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Kobes wahrer Erbe

Yi Jianlian im Scheinwerferlicht: Die Lakers versprechen sich Marktetingpotenzial in China
© getty

Die Los Angeles Lakers haben einem von Absurditäten und unglaublichen Vertragssummen geprägten NBA-Sommer die Krone aufgesetzt und verpflichteten Yi Jianlian aus China. Warum erhält der Chinese so viel Geld in Hollywood und was bringt den Lakers der Spieler? SPOX wirft einen Blick auf ein eigentlich schon längst gescheitertes Projekt.

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Das Leben, im Speziellen aber der Sport, ist nicht immer gerecht. Es gewinnen nicht immer die Besseren oder Sympathischeren und nicht zuletzt die Profisportler-Diskussion bei Olympia hat gezeigt, dass Sportler nicht nach ihrer Trainingsleistung oder der investierten Zeit in ihren Sport bezahlt werden. Die Verhältnismäßigkeiten im Sport entbehren oftmals jedweder Logik, in der NBA gibt es dafür seit einigen Tagen wieder ein exzellentes Beispiel.

Die Lakers haben Yi Jianlian verpflichtet und bezahlen dem Chinesen in der kommenden Saison übereinstimmenden Meldungen zu Folge acht Millionen Dollar, auch wenn er dafür einige Marken knacken muss. Sein Gehalt richtet sich strikt nach seinen Einsätzen - die vollen acht Millionen bekommt er, wenn er mindestens 60 mal eingesetzt wird. Dabei kann es sich aber auch um wenige Sekunden Garbage-Time handeln.

Selbst in einem Sommer, in dem scheinbar jeder Spieler, der den Spalding beschwerdefrei geradeaus dribbeln kann, mit Geld zugeschüttet wird, ist das ein hoher Betrag. Vor allem, wenn man Yis Laufbahn betrachtet.

Den Fans der Dallas Mavericks ist der sechste Pick des Drafts von 2007 vielleicht noch in Erinnerung, immerhin war das Team von Dirk Nowitzki die vierte und vorerst letzte Station in der fünfjährigen NBA-Karriere von Jianlian. Eine Karriere, die man in jeder Hinsicht als gescheitert ansehen konnte.

Ein leeres Versprechen

Zur Zeit des Drafts befand sich der Chinese noch in der Blütezeit seiner Karriere - und profitierte von einem Hype, den Yao Ming als Eckpfeiler der Houston Rockets ausgelöst hatte. Die Vermarktungsmöglichkeiten chinesischer Spieler schienen grenzenlos, auch wenn angesichts der mangelnden Qualität in der Chinese Basketball Association (CBA) schnell Ernüchterung einkehrte. Doch Yi, der CBA-MVP von 2006, war vielversprechend. 2,13 Meter groß, dennoch beweglich, schnell und wurfstark. Der Prototyp eines modernen Big Man.

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Als auch noch ein Video auftauchte, in dem Yi einen von ihm selbst aufgestellten Berg von Stühlen mit etlichen Spin Moves geschmeidig umtanzte, galt er als sicherer Top-10-Pick. So lächerlich das klingen mag - Dominanz gegen Stühle entfachte damals einen Hype und verschaffte Yi später den Namen "Chairman".

Dass es schon damals einige Unklarheiten bezüglich seines Alters gab, schien nebensächlich. Die Bucks schlugen an sechster Stelle zu.

Unklares Alter, klare Summe

Yi konnte seinem prominenten Vorgänger Yao letztlich nur in einer Sache nacheifern: der Verletzungsanfälligkeit. Weder bei den Bucks, noch in der folgenden Saison bei den Nets konnte er nachhaltig überzeugen. Wann immer Jianlian einige gute Spiele am Stück absolvierte, warf ihn sein eigener Körper wieder zurück. Dass er trotzdem vermeintlich gute Statistiken auflegte, lag auch zu einem Großteil an der fehlenden Qualität seiner Teams.

Nach einem unglücklichen Jahr in Washington heuerte er schließlich 2012 beim amtierenden Champion in Dallas an, wo er sich aber auch gleich verletzte, viel Zeit in der D-League verbrachte und später in den wenigen Minuten auf dem Feld zumeist durch katastrophale Defense auffiel. Am Ende seiner letzten NBA-Saison standen im Schnitt 2,6 Punkte bei einer Wurfquote von 38 Prozent, ehe es zurück nach China ging.

Vier Jahre später kehrt jener Yi, von dem man auch heute noch nicht weiß, ob er 28 oder 31 Jahre alt ist, wieder in die NBA zurück und über die Summe, die der Chinese in der kommenden Saison bei den Lakers verdienen kann, sollten sich nicht nur Stars wie J.J. Redick oder Isaiah Thomas, die weniger verdienen, aufregen, sondern eigentlich alle Rollenspieler.

Warum, Lakers?

Das Comeback des Big Man wirft dabei vor allem eine Frage auf: Warum haben die Lakers das gemacht? An eine große spielerische Weiterentwicklung des Endzwanzigers durch den Alltag in der biederen CBA wird wohl kaum einer der Verantwortlichen geglaubt haben und eigentlich ist es nicht vorstellbar, dass man sich von den Statistiken hat blenden lassen.

Immerhin 26 Punkte und 9 Rebounds hat Jianlian in der letzten CBA-Saison aufgelegt. Setzt man das aber in Relation, erscheinen die Werte fast lächerlich.

Jonathan Gibson beispielsweise, der in der kommenden Saison für das Minimumgehalt von 543.471 Dollar bei den Mavericks unter Vertrag steht, war mit durchschnittlich 42 Punkten Topscorer der CBA. Er wird potenziell mehr als sieben Millionen Dollar weniger verdienen als der Chinese.

Pooh Jeter, Von Wafer, Lester Hudson, Bobby Brown - sie alle legten in der CBA bessere Werte als Yi auf, für sie wird es schon schwer, überhaupt ein NBA-Team zu finden. Gefahr aus der Distanz strahlte der Chinese nicht einmal in der schussgewaltigen CBA aus. Ike Diogu, Yis Teamkollege bei den Guangdong Southern Tigers, nahm im Schnitt sechs Dreier pro Spiel (!) und traf sie besser als sein Nebenmann. Zum Vergleich: Diogu nahm in seiner siebenjährigen wenig erfolgreichen NBA-Karriere insgesamt zwei Dreier.

Kobes Erbe in China

Zwar machte der Power Forward in Rio einen guten Eindruck in einem ansonsten heillos überforderten chinesischen Team. Doch auch das verschleiert nicht die Tatsache, dass es eine Sensation wäre, wenn der offiziell 28-Jährige zu einem vernünftigen NBA-Rollenspieler würde. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Lakers-Coach Luke Walton ihn so wenig spielen lassen wird, wie möglich. Entwicklungspotenzial steckt nämlich auch nicht mehr im CBA-Slam-Dunk-Leader der letzten beiden Jahre.

General Manager Mitch Kupchak freute sich trotzdem darüber, "einen Spieler mit solchen internationalen Erfolgen in unseren Reihen zu wissen". Auf dem Parkett lässt sich das an vier CBA-Titeln sowie drei Asien-Meisterschaften ablesen, beides eher wenig anspruchsvolle Veranstaltungen.

Der viel wichtigere Aspekt am internationalen Erfolg Jianlians ist aber die Tatsache, dass er derzeit wohl der beste chinesische Basketballer auf dem Planeten ist und in seiner Heimat als Star gefeiert wird. Nach dem Karriereende des in China enorm populären Kobe Bryant haben sich die Lakers mit dessen Erben somit umgehend wieder prominent auf dem chinesischen Markt positioniert.

200 Millionen Chinesen am Fernsehen

Das erste Spiel zwischen Yao und Yi verfolgten damals über 200 Millionen Zuschauer am Fernsehen. Es ist bis heute eine der höchsten Einschaltquoten für ein NBA-Spiel. Die Basketball-Begeisterung im Reich der Mitte ist ungebrochen. Um diese aufrechtzuerhalten, sollte der Volksheld aber hin und wieder auch spielen.

Da die Lakers in der kommenden Spielzeit höchstwahrscheinlich wieder um eine möglichst hohe Position im Draft spielen werden, können sie es sich sogar erlauben, dem Chinesen Minuten auf dem Feld zu gönnen. Spielerisch sollten sie sich davon allerdings nicht zu viel versprechen.

Wenn es beim Deal letztendlich also nur um Marketing und monetäre Gründe geht, wird so langsam ein Schuh aus der ganzen Sache, selbst wenn die schieren Zahlen weiter verrückt wirken. Vielleicht ist es aber einfach nur eine weitere Absurdität im NBA-Sommer des Wahnsinns. Sport ist eben nicht immer gerecht - oder verständlich.

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