NBA

"Das ist doch gegen jeden Sportsgeist"

Dirk Nowitzki steht mit den Mavericks am Tabellenende
© getty

Die NBA-Saison ist inzwischen einen Monat alt. Russell Westbrook legt im Schnitt ein Triple-Double auf - ist das beeindruckend oder doch nur heiße Luft? Sollten die Dallas Mavericks aufgrund ihrer Situation tanken? Wie steht es um den Osten - sind die Chicago Bulls das zweitbeste Team? Außerdem: Wie gefährlich sind die Clippers und holt LeBron James den MVP-Award? SPOX-Redakteure diskutieren mit DAZN-Kommentator Alex Schlüter und Ex-Nationalspieler Jan Jagla.

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Die Zahlen von Russell Westbrook sind nur heiße Luft

Alex Schlüter: Betrachtet man seine Zahlen (30,9 Punkte, 10,4 Rebounds, 11,3 Assists) ist Westbrook ohne Frage ein MVP-Kandidat. Er holt das Maximum aus dieser Truppe heraus und sorgt - etwas überraschend - auch in der Post-Durant-Ära für Siege. Er hat natürlich auch eine unglaublich hohe Usage-Rate, aber die ist in diesem Team fast normal. So überbewertet ich ihn früher ehrlicherweise fand, so klar muss ich jetzt sagen: OKC ist nichts ohne ihn. Von daher ist das nicht nur heiße Luft.

Jan Jagla: Das stimmt. Er macht aus dem, was er in OKC hat, eine ganze Menge. Seine Situation ist etwas mit der von James Harden 2012 zu vergleichen, als dieser nur die dritte oder gar vierte Geige bei den Thunder war und dann plötzlich zu einem alleinigen Anführer wurde, wenn auch in einem anderen Team. Mit so einem balldominanten Spieler wie ihm oder Westbrook habe ich selbst auch nie zusammengespielt. Ich kann es höchstens mit der Zeit aus der Nationalmannschaft vergleichen, als ich zusammen mit Dirk Nowitzki auf dem Parkett stand. Da war alles auf ihn ausgerichtet, auch, wenn er nicht wie Russ den Rebound geholt hat, selbst nach vorne gedribbelt ist und dann abgeschlossen hat. Es ist aber nicht unbedingt leicht, auf diese Art zu spielen, weil man es eigentlich gewöhnt ist, aufs Team ausgerichtet zu sein und selbst eine gewisse Rolle einzunehmen. Aber bei Dirk ging es für mich oft nur darum, mich schon einmal in eine gute Ausgangsposition für den Offensiv-Rebound zu kämpfen, sobald er den Ball hatte. Aber um noch deine MVP-Aussage aufzunehmen, Alex: Da geht es für mich um Titel und Teamerfolg, nicht um Stats. Aber klar, die Zahlen von Russ sind Wahnsinn, auch wenn die Wurfquoten vielleicht etwas besser sein könnten.

Thorben Rybarczik: Um zurück zur These zu kommen: Vor der Saison gab es ja Stimmen, die der Meinung waren, dass es gar nicht sinnvoll für OKC sei, überhaupt erfolgreich zu sein, Spiele zu gewinnen und in die Playoffs zu kommen. Das sehe ich anders. Ich rechne den Thunder gute Chancen aus, in der kommenden Free Agency oder sogar schon früher per Trade Westbrook einen Co-Star zur Seite zu stellen. Das funktioniert aber nur, wenn die Franchise zeigt, dass sie ein Stück weit im Win-Now-Modus ist und dass sie deshalb eine gute Adresse für hochkarätige Spieler sein kann. Vor diesem Hintergrund müssen möglichst viele Siege her - und die beschert ihnen Westbroook mit seinen Monster-Zahlen. Von daher sind diese absolut keine heiße Luft.

Alex Schlüter: Eben, Thorben. Darüber hinaus tut er Dinge, die nicht im Boxscore auftauchen. Seine Energie und Intensität sind unerreicht, das pusht jeden Mitspieler noch einmal zusätzlich. Das werden auch Spieler bemerken, die vielleicht für das Team infrage kommen und sagen: "Hey, mit so einem Hustler würde ich gerne mal zusammenspielen."

Jan Jagla: Da bin ich mir nicht so sicher, Alex! Gibt es wirklich viele gute Spieler, die mit ihm zusammen spielen wollen? Er dominiert ja wirklich alles und die Situation mit Durant schien ja auch nicht überragend zu funktionieren, da Westbrook vielleicht zu oft den Ball wollte und seine eigenen Entscheidungen getroffen hat. Deshalb wird es sicherlich auch Spieler geben, die hinterfragen, ob sie neben solch einem Spieler überhaupt effektiv sein und eine ihnen entsprechende Rolle einnehmen können.

Martin Klotz: Ich habe auch eher das Gefühl, dass Westbrook mehr nach individuellen Statistiken giert. Er wird ja schon mit Oscar Robertson verglichen, der 1961/62 ein Triple-Double im Saisonschnitt hatte. Was ich interessant finde: Die Cincinnati Royals haben die Saison damals mit einer Bilanz von 43-36 abgeschlossen und sind in der ersten Playoff-Runde rausgeflogen. Das ist auch für OKC ein realistisches Szenario. Aber die Wahrnehmungen gehen trotzdem auseinander: Bei Big O sagt man "wow, was für ein Typ" und bei Westbrook eher "der spielt doch nur für sich."