gewonnen. Das hat sich nicht gut angefühlt, aber es ist eine lange Serie."

Wenn den Raptors nicht bald etwas einfällt, dann wird es keine lange Serie, sondern eine Angelegenheit von noch exakt 144 Minuten. Und an deren Ende wird sich James dann mit Sicherheit wirklich einen Schluck gegorenen Traubensaft genehmigen.

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