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Die Feuertaufe bestanden

Von Thorben Rybarczik
Dennis Schröder genoss die feindliche Atmosphäre in Boston in Spiel 6
© getty

Die Atlanta Hawks sind nach einer defensiven Glanzleistung in die zweite Playoff-Runde eingezogen. Im entscheidenden sechsten Spiel war ein Bollwerk gegen eine Ein-Mann-Abrisskugel das Erfolgsrezept, während offensiv ein starkes Viertel genügte. Dennis Schröder genoss die Rolle als Staatsfeind - jetzt warten die Cleveland Cavaliers.

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Es ist noch gut eine Minute zu spielen im TD Garden. Die Celtics wehren sich ein letztes Mal gegen die Niederlage, Isaiah Thomas hatte sein Team zuvor im Alleingang auf 11 Punkte herangebracht. Nun zieht der Guard zum Korb, geht zum Layup - und prallt an Al Horford ab, der mit perfektem Timing senkrecht in der Luft steht und einen Abschluss Thomas' praktisch unmöglich macht. Die frenetische Menge will natürlich ein Foul haben, doch spätestens die Zeitlupe zeigt: Hier war eine lehrbuchmäßige Defense am Werk.

Es war nicht das erste Mal in dieser Partie, dass die Drives von Thomas an einer roten Wand aus Hawks-Verteidigern scheiterten. Die Helpside-Rotation war überragend, in den meisten Fällen waren gleich drei Verteidiger in der Zone versammelt, während es die anderen beiden mit starkem Stellungsspiel schafften, die Würfe nach den Kickout-Pässen zu erschweren.

"Thomas ist eine Ein-Mann-Abrisskugel. Deshalb haben wir alles, was wir haben, gegen ihn gestellt, damit er die Verantwortung abgeben muss", brachte Jeff Teague das "Motto" der Hawks auf den Punkt.

Bei nahezu jedem Abschluss der Celtics war eine gegnerische Hand zumindest in der Nähe vom Gesicht des Werfers - oder sogar direkt am Spalding. Die Hawks blockten in Spiel 6 insgesamt zwölf Würfe, viele davon in der Anfangsphase. Damit waren sie sofort in den Köpfen der Kobolde, die nur mickrige 36 Prozent aus dem Feld trafen.

Analyse + Re-Live: Hawks schalten Boston aus

Ein Viertel reicht - mal wieder

"Letztes Jahr gegen die Cavs haben wir nicht gut verteidigt und sind kläglich gescheitert. Seitdem haben wir unsere Identität Stück für Stück gewandelt hin zu einem Defense-Team - das müssen wir weiter aufrecht erhalten", erklärte Horford.

Da sich sein Team beim entscheidenden Sieg in Boston an die neue Identität hielt, reichte am anderen Ende des Courts mal wieder nur ein Viertel, um die Vorentscheidung zu besorgen. Es fing alles ganz harmlos mit einem Wurf aus der Halbdistanz von Kent Bazemore an, ehe es Kyle Korver und Horford Dreier regnen ließen und Teague Reverse-Korbleger traf.

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Spätestens zu diesem Zeitpunkt erlebten die Celtics ein Deja-vu. Schon im fünften Spiel der Serie gingen sie im dritten Viertel komplett baden (23:42), diesmal lief es mit einem 26:39 zwar etwas glimpflicher ab - doch die Messe war trotzdem gelesen. Da halfen auch alle weiteren Comeback-Versuche der Kobolde nicht mehr.

Vor genau diesen fürchtete sich übrigens unter anderem Teague, der jedoch anmerkte, dass diese Angst sein Team im dritten Viertel beflügelt hatte: "Wir wissen, dass sie aus jeder aussichtslosen Situation zurückkommen können. Dass wir dann so ins dritte Viertel gestartet sind, war daher umso wichtiger."

Schröder: "Ich mag das"

Wichtig war auch die erneut starke Leistung der Bench Squad Atlantas. Allen voran Dennis Schröder hielt mit seinen 12 Punkten und 8 Assists die Hawks-Offense am Leben. Der Deutsche kam früher als gewöhnlich ins Spiel, was an einer leichten Verletzung von Teague lag, die sich letztendlich aber als harmlos entpuppte.

Natürlich wurde der neue Staatsfeind nach allen Regeln der Kunst ausgebuht, doch er ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen und leitete den Spielaufbau souverän. Und glaubt man seinen eigenen Worten, dann stacheln ihn die Anfeindungen sowieso nur an: "In Deutschland ist es doch völlig normal, dass man ausgebuht wird, bei jedem Angriff. Aber das motiviert mich, ich mag das."

Nach dem Spiel sorgte er dann noch einmal für Aufmerksamkeit, als er von Tiago Splitter und einem nach Türsteher aussehenden Offiziellen in die Katakomben geführt wurde. Sie erlaubtem ihm nicht, sich artig von seinen Gegnern zu verabschieden.

Große Ziele in Boston

Der Gegner verabschiedete sich also nicht von Schröder, dafür aber aus den Playoffs. Auch dieses Spiel hat gezeigt, dass die offensive Abhängigkeit von Isaiah Thomas noch zu groß ist. Das Fazit der Saison sollte eigentlich trotzdem positiv ausfallen, schließlich hatte kaum jemand damit gerechnet, dass die Celtics ohne Star (vor der Saison galt Thomas nicht als solcher) bis zum Ende der regulären Saison um den dritten Platz kämpfen würden.

Auf die Frage, ob die Saison als Erfolg zu werten sei, hatte Jae Crowder jedoch eine andere Antwort: "Eigentlich spielt nur ein Team pro Jahr eine erfolgreiche Saison - der Champion. Erst wenn wir da hinkommen, können wir sagen: 'Das war eine erfolgreiche Saison'". In Boston wird wieder groß gedacht.

Schlechte Dreierquote? Egal

Bei Atlanta hingegen herrscht eine etwas zurückhaltendere Stimmung - schließlich warten nun die Cavaliers, gegen die man im letzten Jahr noch sang- und klanglos mit 0-4 untergegangen war. Allerdings scheinen die Hawks - Horford hat es bereits zusammengefasst - aus dieser Pleite gelernt zu haben. Durch die erdrückende Defense sind sie nicht mehr so abhängig vom Dreier, offensive Durststrecken können hinten überbrückt werden.

Das hat auch die Serie gegen die Celtics gezeigt, in der sie nicht mal 30 Prozent von draußen trafen und trotzdem gewannen. Allerdings kommen die Cavs mit mehr als nur einer "Abrissbirne" daher, was die defensive Aufgabe ungleich schwerer macht. Und auch auf Schröder wartet mit Matthew Dellavedova jemand, der vieles ist, nur kein Kind von Traurigkeit.

Da scheint es nur eine Frage der Zeit, bis "The Golden Patch" auch in Ohio zum Staatsfeind wird. Nach der Serie gegen die Celtics und insbesondere gegen Thomas nicht unbedingt ein schlechtes Omen.

Der Spielplan im Überblick

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