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Der Held des schmalen Grats

Draymond Green ist mit seinem Spiel und seiner Art unverzichtbar für die Warriors geworden
© getty

Vom Bad Boy zum Finals MVP? Draymond Green musste in den vergangenen Wochen einiges an Kritik einstecken, nicht nur wegen seines gefährlichen Spiels. In den Finals blüht der Point Forward der Golden State Warriors nach durchwachsenen Leistungen gegen OKC wieder auf - und findet sich plötzlich in der Diskussion um den begehrten Award wieder.

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"In den ersten zwei Spielen heißt der Finals MVP Draymond Green!" Diese Aussage war nach Game 2 bei Twitter zu lesen. Geschrieben von niemand Geringerem als einem Mann, der selbst drei Mal die Bill-Russell-Trophäe stemmen durfte: Magic Johnson.

Der ehemalige Anführer der Showtime-Lakers sprach damit aus, was viele Beobachter nach zwei Spielen längst denken: Golden State wird diese Finals gewinnen. Zu dominant, zu vielseitig präsentieren sich die Warriors in der Neuauflage der 2015er Finals gegen die Cleveland Cavaliers.

Der Inbegriff dieser Vielseitigkeit trägt den Namen Draymond Green. Nach einer komplett gefüllten Statline in Game 1 (16 Punkte, 11 Rebounds, 7 Assists, 4 Steals, 1 Block) ließ der Big Man im zweiten Spiel satte 28 Punkte (5 Dreier), 7 Rebounds und 5 Assists folgen.

"Spielball geht an ihn"

"Er hat seine Würfe getroffen, das muss man respektieren", sprach auch LeBron James Green seine Anerkennung aus: "Er hat sie nicht nur verwandelt als er weit offen war, sondern auch, wenn er eng verteidigt wurde. Wir wissen, dass er ein Schlüsselspieler ihres Teams ist und er hat das offensiv wie defensiv mit starken Plays unterstrichen. Der Spielball geht eindeutig an ihn."

In Spiel 2 ging der Spielball vor allem durch die Reuse - und zwar gleich mehrfach von Downtown. Greens Dreier war in den Playoffs bisher deutlich schwächer (34,6 Prozent) als in der Regular Season (38,8 Prozent). Auch deshalb ließen die Cavs ihm zu Beginn etwas mehr Platz. Sie sollten es bereuen.

"Als ich das erste Mal einen offenen Wurf hatte, habe ich gezögert", berichtete Green nach dem Spiel: "Da hat mich Luke Walton direkt angeschnauzt und mir klargemacht, dass ich ein Problem hätte, wenn ich den nächsten Wurf nicht nehmen würde. Das nächste Mal habe ich geworfen."

Eine gute Entscheidung. Denn nach ein paar Treffern fielen sogar die richtig wilden Würfe. Sein One-Dribble-Pull-up-Dreier von der Birne versprühte mehr als einen Hauch von Steph Curry.

Spalsh Brother No. 3?

Insgesamt steht Green nach zwei Spielen der Finals damit bei 7 Dreiern - genau so viele hat Steph auf dem Konto. Der MVP zog schon in Erwägung, Green als zweiten Splash Brother neben Klay Thompson zu adoptieren: "Er ist seit vier Jahren bei uns und ich kenne seine Stärken. Natürlich will ich, dass er weiterwirft." Und mit einem Grinsen fügte er hinzu: "Aber er hat noch ein bisschen Arbeit vor sich."

Auch Thompson kam aus dem Schwärmen über "Treymonds" Splash-Fähigkeiten nicht mehr heraus: "In Spiel 2 war er einer von uns, besonders die Würfe, die er aus dem Dribbling getroffen hat, waren phänomenal."

Green selbst versuchte, die Lobeshymnen so gut es ging einzudämmen. "Hört schon auf", entgegnete er den Journalisten, die ihn auf der Pressekonferenz nach dem Spiel bereits mit Curry vergleichen wollten: "Steve Kerr würde das ganz und gar nicht gefallen, wenn ihr mir sagt, dass ich meinen inneren Steph Curry entdecken und rauslassen würde."

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Bad Boy und die Folgen

Neben der offensiven Leistung rückt Greens exzellente Defense in den Hintergrund. Dabei weiß mittlerweile jedes Kind in Ohio, dass der eigentliche Power Forward von Position Zwei bis Fünf alles verteidigen kann, seine Aggressivität am Ring ist bekannt und seine Steals sind gefürchtet - vom unermüdlichen Einsatz ganz zu schweigen. Doch genau der hatte ihn zuletzt in Schwierigkeiten gebracht.

Durch die Querelen in der Serie gegen die Oklahoma City Thunder hatte Greens Spiel gelitten. Nicht nur das Selbstbewusstsein in der Offense, sondern auch der Fokus in der Defensive. Die Aussagen und Anschuldigungen in Bezug auf Greens übermotivierte, harte Plays nagten sichtlich an dem 26-Jährigen.

Mit einer angehäuften Zahl Technischer und Flagrant Foul-Punkten stand er - und steht er noch immer - eine dumme Aktion vor einer Suspendierung. Doch die Zurückhaltung, die Green in Spiel 4 gegen OKC seine Leader-Rolle und teilweise auch den Sieg kostete, hat er in den Finals abgelegt. Stattdessen scheint er, die Balance zwischen ungebändigter Aggressivität und durchdachten Worten gefunden zu haben.

Auf dem Weg zum MVP?

Inzwischen wird in den Schlagzeilen von vor zwei Wochen Fisch eingewickelt. Nun lautet die erste Assoziation mit dem Namen Green "Finals-MVP". Finals-MVP? Ja, Finals-MVP. Denn nicht nur ehemalige Starspieler wie Magic schreiben dem 35. Pick des Jahres 2012 bisher den größten Einfluss auf das Warriors-Spiel in den Finals zu - auch die Zahlen belegen das.

Green spielte mit Abstand die meisten Minuten der Dubs (74) und auch beim Game Score (Index der Produktivität) liegt er mit einem Wert von 21,7(!) meilenweit vorn. Zum Vergleich: Curry steht bei 8,3.

Und noch etwas untermauert Greens Status als Fixpunkt der Dubs-Offense: Fast immer, wenn Golden State in den Finals dringend einen Korberfolg im Halfcourt-Set brauchte, legte Coach Kerr den Spalding in die Hände von Green. Als Playmaker im High Post ist er für die Entscheidungen zuständig. Sein hoher Basketball-IQ und die außergewöhnlichen Pass-Fähigkeiten ermöglichen es ihm, den sich entfaltenden Spielzug zu lesen und im richtigen Moment den richtigen Teamkollegen zu finden.

Schaut man auf die Hustle Stats in der Verteidigung, ergibt sich ein ähnliches Bild: Mit 15,6 Contested Shots pro Spiel belegt er unter allen Spielern der 16 Playoff-Teams Rang drei. Dort findet er sich auch in der Kategorie "Vereitelte Pässe" mit starken 3,5 Deflections wieder.

"Er muss ganz genau überlegen"

Kerr stellte nach Spiel 2 noch einmal heraus, wie schwer Greens Defensiv-Aufgabe in den Finals ist: "Wenn wir mit unserem Small Ball Lineup spielen, ist er unser Ringbeschützer. Das ist in dieser Serie ein harter Job, weil er Kevin Love verteidigen muss, und der normalerweise an der Dreierlinie steht. Es muss also immer ganz genau überlegen, wo er sich positioniert. Er muss bereit sein, bei LeBron auszuhelfen, aber darf auch Love nicht vernachlässigen. Es ist ein schwieriger Job, aber er hat es richtig stark gemacht."

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Von allen Seiten prasselte das Lob auf Green ein wie sonst nur der spektakuläre Dreierregen der Warriors auf ihre Gegner. Natürlich musste auch die in der Luft liegende Frage nach dem Finals-MVP-Award gestellt werden. "Finals MVP? Mannomann ...", antwortete Green mit einem bescheidenen Lächeln gegenüber The Vertical: "Wenn überhaupt, dann haben diese zwei Spiele gezeigt, was für ein tiefes Team wir sind. Unsere gesamte Mannschaft ist der MVP."

Den Award in den Händen halten wird am Ende höchstwahrscheinlich dennoch nur ein Spieler. Und wenn es so weitergeht, dann ist der 2,01 Meter groß, kommt aus Saginaw, Michigan und hört auf den Namen Draymond Jamal Green.

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