NBA

Ein Hoch auf die Overachiever

Damian Lillard (l.) verdiente sich den Respekt von Stephen Curry und seinem Team
© getty

Für die Portland Trail Blazers ging Mittwochnacht eine irre Saison zu Ende, dennoch haben Damian Lillard und Co. keinen Grund den Kopf hängen zu lassen. Die Zukunft des jungen Teams kann mehr als rosig sein - wenn sie von den Golden State Warriors und Stephen Curry lernen. Den Respekt des Meisters haben sie sich bereits verdient.

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Ob er während der Serie Respekt für die Blazers gewonnen habe, wurde Draymond Green gefragt. Nach Spiel 4 wohlgemerkt, kurz nachdem er verkündet hatte, Portland sei "am Ende", seine Warriors würden die Serie also in Spiel 5 beenden. Das Sprachrohr der Dubs sparte sich eine Antwort und sagte, man solle ihn am Mittwoch noch einmal fragen.

Da Green mit seinem Trash-Talk mittlerweile das vielleicht beste Zitat der Liga ist, taten ihm die Reporter nach Spiel 5, das Golden State tatsächlich gewinnen konnte, natürlich diesen Gefallen. Diesmal jedoch präsentierte sich Draymond nicht als Witzbold, sondern im Gegenteil ziemlich respektvoll.

"Wir haben die Serie zwar mit 4-1 gewonnen, aber so hat es sich nicht angefühlt", sagte Green. "Es war eine extrem harte Serie und ich habe sehr großen Respekt für dieses Team gewonnen. Nicht nur Dame und C.J., sie alle haben eine starke Serie gespielt. Deswegen bin ich recht froh, dass wir damit jetzt durch sind."

Klay Thompson haute in die gleiche Kerbe und merkte an, dass dies "vielleicht die engste 5-Spiele-Serie aller Zeiten" war. Das sei mal dahingestellt - aber wenn man diese Serie mit der vorigen Dubs-Serie gegen Houston vergleicht, die ebenfalls über fünf Spiele ging, ist die Aussage recht gut verständlich.

Anders als die Rockets

Wo sich die Rockets über ihren einzigen Sieg nicht einmal freuten und die Arbeit nach der Verletzung von Stephen Curry bizarrerweise komplett einstellten, kämpften die (deutlich weniger talentierten) Blazers bis zum allerletzten Ende. In Spiel 4, als Curry nach seiner Rückkehr im Alien-Modus agierte, und auch in Spiel 5, als Damian Lillard völlig ausgepumpt war.

C.J. McCollum war es diesmal, der sich in den letzten Minuten noch ein kleines Privatduell mit Curry lieferte und den MVP mit einem feinen Crossover sogar auf die Bretter schickte. Er verlor das Duell zwar am Ende, ebenso wie Portland die Serie verlor, dennoch hinterließ diese Leistung abermals einen großen Eindruck. Denn eigentlich hätte dieses Team nie und nimmer so weit kommen sollen.

No-Names und Aussortierte

Nachdem vergangenen Sommer vier von fünf Mitgliedern der Starting Five gingen und die Zeichen klar auf Rebuild deuteten, trauten Experten den Blazers vorwiegend zwischen 25 und 30 Siegen zu. Einige spekulierten sogar, Portland könnte das schlechteste Team im Westen werden, und das war nicht völlig unverständlich.

Lillard war natürlich als All-Star bestens bekannt, um ihn herum las sich der Kader jedoch wie eine Ansammlung von No-Names und anderswo Aussortierten. McCollum galt als talentiert, in einer tragenden Rolle hatte man ihn jedoch nie sehen können. Eine projizierte Starting Five aus Lillard, McCollum, Mo Harkless, Al-Farouq Aminu und Mason Plumlee hätte vor der Saison in jedem Fall niemandem Angst eingejagt. Das Kuriose daran: Das tut sie eigentlich auch jetzt nicht.

Lillard gibt die Mentalität vor

Die Blazers waren auch vor den Playoffs, abgesehen von den Rumpftruppen aus Dallas und Memphis, ziemlich klar das Team mit der geringsten individuellen Klasse, und das trotz allem verdienten Lob für Most Improved Player McCollum. Dass ihr Erstrundengegner dann während der Serie seine beiden besten Spieler verlor, spielte natürlich auch eine Rolle - es würde den Blazers aber nicht gerecht werden, ihren Erfolg nur auf diesen Faktor zu reduzieren.

Denn was an Klasse und Tiefe (noch) fehlt, kann Portland in anderer Weise schon jetzt beeindruckend kompensieren. Das ganze Team hat die "Ich gegen alle"-Mentalität von Lillard verinnerlicht und gab nie auf, egal in welcher Lage. Dank des Shootings von Lillard, McCollum und auch Allen Crabbe schien kein Rückstand jemals zu hoch, um nicht doch nochmal ein Comeback zu starten.

Der Teamspirit ist überragend und mit Terry Stotts verfügt Portland über einen kreativen Coach, dem kein Lineup-Experiment, keine Adjustierung zu verrückt erscheint. Der "Vize-Coach of the Year" soll ESPN zufolge in den nächsten Tagen einen neuen, längerfristigen Kontrakt unterschreiben, obwohl das Team ihn per Option auch einfach so für die nächste Saison halten könnte.

Überfordert in der Crunchtime

In Oregon denkt man längerfristig und tut gut daran. Die Serie gegen den Meister offenbarte die Stärken, aber gleichermaßen auch die Schwächen des Kaders, der bei weitem noch nicht "fertig" ist. Das Backcourt-Fundament steht und sollte den Blazers über Jahre hinweg viel Freude bereiten, im Idealfall ähnlich wie die Splash Brothers es bei den Warriors tun. Mit Crabbe und einigen anderen stehen zudem schon weitere junge Talente Gewehr bei Fuß.

Dennoch gibt es viele Punkte, an denen General Manager Neil Olshey ansetzen kann, und die offenbarten sich gegen den Meister vor allem in der Crunchtime. Lillard ist zwar als Clutch Player bekannt, gerade in den letzten beiden Spielen merkte man ihm jedoch an, wie ausgelaugt er davon war, sein Team eine ganze Saison über zu tragen.

Dame konnte folgende Statistiken nicht verhindern: Über die Serie gesehen gewann Golden State in "Clutch-Situationen" mit 51:29, traf selbst 55 Prozent aus dem Feld und hielt die Blazers bei 33 Prozent. Beim Net-Rating, also den Punkten pro 100 Ballbesitzen, lagen zwischen beiden Teams schwindelerregende 53 Punkte. Letztendlich machten nur wenige Minuten den Unterschied zwischen einer 5-Spiele- und einer 6- oder 7-Spiele-Serie aus.

Sollstelle Defense

Olshey dürfte im Sommer versuchen, seinem Backcourt noch den einen oder anderen Scorer an die Seite zu stellen, der im Verlauf einer langen Saison für mehr Entlastung sorgen kann. Die Defense muss ohnehin drastisch verstärkt werden, aber das darf man dem GM aufgrund seiner bisher gezeigten Cleverness und einem prall gefüllten Geldbeutel durchaus zutrauen.

Wenn Portland den eingeschlagenen Weg, der schon deutlich eher erste Früchte trug als erwartet, geduldig weitergeht und die richtigen Lehren zieht, sieht die Zukunft dieses Teams mehr als rosig aus. Das Fundament steht schließlich schon bereit und dürfte in den nächsten Jahren nur noch besser werden.

Wie OKC - und die Warriors?

Es ist noch zu früh für diesen Vergleich, dennoch könnte es sein, dass man sich an diese Serie in ein paar Jahren in ähnlicher Weise erinnert wie an die Serie zwischen OKC und den Lakers 2010, als blutjunge Thunder den Champion durchaus vor Probleme stellen. Oder an die Conference Semifinals drei Jahre später, als ein aufstrebendes Warriors-Team den ewigen Spurs erstmals so richtig Paroli bieten konnte.

OKC und die Warriors waren damals jeweils durchaus in ähnlicher Lage wie Portland jetzt: Junge, sehr talentierte Teams mit einigen offensichtlichen Lücken. Golden State füllte diese nach und nach, bis man sich vor einem Jahr endgültig zum Monster aufschwang. Es ist keine Schande, gegen ein solches Monster zu verlieren - solange man danach nicht den Kopf in den Sand steckt.

Aber das würde Portlands Leader ohnehin nicht erlauben. "Wir sollten stolz darauf sein, wie wir sie geärgert haben, denn das hätte durchaus eine 7-Spiele-Serie werden können", sagte Lillard zum Abschluss seiner Saison. "Das Wichtigste für uns ist, dass wir daraus lernen. Wir können aus der gesamten Saison viel mitnehmen - und erst recht aus dieser Serie."

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