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Ich packe meinen Koffer...

Dragan Bender wurde an vierter Stelle von den Phoenix Suns gedraftet
© getty

No.4-Pick Dragan Bender ist der jüngste Spieler dieses Draft-Jahrgangs. Ausgebildet wurde er in der berüchtigten Akademie im kroatischen Split, die einst schon Toni Kukoc hervorbrachte. Bender hat das Talent, sich zu einem ähnlichen Spieler zu entwickeln. Und das alles nur wegen einer einzigen Entscheidung.

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Es gibt Entscheidungen im Leben, die verändern alles. Als Dragan Bender vor sieben Jahren den Entschluss fasste, seine Koffer zu packen und die Heimat zu verlassen, ruhten sämtliche Hoffnungen auf einer Karriere als NBA-Spieler - "ziemlich unrealistisch", wie er heute sagt. Aber das hat ihn nie gestört. Am 23. Juni 2016 wurde er an vierter Stelle von den Phoenix Suns gedraftet.

Aber der Reihe nach. Bender wurde in Capljina geboren, einem 30.000-Einwohner-Städtchen in Bosnien und Herzegowina. Die Familie war alles für ihn, der Basketball auch. Selbiges gilt und galt auch für seinen zwei Jahre älteren Bruder, mit dem er sich tagein, tagaus, unerbittliche Eins-gegen-Eins-Duelle auf dem Freiplatz lieferte. Und dabei - eigenen Aussagen zufolge - stets eine deftige Abreibung bekam.

Die Benders hatten Talent, es gab nur ein Problem: In Capljona oder der näheren Umgebung gab es keine Einrichtungen oder Vereine, um dieses zu fördern. Also war Koffer packen angesagt. Dragan war zwölf Jahre als, sein Bruder 14, als sie zum Vater ins Auto stiegen und mit ihm über die Grenze nach Kroatien fuhren.

Split: Die Talentschmiede

Das Ziel war Split, eine basketballverrückte Stadt am adriatischen Meer. Dort ist neben dem Verein KK auch die Basketball-Akademie von Nikola Vujcic ansässig, einer kroatischen Legende, die die Benders fortan unter seine Fittiche nahm.

Ein Glücksfall. Denn die Akademie arbeitet eng mit dem Verein KK Split zusammen, der berüchtigt ist für das Schmieden von europäischen Legenden. Bender könnte die nächste werden. Denn die Coaches schneiderten ihm ein Skillset auf den Leib, das perfekt zu ihm passt und typisch für die kroatische Schule ist: Bender ist für seine Größe schnell, smart, er liest das Spiel, ist sprunggewaltig - und er kann werfen. Für einen 7-Footer also optimale Voraussetzungen.

Sein Vorbild - wie könnte es anders sein - ist kein Geringerer als Toni Kukoc, einer der besten Internationals, die die NBA jemals gesehen hat. Auch Kukoc war groß, smart, schnell, konnte werfen...und er startete seine Karriere am gleichen Ort wie Bender: Kukoc ist das Aushängeschild der Split-Schule. Er spielte dort nicht nur fünf Jahre, sondern wurde dort auch geboren.

"Er konnte mit dem Ball anstellen, was er wollte. Er konnte auf drei Positionen spielen", schwärmt Bender gegenüber der Sports Illustrated. Und neben den Parallelen bei der Spielanlage und dem Ausbildungsort gibt es eine weitere: Beide wechselten vor ihrem Sprung über den großen Teich zu einem europäischen Top-Klub. Kukoc damals nach Treviso, wo er italienischer Meister wurde, Bender nach Tel Aviv zu Maccabi.

"Er flog durch die Zone"

Dort landete er also in einem Euroleague-Klub, dem es nur ums Gewinnen geht, nicht primär um die Weiterentwicklung junger Spieler. Das stellte auch Bender fest, der wenig Spielzeit sah und in seinem ersten Jahr noch an Ironi Ramat Gan ausgeliehen wurde.

Aber: An der mangelnden Spielzeit des Big Man störte sich keiner, da sein Name auf den Zetteln der NBA-Scouts schon im Sommer 2014 ganz fett unterstrichen wurde: Bei der U18-WM in der Türkei. Dort führte er die Kroaten, dessen Staatsbürgerschaft er inzwischen angenommen hatte, mit seiner Mischung aus Athletik, Playmaking und Shooting zur Bronzemedaille.

Und es war ja keineswegs so, dass er anschließend bei Maccabi nicht seine Momente gehabt hätte, wenn er mal spielen durfte. "Ich kann mich an eine Situation erinnern, als ich einen Dreier auf den Ring gesetzte hatte und schon auf dem Weg zurück in die Defense war. Dann flog plötzlich Bender durch die Zone - er sprang mit dem linken Bein ab und dunkte den Ball mit links rein. Das ist unglaublich schwer. Er lief dann zurück und tat, als wäre nichts gewesen", erinnert sich Teamkollege Sylven Landsberg an ein Bender-Highlight.

Bender und Chriss - Duo der Zukunft?

Mit links abspringen und mit links dunken klingt zwar recht simpel, erfordert aber gehobene Motorik, die Bender dank seiner Split-Ausbildung zweifelsfrei besitzt. Er nennt Fundamentals sein Eigen, von denen manch ein College-Absolvent nicht mal zu träumen wagt - womit er ein perfektes Langzeitprojekt für die Phoenix Suns ist.

Deren Manager und Coaches grübelten vor der Draft-Nacht lange Zeit nach, ob sie nun lieber Dragan Bender oder Marquese Chriss, einen ebenfalls talentierten Big Man, ziehen sollten. Dann überlegte sich GM Ryan McDonough, dass man ja eventuell auch beide holen könnte - und fädelte einen Deal mit den Kings ein, denen Chriss an achter Stelle zuflog, bevor sie ihn nach Arizona schickten.

"Marquese und Bender - man, sie können Dinge tun, die ich Spieler in der NBA schon lange nicht mehr habe tun sehen", schwärmt Head Coach Earl Watson. Er könne sich sogar vorstellen, einen der beiden auf der Drei aufzustellen - das Talent haben sie beide, auch Chriss ist mit einem weichen Händchen von draußen ausgestattet.

Eine schlaue Entscheidung

Auch defensiv bringt vor allem Bender vieles mit, was ein moderner Big Man mitbringen sollte. Er ist nicht nur ein guter Ringbeschützer mit hervorragendem Timing und starker Fußarbeit, sondern, fast noch wichtiger: Er ist in der Lage, ein Pick-and-Roll zu switchen und schnelle Guards vor sich zu halten. Gerade die Finals zwischen den Warriors und Cavaliers haben gezeigt, wie wichtig das inzwischen ist.

Die Suns besitzen ein Frontcourt-Duo für die Zukunft, dessen Grenzen nach oben offen sind - wenn sie die nötige Zeit und den nötigen Feinschliff bekommen. Denn vor allem physisch muss Bender zulegen, damit er beim Kampf um den Rebound nicht beliebig durch die Zone geschubst wird. Tyson Chandler könnte - wenn er denn bleibt - ein guter Mentor sein.

Doch bei allem Talent wäre Bender nicht der erste Euro, der hochgelobt wird und doch scheitert. Als Beispiel könnte Jan Vesely dienen, der 2011 mit großen Vorschusslorbeeren von den Wizards gedraftet wurde, nach drei Jahren aber den Rückweg nach Europa antrat.

Der steile Karriereverlauf von Bender lässt aber besseres vermuten - dank des Mutes, mit zwölf Jahren seine Koffer zu packen. "Es war damals natürlich nicht einfach ohne meine Eltern. Aber ich konnte mich entwickeln, haben neue Dinge gelernt. Im Rückblick war das eine schlaue Entscheidung."

Das kann man wohl sagen.

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