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Danke, dass wir Zeuge sein durften

MVP und Finals MVP: Stephen Curry (l.) und LeBron James
© getty

Die NBA Finals 2016 sind mit einem Knall zu Ende gegangen. LeBron James und die Cleveland Cavaliers siegen als erstes Team nach einem 1-3 Rückstand, die Golden State Warriors stehen nach ihrer fantastischen Saison ohne Titel da. Doch auch insgesamt zählt die Spielzeit 2015/2016 zu den besten aller Zeiten. Die SPOX-Meinung zur Saison.

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Noch ziemlich lange nach dem Buzzer saß ich ungläubig vor dem Fernseher, ließ mich anstecken von den Emotionen. War das gerade wirklich passiert? LeBron James schreibt die Geschichte um und schenkt seinen Cleveland Cavaliers die erste Championship der Franchise-Geschichte - gegen das beste Team, das die NBA seit langer, langer Zeit gesehen hat? Es war surreal.

Aber es war noch etwas: das fulminante Ende einer fantastischen, einer wahnsinnigen, einer phänomenalen Saison 2015/2016. Und sie hatte nicht nur einen Helden.

Dieser Stephen Curry ist schon ein außergewöhnlicher Mensch. Nicht besonders groß. Nicht besonders athletisch. Ein Gesicht wie ein 13-jähriger Lausbub. Und trotzdem eroberte der erste einstimmig gewählte MVP die beste Basketball-Liga der Welt im vergangenen Jahr im Sturm. Mit seinen abnormalen Handles, mit seinem tödlichen Wurf und vor allem mit seiner unvergleichlichen Ästhetik.

Curry und die Dubs stellten einen neuen Rekord nach dem anderen auf. Es sind inzwischen so viele, dass ich sie weder alle im Kopf habe, noch sie hier aufzählen kann. Doch der größte wird für verdammt viele Jahre Bestand haben: 73-9.

Eine neue Ära

20 Jahre nach der legendären Saison der Chicago Bulls um Michael Jordan brachen die Warriors eine Bestmarke, die als unantastbar galt. Selbst die San Antonio Spurs waren mit 67 Siegen nah dran und zauberten die beste Spielzeit der Franchise-Geschichte aufs Parkett.

Aber es musste erst eine Mannschaft kommen und das Spiel neu erfinden, um die magische Grenze von 72 Siegen in einer Saison zu überschreiten. Niemand hielt das für möglich. Doch dann kamen die Warriors einfach daher - und taten es.

Dass es am Ende nicht zum Titel gereicht hat, schmälert die Leistungen von Golden State kein bisschen. Nein, nicht einmal ein My. 5087 Minuten waren sie das beste Team der Welt und der Inbegriff des neuen Zeitalters, das mit ihrem Aufstieg angebrochen war. Am Ende der 5088. Minute sollen sie es plötzlich nicht mehr sein? Nein.

Niemand kann mir erzählen, dass die Saison der Warriors deshalb eine Enttäuschung war. Ein Play, ein Wurf, eine Aktion entschied über Sieg und Niederlage. Über Champion und Loser. Aber diese Saison der Dubs war größer als der Titel. Sie wird den Basketball für immer verändern.

Willensstärke

Russell Westbrook und Kevin Durant. Das Power-Duo der Oklahoma City Thunder hatte die Warriors am Rand der Niederlage und forderte sie in spektakulären Conference Finals bis aufs Äußerste. Auch ihnen gebührt Respekt.

Westbrook hob die neue Einser-Generation der Liga auf ein neues Level. Aber nicht nur mit der Tatsache, dass ihn niemand am Scoring und an seinen krachenden Dunks hindern konnte - dazu sammelte er im Laufe der Spielzeit auch 18 Triple Doubles. Der beste Wert seit 34 Jahren. Diese Energie, diese Kraft, diese Athletik - einfach unwiderstehlich.

In Kombination mit Kevin Durant a.k.a. dem weichsten Handgelenk zwischen Atlantik und Pazifik zeigte er, was man mit Willensstärke alles erreichen kann. Drei Mal legten sie die Warriors fast im Alleingang in Schutt und Asche. Ein Sieg fehlte. Dennoch war die Leistung der beiden Ausnahmekönner etwas ganz Besonderes.

Altmeister

Vergessen wir nicht Dirk Nowitzki. Ein alter Mann aus "Wurzburg, Germany" mit der Sprungkraft eines Teekessels, der seine Dallas Mavericks wider jeglicher Wahrscheinlichkeit erneut in die Playoffs führte. In dieser Saison ließ er mit Shaquille O'Neal eine weitere Legende links liegen und steht nun auf Platz sechs der All Time Scoring List. Platz sechs! In 70 Jahren NBA-Historie!

Folge NBA.de bei Twitter - wie Dirk Nowitzki!

Nicht mehr auf dem Parkett, sondern auch nur noch in den Geschichtsbüchern steht Kobe Bryant. Was für ein Abschluss einer unglaublichen Karriere. 20 Jahre bei den Los Angeles Lakers, fünf Meisterschaften und eine Abschiedsgala mit 60 Punkten. Und selbst die emotionale Rede nach all den Jahren Schweiß, Tränen und Erfolgen beendete Kobe mit einem absoluten Highlight: "Mamba out."

Endlich am Ziel

Und dann ist da natürlich noch dieser LeBron James. The Alpha and the Omega. Er war erst Goliath, dann David. Und nun ist er am Ziel seiner Träume.

13 Jahre hat es gedauert, bis er für Cleveland zu dem Heilsbringer wurde, den die Stadt, den der ganze Staat Ohio in ihm gesehen hatte. Diesen Druck kann sich niemand von uns vorstellen. Und vermutlich wäre jeder andere daran zerbrochen.

LeBron James wird nie 402 Dreier in einer Saison treffen. Er wird nie einstimmig zum MVP gewählt werden. Er wird nie mit einem Team 73 Siege einfahren. LeBron James hat die NBA nicht revolutioniert. Stattdessen ist er aus dem Schatten der seit zwei Jahren alles überstrahlenden Warriors getreten und hat ihnen mit seinen Waffen die Stirn geboten - und sie besiegt.

22.33 Uhr

Schon mit seiner Leistung in den Finals 2015, in denen er zwar unterlag, aber ohne Kyrie Irving und Kevin Love Unmenschliches vollbrachte, sicherte er sich den Respekt vieler Fans, deren Herz nicht für die Cavs schlägt. Am 19. Juni 2016 um 22.33 Uhr Ortszeit kamen weltweit noch einmal Unzählige hinzu. Unzählige Menschen, die LeBron James diesen Titel nach seiner langen und aufopferungsvollen Reise von Herzen gönnen. Ich gehöre dazu.

Weit über die Landesgrenzen hinaus wird man Songs über diese Saison schreiben, wird man die Protagonisten dieser Spielzeit als Helden verehren. Und in einigen Teilen der Welt tragen Athleten wie LeBron James dazu bei, Menschen kurzzeitig die Sorgen ihres Alltags vergessen zu lassen.

Auch die Offseason hat mit dem auslaufenden Vertrag von Durant das Potenzial, sich für immer in die Geschichtsbücher zu schreiben und die Machtverhältnisse in der Liga tiefgreifend zu verändern. Aber vor dem Draft (Freitag ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) möchte ich noch einen Moment innehalten.

Danke. Danke für diese unvergleichlichen achteinhalb Monate. Danke für die Emotionen. Danke für die Leidenschaft. Danke für die Hingabe. Danke für all die Momente, in denen wir uns klein führen durften. Danke für diese unvergleichliche Saison.

Und Danke, dass wir Zeuge sein durften.

LeBron James im Steckbrief

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