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Geboren für den Moment

Kyrie Irving legte in Game 4 gegen die Celtics 42 Punkte auf
© getty

Dank der außergewöhnlichen Leistung von Kyrie Irving gewinnen die Cleveland Cavaliers Game 4 und fahren nun mit Selbstvertrauen nach Boston. LeBron James schwärmt von seinem Kronprinzen, der auf dem Court wie sein Alter Ego Uncle Drew auftritt.

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"Er wurde für diese Momente geboren!"

Die Antwort von LeBron James fiel kurz aus, als er direkt nach dem großartigen 112:99-Comeback-Sieg der Cavaliers auf seinen Teamkollegen Kyrie Irving angesprochen wurde. Der dreifache NBA-Champion hat in seiner Karriere schon viel gesehen und er hat schon einige Spiele erlebt, in denen Irving stellenweise das Spiel für ihn übernahm, unter anderem in den letztjährigen Playoffs. Game 4 der diesjährigen Eastern Conference Finals war dennoch irgendwie ein besonderes.

Es war so etwas wie die Gegenthese zur Behauptung, die Playoffs in dieser Saison wären langweilig. Strauchelnde Cavs, die lange Zeit nicht wie ein amtierender Champion aussahen, ein extrem enger Spielverlauf, einige verrückte Wendungen und Boston als Auswärtsteam, das lange am Ausgleich in der Serie knabberte. Schon früh entwickelte Game 4 so eine besondere Würze.

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Vor allem aber gebar dieses Spiel nicht nur einen oder zwei dieser Momente, die James ansprach, sondern gleich mehrere. Gleich mehrfach schien es deutlich in Richtung der Celtics zu kippen, gleich mehrfach stach Kyrie Irving genau dort zu und lieferte eine der bislang denkwürdigsten Leistungen in den diesjährigen Playoffs ab.

Foulprobleme für James? Keine Probleme für Cavs

Rein statistisch wären da natürlich die 42 Punkte, mit denen Irving einen persönlichen Punkterekord in den Playoffs aufstellte, oder die 9 getroffenen Feldwürfe bei 10 Versuchen im dritten Viertel. Doch abseits der an sich schon überragenden Zahlen waren es die von James angesprochenen Momente, die dieses Spiel von Irving so außergewöhnlich machten.

Der erste Moment ereignete sich Mitte des zweiten Viertels. James hatte sich gerade erst sein drittes Foul eingehandelt, als er auf dem Weg zum Korb Terry Rozier umstieß. Offensivfoul. Das insgesamt vierte für den King, der bis zu diesem Zeitpunkt nahtlos an seine dürftige Vorstellung aus Game 3 anknüpfte und auf der Bank Platz nehmen musste. Noch nie hatte James in seiner Karriere vier Fouls in der ersten Halbzeit eingesammelt.

Es war offensichtlich, dass die Cavs Probleme bekommen könnten. Boston führte schon mit 15 Punkten Vorsprung, als James gezwungenermaßen pausieren musste. Da stand den Cavs noch die letzte Hälfte des Viertels ohne ihren MVP bevor.

Zeit für den ersten Irving-Moment. "Ich wusste einfach, dass wir diesen Sieg brauchten und dass meine Teamkollegen mich in dieser Situation ohne LeBron brauchten", meinte der Spielmacher anschließend. Er alleine sorgte auf dem Court für einen 10:2-Run, der Cleveland bis zur Pause wieder heranbrachte.

Die Macht der Momente

Es waren beinahe erwartbare Punkte. Irgendwer musste schließlich in der Abwesenheit von James übernehmen. Uncle Drew traf während dieses Runs zwei schwierige Dreier. Die Celtics dürften zufrieden gewesen sein, derartige Würfe trifft man schließlich nicht am laufenden Band. Es sollte der zweite besondere Moment folgen.

Auch wenn die Cavs immer stärker wurden, hielt Boston den Vorsprung in der zweiten Hälfte noch einige Zeit aufrecht, als sich Mitte des dritten Viertels eine vermeintliche Schlüsselszene ereignete. Cleveland hätte erstmals seit den Anfangsminuten in Führung gehen können, als sich James bei einem komplett offenen Fastbreak-Dunk verstopfte und im Gegenzug einen And-One-Dunk von Olynyk eingeschenkt bekam.

Als das Momentum scheinbar wieder zugunsten der Celtics ausschlug, konterte Irving im Alleingang eiskalt. Beinahe war es wie in seinem ersten Pepsi-Werbespot, als Uncle Drew zunächst ein wenig verwarf, dann aber gegen die hilflosen Streetballer groß aufspielte, nur dass dieses Mal eben Edelverteidiger wie Avery Bradley und Marcus Smart chancenlos zusahen, wie Irving immer weitere irre Korbleger aus schier aussichtslosen Situationen verwandelte.

Ihr könnt mich heute nicht stoppen!

Schließlich blieb ein dritter Moment. Eine Schrecksekunde, als Irving beim Zug zum Korb unglücklich auf den Fuß eines Gegenspielers trat und dabei umknickte. Das Ende seines beispiellosen Laufs? Mitnichten. Kyrie band sich die Schnürsenkel fest, machte dort weiter, wo er aufgehört hatte und versenkte schließlich einen unglaublichen Stepback-Dreier. Das deutliche Zeichen: Ihr könnt mich heute nicht stoppen!

"Du darfst nicht so weit weg von ihm, weil er so gut wirft. Du darfst nicht zu nah ran, weil er so stark zum Korb zieht. Er ist einfach einer der besten Point Guards der Liga", stellte Avery Bradley im Anschluss fest. Auch Bostons Ausnahmeverteidiger hatte es nicht geschafft, Kyries Kreise entscheidend zu stören.

Irvings Ausnahmeleistung zur rechten Zeit traf Bostons ins Mark. Sie schienen sich nach Spiel 3 in die Köpfe des Champions gespielt zu haben und wirkten selbst befreit. Die Offensive funktionierte auch ohne ihren verletzten Star Isaiah Thomas prächtig. Der Ausgleich in der Serie und damit ein komplett offener Ausgang der Conference Finals schien zum Greifen nahe.

Bei Boston fehlte ohne Thomas am Ende aber eben jener Spieler, der für die besonderen Momente lebt. Die außerordentliche starke Sammlung an großartigen Individual- und Teamverteidigern sowie an exzellenten und disziplinierten Rollenspielern kam an ihr Limit, als in den finalen Minuten ein Spieler gefragt war, der Clevelands Lauf aus dem Nichts kontern kann.

"Dieser Junge ist etwas ganz Besonderes"

Celtics-Coach Stevens fasste Bostons Dilemma zusammen: "Vielleicht hätten wir die Zone gegen Kyrie mehr dichtmachen müssen. Aber du musst dich eben immer entscheiden und wir wussten auch, dass draußen Spieler wie Love, Korver oder Smith stehen, die Irving ansonsten gefunden hätte. Wir haben gut gespielt, hatten unsere Möglichkeiten, aber wenn Kyrie derart ins Rollen kommt, kannst du wenig tun." Oder wie James es kurzfasst: "Dieser Junge ist etwas ganz Besonderes."

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So stand schließlich auch eines der wenigen Spiele, in denen James selbst dank der starken Leistung seiner Teamkollegen neues Selbstvertrauen tankte. Zumeist verteilen sich die Kräfteverhältnisse in die andere Richtung, doch dieses Mal blühte James spät dank seines kongenialen Teamkollegen auf und konnte am Ende trotz Foulproblemen und einem verstopften Dunk auf ein gutes Spiel zurückblicken.

Insgesamt fallen die Schlüsse, die beide Teams aus diesem Spiel ziehen können, fatal für die Celtics aus. Statt des möglichen 2:2 liegt das Momentum wieder bei den Cavs, bei denen nicht nur James sich für seine schwache Leistung in Spiel 3 rehabilitiert hat, sondern auch dessen Kronprinz in Cleveland gezeigt hat, wozu er im Stande ist.

Dementsprechend selbstbewusst dürfte der Champ nun also nach Beantown reisen. Den Celtics bleibt die Hoffnung aufs Comeback. Kein Novum in dieser Serie.

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