NBA

Willkommen in der Hölle, LeBron!

Von Thorben Rybrczik
LeBron James wird von Andre Iguodala in die Mangel genommen
© getty

Vor Game 5 der Finals (3 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) kochen die Gemüter über. Der Grund: Die Sperre von Draymond Green. Sportlich steht Steve Kerr vor der Frage, wie er seinen Leader ersetzt - eine nahezu unmögliche Aufgabe. Bei den Cleveland Cavaliers dürfte vor allem LeBron James profitieren.

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Beim Sport, egal welcher Art, verhalten sich erwachsene Männer gerne mal wie pubertierende Jugendliche. Heißt: Wer sich in seiner Ehre verletzt fühlt, der kann das nicht auf sich sitzen lassen und hat das Bedürfnis, sich irgendwie zu rächen. Siehe Spiel 4 der NBA Finals: Kurz vor Schluss stieg LeBron James über Draymond Green hinweg, den er zuvor eigenhändig zu Boden befördert hatte. Green sah sich daraufhin in seiner Sportlerehre verletzt und "rächte" sich mit einem kleinen, aber doch erkennbaren Schlag in Richtung der Privatsphäre des Königs und hatte obendrein ein paar nette Worte übrig - was seine Majestät wiederum veranlasste, in einer öffentlichen Rede über Moral und Anstand seinen Kontrahenten runter zu putzen.

Seit gestern steht fest: Mit der Suspendierung für Green hat James das persönliche Scharmützel mit dem Warrior gewonnen. Im Lager der Dubs ist man natürlich fest davon überzeugt, dass LeBron eine Sperre bewusst provoziert hat - was dieser natürlich vehement abstreitet. Fest steht: Green wurde nicht allein für die besagte Aktion gesperrt, sondern für die Summe seiner Ausfälle. Nach einem Flagrant I gegen die Rockets und einem Flagrant II gegen die Thunder reichte es für eine Sperre, seinen angedeuteten Schlag als "unnötigen Kontakt", also als Flagrant I, auszulegen.

"Seine Gefühle verletzt"

Die Suspendierung des heißblütigen Forwards überstrahlt das Championship Game der Warriors in der Bay Area. Beide Seiten schießen mit Giftpfeilen hin und her und bauschen die Diskussion weiter auf. Klay Thompson äußerte sich wie folgt zu James: "Auf dem Feld gibt es so viel Trash Talk. Ich verstehe nicht, dass manche das persönlich nehmen. Ich vermute mal, seine Gefühle wurden verletzt."

Darüber konnte der mutmaßlich in seinen Gefühlen verletzte King natürlich nur lachen: "Oh mein Gott. Ich werde mich jetzt nicht zu Klays Aussagen äußern." Danach wurde es wieder philosophisch: "Es ist so schwierig, den richtigen Weg zu beschreiten. Aber ich mache es seit 13 Jahren und werde auch nicht damit aufhören." Unterstützung erhielt er unter anderem von seinem Buddy J.R. Smith: "Es gibt einfach Dinge, die man nicht zu einem Mann sagen darf. Aber manche Leute leben halt nicht nach diesem Kodex."

Green selber äußerte sich noch nicht zu der Entscheidung - er soll aber dabei beobachtet worden sein, wie er Pläne ausheckt, trotz seines Hallenverbots irgendwie in der Nähe des Teams zu bleiben. Übrigens: Mit Charles Barkley ergriff ein Profi-Trashtalker Partei für den Warrior: "Wenn jemand so über dich herübersteigt, hast du ein moralisches Recht darauf, diesem in seine Weichteile zu schlagen", analysierte er tiefgründig gegenüber Bleacher Report.

Kein "Lineup of Death"

Diese Diskussionen werden wahrscheinlich erst aufhören, wenn der Tip-Off zu Game 5 längst über die Bühne gegangen ist. James dürfte sich bei seinem Auftritt in der Oracle Arena einer gelben Hölle ausgesetzt sehen, sollte aber in der Lage sein, damit umzugehen. Für die Warriors und Head Coach Steve Kerr stellt sich indes die Frage, wie der Ausfall von Green kompensiert werden kann.

Kein Spieler hat in diesen Playoffs mehr Minuten auf dem Konto als Green, der an beiden Enden des Courts eigentlich unverzichtbar ist. In der Regular Season verpasste er nur ein einziges Spiel, das die Warriors prompt mit 110:112 gegen die Denver Nuggets verloren. Auch in den Finals schlägt sich seine Bedeutung nieder: In den 152 Minuten, die er auf dem Feld stand, erzielte der Titelverteidiger 36 Punkte mehr als die Cavs. In den 40 Minuten ohne Green hingegen 12 weniger - eine beängstigende Diskrepanz.

Vor allem das "Lineup of Death" mit Green auf Center wird den Dubs schmerzlich fehlen. Schon in den Finals 2015 brachte es die Entscheidung und auch dieses Jahr gab diese Aufstellung nicht selten den entscheidenden Ausschlag. Nun wird Kerr also vermehrt auf klassischen Basketball zurückgreifen, wovon minutentechnisch besonders Andrew Bogut profitieren dürfte.

Kerr vor schwerer Entscheidung

Dazu, wer Greens Platz in der Ersten Fünf einnehmen wird, hat sich Kerr noch nicht geäußert. Der logische Ersatz wäre natürlich Andre Iguodala, doch dann würde der für die Warriors so wichtige Faktor von der Bank fehlen. Auch Shaun Livingston ist eine Option, in diesem Fall würde Harrison Barnes auf die Vier rücken.

Barnes bei den Warriors: Vergesst mich nicht!

Allerdings: Barnes, Thompson oder Livingston sind nicht in der Lage, James annähernd so effektiv zu verteidigen wie Iggy. Somit wäre die Helpside-Rotation enorm unter Druck - in der der Ausfall von Green wohl am schmerzhaftesten ist. Denn dort hatte der 26-Jährige in den Finals seinen größten Wert - als Hilfe für Iguodala gegen James. Green ist mit seinen schnellen Händen und seinen Instinkten der vielleicht beste Help-Verteidiger der Liga, dem es zudem gelingt, trotz seines physischen Spiels kaum Fouls zu begehen.

Als mögliche Option für die Starting Five wird auch Brandon Rush gehandelt, der in den Finals bis jetzt nur Garbage Time gesehen hat. Rush hat zu Beginn der Saison schon Barnes ersetzt, als dieser verletzt war. Offensiv wäre er eine gute Option, wenn denn sein Wurf fällt, defensiv hingegen die schwächste Lösung.

Alle auf Bogut?

Während bei Steve Kerr und seinem Coaching-Stab also die Köpfe rauchen, dürfte sich besonders James über die fehlende Defense-Kombo Iguodala/Green freuen. Er wird den Weg in die Zone noch häufiger suchen als üblich und dabei vermutlich vermehrt Bogut attackieren, um den Australier in Foulprobleme zu bringen. Wenn der Center auf die Bank oder sich zurückhalten muss, wäre das der nächste Schlag für das Defensiv-Konstrukt der Dubs - denn Marresse Speights oder Festus Ezeli sind in dieser Hinsicht kein adäquater Ersatz.

Es wäre aus Cavs-Sicht aber fatal, sich auf die Eins-gegen-Eins-Künste ihrer Nummer 23 zu verlassen. Das brach den Jungs aus Ohio schon in Game 4 das Genick, als sie in der Schlussphase zurück in alte Iso-Muster fielen und das Ball Movement komplett einstellten. Wenn sie daran anknüpfen sollten, braucht Golden State vermutlich keinen Draymond Green, um die Kreise von James einzudämmen.

Kommunikation ist alles

Auch am anderen Ende des Feldes müssen die Kavaliere wieder einen Zahn zulegen. In Spiel 4 offenbarten sie viele Kommunikationsprobleme, die sie bei ihrem bis dato einzigen Finals-Sieg noch abgestellt hatten. Besonders bei Blöcken abseits den Balles und nach Traps lief vieles falsch. Ein bezeichnendes Beispiel kurz vor dem Ende: Kyrie Irving und Channing Frye doppelten Ballführer Curry, der deshalb zu Iguodala passte. Beide Verteidiger liefen blind dem Spalding hinterher, keiner blieb bei Curry - den Rest kann man sich denken.

Gerade in der kochenden Oracle Arena würden solche Aktionen das Momentum extrem beeinflussen. Die 20.000 Fans werden alles dafür tun, um das "Herz" und die Emotionalität von Green zu ersetzen. Auch das Team hat schon angekündigt, die nötigen Extra-Prozente in Sachen Intensität draufzulegen - um für ihn zu gewinnen.

Wenn das gelingt, wird kein Hallenverbot auf der Welt Draymond Green davon abhalten, sich bei seinen Jungs zu bedanken.

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