NBA

Von der Dampflok überrollt

Russell Westbrook lässt aktuell selbst MVP Stephen Curry hinter sich
© getty

Zum zweiten Mal sind die Golden State Warriors chancenlos, der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist weg. Steve Kerr sucht nach Antworten auf Russell Westbrook und Kevin Durant - aber glaubt der Meister überhaupt noch an seine Chance? Gerade Draymond Green und Stephen Curry bereiten Sorgen...

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Eigentlich hatte dieses Spiel alles, um ein echter Klassiker zu werden. Einen gereizten Champion, der alles dafür tun würde, seine 73-Siege-Saison nicht den Bach runtergehen zu sehen. Einen hungrigen Herausforderer auf der Mission, sich selbst zum Champion zu krönen. Ein frenetisches Publikum, das nach dem Tritt in Spiel 3 einen perfekten Feind hatte. Und einen Feind, der sich von derartigen Situationen bestimmt nicht beeindrucken lassen würde.

Stephen Curry hatte es vor dem Spiel noch angekündigt: "Es gibt keine andere Option für uns, als dieses Spiel zu gewinnen." Es klang fast wie eine Drohung. Wie gesagt: Die Bühne war bereit für das epische Spiel, auf das alle gehofft hatten. Für den Gegenschlag der Warriors, nachdem sie in Spiel 3 deklassiert wurden. Doch dieser blieb aus.

Das Ende des "Death Lineup"

Im Großen und Ganzen war die Partie sogar ein Spiegelbild der vorigen, von einer kurzzeitigen Explosion von Klay Thompson im dritten Viertel mal abgesehen. Zum zweiten Mal in Folge schaffte es OKC, das gefürchtete "Death Lineup" mit einer eigenen, effektiveren Aufstellung zum Kuschel-Lineup zu machen. Zum ersten Mal in dieser Saison verlor Golden State zwei Spiele in Serie.

Zum ersten Mal hinterließ ein Gegner die Warriors mit ratlosen Gesichtern. Ein sichtlich angefressener Steve Kerr diktierte nach dem Spiel in die Mikros, dass "dieses Team momentan besser spielt" als seines. "Wir müssen uns einige Antworten einfallen lassen. So einfach ist das. Zum Glück fahren wir jetzt nach Hause, dort sind wir ja normalerweise ganz gut."

Die letzte Anmerkung hatte schon etwas von Galgenhumor, ähnlich wie Kerrs Antwort auf die Frage, was die Thunder so effektiv macht: "Sie haben wirklich gute Spieler." Einen Vorwurf kann man dem Coach dafür aber kaum machen - denn wenn seine Leistungsträger so auftreten wie derzeit, hat Golden State schlichtweg keine Chance.

Draymond: "Ich war fürchterlich"

Vor der Partie stand vor allem Draymond Green aufgrund seines Taekwando-Tritts gegen Steven Adams im Fokus und wurde erwartungsgemäß permanent ausgebuht. Green lachte und winkte vor dem Spiel sogar noch in die Kamera, als er auf dem JumboTron in der Halle gezeigt wurde, um die Fans anzustacheln. Von diesem Swagger war auf dem Court dann aber überhaupt nichts zu sehen.

Green spielte teilweise wie ein aufgescheuchtes Huhn und warf allein in Halbzeit eins fünfmal den Ball weg. Zumeist von Kevin Durant verteidigt, konnte er keinerlei Einfluss auf die Offense nehmen, bei den Rebounds war er ebenfalls überfordert und konnte nicht verhindern, dass OKC beinahe mehr als ein Drittel der eigenen Fehlwürfe wieder einsammelte.

Kerr nahm ihn zwischenzeitlich runter und redete ihm gut zu, das half aber auch nicht. Green hatte in zuvor 94 Saisonspielen nie ein Plus/Minus-Rating unter -13 gehabt, in den letzten beiden Spielen waren es -43 und -30. "Ich denke, meine Energie steckt häufig mein Team an, und ich war zuletzt fürchterlich", erkannte der Forward auch an. "Ich weiß, dass ich in Spiel 5 besser sein muss."

Das wäre in der Tat wichtig, würde für sich genommen womöglich aber auch noch nicht reichen. Green ist nämlich bei weitem nicht das einzige Sorgenkind bei den Dubs - von den Fünfern etwa brachte in Spiel 4 nur Festus Ezeli Zählbares, und den attackierte Thunder-Coach Billy Donovan bereitwillig durch Hack-a-Festus. Und dann gibt es da eben auch noch Curry.

"Steph ist nicht verletzt"

Der MVP versicherte nach dem Spiel zwar, er sei "nicht verletzt", die Bilder zeigten jedoch etwas anderes. In der Defense gegen Russell Westbrook sah er aus, als hätte er Zement-Schuhe an, und auch offensiv fehlte die laterale Geschwindigkeit. Besonders deutlich wurde das, als er sich per Crossover Platz für einen Stepback-Dreier über Steven Adams verschaffen wollte - und der (humpelnde!) Neuseeländer ihn dabei blockte.

Ging er dann doch mal zum Korb, zögerte er auf ungewohnte Weise angesichts der Länge von Durant, Serge Ibaka und Adams - so kamen seine 6/20 FG (und 6 Turnover) zustande, wobei er auch einige offene Dreier versemmelte. "Steph ist nicht verletzt", schwor jedoch auch Kerr. "Er hatte einfach einen lausigen Abend. So etwas passiert, sogar den Besten."

"Ich werde besser sein", versicherte Curry nach dem Spiel dann auch. "Es ist eine schwere Situation, aber die Serie ist noch nicht vorbei. Ich denke, dass wir ein besonderes Team sind und uns nicht auf diese Art und Weise verabschieden werden."

OKC beweist erneut seine Vielseitigkeit

Die Warriors sind ein besonderes Team, das haben sie in den letzten beiden Jahren bewiesen. Aber in den letzten beiden Spielen wirkte es erstmals in dieser Zeit so, als hätten sie ihr Schicksal nicht selbst in der Hand. Es erschließt sich nicht wirklich, mit welchen Adjustierungen sie gegen diese Thunder-Maschine noch ankommen sollen. Vielleicht ist dieser Gegner tatsächlich noch "besonderer".

OKC ist in diesen Playoffs auf einer Mission, das lässt sich kaum anders sagen. In der Erstrundenserie gegen Dallas ließ man sich noch etwas auf deren Niveau runterziehen, aber dann schlug man erst San Antonio mit methodischem, langsamen Basketball - und hat nun scheinbar auch die Warriors im Sack, indem sie auf deren Tempo-Basketball einfach noch eine Schippe drauflegen. Die Vielseitigkeit dieses Teams ist unglaublich.

Durant als Defensiv-Monster

Auf Durant in der Offense hatten die Dubs auch in der Regular Season keine Antwort, aber zuletzt dominierte KD auch defensiv wie ein Kawhi Leonard im Körper eines Seven-Footers. 3 Blocks und 4 Steals häufte er in Spiel 4 an und hielt die Defense zumeist gemeinsam mit dem ebenfalls bockstarken Ibaka zusammen.

Die Energie, die KD auf beiden Seiten des Courts aufwendet, spricht Bände über den unbedingten Siegeswillen seines Teams. Exemplarisch war eine Szene im zweiten Viertel, als Green gen Korb stürmte und Durant sich eigentlich für den Blockversuch bereit machte. Green traf die richtige Entscheidung, indem er in KDs Rücken Shaun Livingston für einen Dunk bediente - aber Durant drehte sich blitzschnell um und räumte dann eben dessen Versuch ab. Mit keiner Sequenz könnte man den Unterschied in Sachen Athletik und Energie zwischen beiden Teams besser erklären.

Auch Westbrook verkörpert diesen Unterschied. In Spiel 4 hielt er meisterhaft die Balance zwischen dem eigenen Abschluss und dem Involvieren seiner Mitspieler. Fällt dann auch noch der Jumper in dieser Weise (4/8 3FG), ist Westbrook ein absolutes Monster - und legt dann eben Zahlen auf, die in der Playoff-Historie bis dahin nur Wilt, Oscar, Kareem, LeBron und Jerry West geliefert hatten.

Alles passt zusammen

Die Brillanz des Star-Duos hat auch das restliche Team endgültig angesteckt. Dion Waiters hat sich fast komplett dem Team untergeordnet, Ibaka ist wieder bei alter Stärke und Adams ist ohnehin eine Bank. Selbst Roberson ist nicht mehr nur Defensivspezialist, sondern hat seit Spiel 6 gegen San Antonio auch noch neun seiner 16 Dreier getroffen. Es hilft, wenn man das Vertrauen spürt.

Bei OKC passt zum richtigen Zeitpunkt erstmals alles zusammen. Dieses Team wirkt wie eine Dampflok, das alles, was sich in den Weg stellt, einfach gnadenlos überrollt. Ob dieses "alles" dann 67 (San Antonio) oder 73 (Siege) geholt hat, spielt letztlich auch keine Rolle mehr.

Der Spielplan im Überblick

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