NBA

Paul sagt leise Danke

Michael Carter-Williams (l.) spielt künftig für die Chicago Bulls
© getty

Die Chicago Bulls haben mit Michael Carter-Williams einen ehemaligen Rookie of the Year geholt: Er kam per Trade für Tony Snell. Doch warum eigentlich? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zum Deal. Was erhoffen sich die Teams, was wird aus MCW - und was hat Paul Zipser damit zu tun?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Was bedeutet der Trade für Michael Carter-Williams?

Seitdem der No.11-Pick von 2013 Rookie of the Year wurde, ist der Wert von Michael Carter-Williams in der Association kontinuierlich gesunken. Zweifel an der Qualität des Point Guards gab es schon sehr früh: Zum einen fehlte es "MCW" an einem zuverlässigen Wurf und zum anderen war er schon 22 Jahre alt als er in die Liga kam. Gab es also wirklich Potenzial?

Nach jetzigem Stand muss diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet werden. Sein Wurf fällt nach wie vor nicht (27 Prozent Dreier in der letzten Saison) und auch Qualitäten als Führungsspieler sind bis jetzt noch nicht aufgefallen. Die Rookie-Saison des 1,98-Meter-Guards ist statistisch seine beste geblieben.

In Philadelphia zog man während der Saison 2014/15 entsprechende Konsequenzen und gab ihn an den Bucks ab, die dafür in einem Drei-Team-Trade einen hohen Preis zahlten: Brandon Knight, Kendall Marshall und den 2015er-Pick der Lakers. In Milwaukee schaffte es Carter-Williams aber nicht, sich langfristig als startender Einser zu empfehlen. Darum war die Franchise schon länger auf der Suche nach einem Abnehmer - auch, wenn sich der Getradete sehr überrascht zeigte: "Ich war durchaus schockiert, als ich davon erfahren habe. Mit dem Trade habe ich nicht gerechnet", erzählte er dem Daily Herald.

Zuvor haben die Bucks bereits versucht, MCW zu den Sacramento Kings zu verschiffen, um Ben McLemore in den Norden zu holen. Doch selbst er hatte für die Kings trotz anhaltender Wurf-Probleme einen höheren Wert.

Deshalb muss sich Carter-Williams in Chicago ab sofort mit der Rolle des Backups von Rajon Rondo zufrieden geben. Und auch darüber hinaus sind die Voraussetzungen nicht optimal: Mit Rondo, Butler und Wade gibt es bereits drei bessere Ballhandler und das Spacing in der Windy City ist ohnehin eine riesige Baustelle. Es ist also nicht gerade so, dass Head Coach Fred Hoiberg händeringend nach Carter-Williams' Stärken gesucht hätte.

Im kommenden Sommer wird er Restricted Free Agent, wenn ihm die Bulls die Qualifying Offer unterbreiten. Bis dahin hat er Zeit, seinen Wert wieder zu steigern.

Was ist die Intention der Bulls?

Die mangelnde Gefahr von jenseits der Dreierlinie wird in Chicago wohl eines der größten Probleme der kommenden Saison werden. Die Verpflichtung von MCW schließt diese Baustelle nicht ansatzweise - und auch die Tatsache, dass er sich den Ball als erster Backup wohl fast immer mit einem der Stars teilen muss, passt nicht wirklich zu seinen Stärken.

In der Windy City herrschte also offenbar die Meinung, dass man das schwache Spacing in diesem Sommer ohnehin nicht mehr verbessern kann. Anders sieht es in einem Jahr aus, wenn die Möglichkeit besteht, Rondo wieder loszuwerden - oder besser gesagt: dessen üppiges Gehalt. Nur 3 seiner 13 Millionen Dollar Gage sind dann garantiert.

Vielleicht schielt das Front Office also auf ein bestimmtes Szenario: Carter-Williams macht doch noch den nächsten Schritt und ersetzt Rondo - und kostet weniger Geld. Gänzlich auszuschließen ist das nicht, schließlich wäre MCW nicht der erste Point Guard, der erst als Mittzwanziger in die nächste Klasse aufsteigt. Rodney Stuckey oder Jrue Holiday können als Beispiel herhalten.

Geht das Experiment schief, ist das auch kein Problem, da die Bulls ihn bekanntlich nicht behalten müssen. Der Verlust von Tony Snell erscheint dabei unerheblich: Ähnlich wie sein "Gegenwert" wartet auch er auf seinen Durchbruch, den die Bulls ihm offenbar nicht zutrauten. Mit Doug McDermott, Denzel Valentine oder Paul Zipser stehen zudem Flügelspieler mit mehr Potenzial zur Verfügung.

Was erhoffen sich die Bucks von dem Deal?

Nach der Verletzung von Khris Middleton, der mindestens ein halbes Jahr fehlen wird, waren die Bucks auf der Suche nach Flügelspielern. Michael Beasley war der erste Neuzugang, ist aber mehr am Zonenrand unterwegs, während Snell weiter außen zu Hause ist.

Zudem haben die Bucks - ähnlich wie Trade-Partner Chicago - ebenfalls Bedarf in puncto Gefahr aus der Distanz. Mit seinen 36,1 Prozent von Downtown ist Snell in der Lage, das Spielfeld breit zu machen, auch wenn er natürlich nicht an die Qualität eines Middleton herankommt. Aber er soll ihn ja ohnehin nur temporär ersetzen.

Zudem war es richtig, nicht um jeden Preis an MCW festzuhalten, nur weil er damals einen hohen Gegenwert gekostet hat. Entbehrlich war er ohnehin: Von 54 absolvierten Spielen startete er 2015/16 nur 37. Mit Giannis Antetokounmpo hat Head Coach Jason Kidd einen Playmaker im Körper eines Forwards zur Verfügung, während Neuzugang Matthew Dellavedova - ursprünglich auch als Aushilfe auf der Zwei eingeplant - ebenfalls viele Minuten als Einser fungieren wird. Hinsichtlich des Spacings ist die letzte Variante sogar ein klares Upgrade im Vergleich zu Carter-Williams.

Und: Ein immer mehr in die Rolle des Backups gedrängter MCW lief Gefahr, unzufrieden zu werden und die Franchise in einem Jahr ohne Gegenwert zu verlassen - dieses Problem haben nun die Bulls.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema