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Endlich angekommen – aber…

Von Thorben Rybarczik
LaMarcus Aldridge (l.) findet sich in San Antonio immer besser zurecht
© getty

Die San Antonio Spurs spielen eine historische Saison - obwohl ihr neuer Franchise Player LaMarcus Aldridge mit Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Inzwischen ist der L-Train aber endgültig in Texas angekommen. Trotzdem gibt es noch Baustellen. Die Texaner spielen in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE gegen die New Orleans Pelicans.

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"Es wird etwas Zeit brauchen und wir werden mit LaMarcus ein paar Höhen und Tiefen erleben. Aber er weiß, wie man richtig Basketball spielt und versteht, was wir als Team von ihm brauchen."

Dieses Zitat von Tim Duncan stammt aus dem vergangenen September und kann rund sechs Monate später getrost als wahr gewordene Prophezeiung bezeichnet werden. Die Spurs als Team starteten zwar beeindruckend in die Saison, sind zu Hause nach wie vor ungeschlagen und haben den zweiten Platz im Westen quasi sicher. Doch die Debüt-Saison von LaMarcus Aldridge verlief bis jetzt weniger geradlinig, kommt nach einigen Problemen und Schwächephasen aber langsam ins Rollen. Höhen und Tiefen eben - Tim Duncan ist ein alter und weiser Mann.

Die Bank muss es richten

15,9 Punkte und eine Feldwurfquote von nur 44,3 Prozent legte "LMA" im November auf - beides mit Abstand Karrieretiefstwerte seit seiner Rookie-Saison. Grund zur Panik war das natürlich nicht, denn nach neun Saisons als Trail Blazer waren statistische Einbrüche zu erwarten gewesen. Schließlich war er in der Spurs-Offensive zunächst nicht der Dreh- und Angelpunkt wie zu seinen Portland-Zeiten, zudem lässt Gregg Popovich seine Stars deutlich weniger Minuten abreißen, als es in anderen Franchises üblich ist.

Dennoch sorgte ein Defizit für das eine oder andere Sorgenfältchen. Nach zehn Saisonspielen standen die Spurs zwar bereits mit acht - größtenteils dominanten - Siegen da, was aber mehr an der Tiefe des Kaders lag und nicht am vermeintlich besten Lineup bestehend aus Tony Parker, Danny Green, Kawhi Leonard, Aldridge und Duncan. Im besagten Zeitraum brachte es diese Starting Five auf ein Offensiv-Rating von gerade einmal 93, während der defensive Konterpart 103,7 betrug. Ein klares Minusgeschäft also.

Dementsprechend oft war es erst die zweite Garde, die für klare Verhältnisse sorgte und die fehlende Effizienz der Starter gerade rückte: Die Spurs-Bank produziert die zweitmeisten Punkte der Association (41,7).

Dreier-Problem der Starting Five

Das Problem der ersten Fünf: Aldridge entfaltet seine Stärken als Pick-and-Pop-Spieler oder allgemein als Schütze aus dem Bereich des weiten Zweiers. Für diesen Abschluss braucht er Platz und bestenfalls mindestens drei Schützen um sich herum, die ihm allerdings nicht zur Verfügung stehen.

Duncans Reichweite hat sich im Verlauf der letzten Jahre nicht gerade verbessert, Parker war noch nie ein Scharfschütze und Leonard weist zwar inzwischen die beste Dreierquote der Liga auf, drückt aber nur 3,8 Mal pro Spiel von Downtown ab. Bleibt noch Spezialist Green übrig, der in dieser Saison aber so schlecht trifft (35,6 Prozent 3FG) wie seit 2010 nicht mehr.

Für Aldridge hat diese Tatsache in Zahlen ausgedrückt folgende Auswirkung: Steht Boris Diaw statt Duncan neben ihm im Frontcourt, trifft LMA mit einer besseren Quote aus dem Feld (+2,4 Prozent). Und wenn Mills anstelle von Parker auf der Eins agiert, steigt die Wurfquote der Nummer 12 sogar um 6 Prozentpunkte.

"Die Offense mit Tim ist natürlich ganz anders als mit Boris. Mit Boris auf dem Feld sind wir mehr ein 'Drive-and-kick'-Team, mit Duncan spielen wir traditioneller. Es ist nicht immer ganz einfach, diesen Wechsel auch umzusetzen", erklärt Aldridge. Dass ihm die "Diaw-Variante" dabei mehr liegt, mag auch daran liegen, dass sie der Spielweise Portlands etwas näher steht.

Duncan raus = Aldridge besser?

Vor diesem Hintergrund ist es fast schon bezeichnend, dass der jüngst vollzogene, endgültige Durchbruch von Aldridge ausgerechnet während der Abwesenheit Duncans erfolgte. Anfang Februar wurde der L-Train zum Spieler der Woche im Westen ausgezeichnet. Im Zeitraum vom 1. bis zum 7. Februar führte er sein Team mit 26 Punkten (59,7 Prozent FG) und 2,5 Blocks zu einer 4-0-Bilanz - während sich Duncan von einer Knieverletzung erholte.

Seit der Rückkehr des Altmeisters pendelten sich Aldridges Werte dann wieder bei 16,3 Punkten und 44,9 Prozent aus dem Feld ein und liegen damit wieder unter seinem Saisonschnitt. Kein Wunder also, dass Coach Pop noch mehr auf munteres Rotieren zurückgreift als normalerweise. Keine erste Fünf der Liga steht im Schnitt weniger Minuten auf dem Feld als die der Spurs (27,7), bei der totalen Punktausbeute derselben Spieler haben sie sich immerhin auf Rang 23 eingependelt (63,4).

Spätestens ab der zweiten Playoff-Runde könnte dieses Defizit eine Last werden, denn die Bank-Formationen von Teams wie Oklahoma City oder Golden State lassen sich nicht so einfach überrennen - gegen beide zogen Aldridge und Co. in dieser Saison übrigens den Kürzeren.

Dribbling? Nein, danke!

Die Spurs wären aber nicht die Spurs, wenn sie aufgrund dieses Luxus-Problems in Unruhe verfallen würden. Schließlich ist Aldridge ein "Projekt" für die nächsten Jahre und soll auf genau diese vorbereitet werden. Entsprechend größer wurde auch die Rolle, die der Power Forward im Verlauf dieser Saison ausfüllte. Wirkte er am Anfang noch wie ein Fremdkörper in der auf Bewegung ausgelegten Spurs-Offensive, so ist diese mittlerweile viel besser auf ihn zugeschnitten.

Er darf viel öfter als noch zu Beginn der Saison seine Fähigkeiten im Lowpost zeigen, wozu er auf der linken Seite (seiner Lieblingsposition) isoliert wird. Im Eins-gegen-Eins mit dem Rücken zum Korb ist er dann kaum mehr aufzuhalten, da er auch in der Lage ist, sich per Dribbling in eine bessere Ausgangslage zu bringen, oder - wenn der Verteidiger Abstand hält - mit einem schnellen Fadeaway aus der Halbdistanz abzuschließen. Mit 0,98 Punkten pro Post-up liegt er voll im Soll. Besonders seine 36-Punkte-Gala gegen Anthony Davis und die Pelicans erinnerte stark an seine überragenden Auftritte im Blazers-Dress.

Pop passt Spielweise an

Auch seine "Catch-and-Shoot"-Werte haben sich stabilisiert, die einen etwas größeren Teil seiner Abschlüsse (31 Prozent) ausmachen als noch in Oregon. In die gegenteilige Richtung entwickelte sich die Anzahl seiner Dribblings vor den Abschlüssen: Bei den Spurs schließt er in 60 Prozent der Fälle ohne ein solches ab, während der Wert in der Vorsaison bei gerade einmal 45 Prozent lag. Allerdings nährten sich im Verlauf der Saison die Werte seiner Spurs- Zeit an die der Blazers an, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass Pop die Offensive Stück für Stück auf Aldridge zentrieren will.

Hoffnung macht, dass das Zusammenspiel mit Frontcourt-Kollege Leonard immer besser klappt. War es am Anfang der Saison häufig die "Entweder-Oder-Frage", wer 20 oder mehr Punkte auflegt, so geschah das im Februar schon fünf Mal - wobei selbstverständlich immer deutliche Siege heraussprangen.

"Man merkt einfach, dass wir mittlerweile viel Zeit miteinander verbracht haben. Er [Aldridge] weiß inzwischen, wann er aggressiv sein muss und wie er seine Vorteile aus unserer Offense ziehen kann. Das beeinflusst dann natürlich auch das ganze Team positiv, weil das Vertrauen wächst", so Leonard.

"Hilft nicht, wenn er den Ball bewegt"

Apropos Vertrauen: Selbiges wuchs im Saisonverlauf auch bei Aldridge bezüglich seines Wurfes. Vorbei die Zeit, in der er offene Würfe verschmähte und lieber einen Pass spielte - als würde er sich verpflichtet fühlen, dass berüchtigte Ball Movement der Spurs nicht zu zerstören. "Er hat offene Schüsse, nimmt sie aber nicht. Das spricht zwar für seinen Charakter, dass er lieber nochmal passt, da er sich gegenüber seinen Mitspielern zurücknehmen will. Aber es hilft uns nicht, wenn er der Ball weiter bewegt, er aber hätte schießen müssen", kritisierte Popovich noch im November.

Die Spurs spielen bis dato die beste reguläre Saison ihrer Franchise-Geschichte - und das, obwohl Aldridges Durchbruch lange Zeit auf sich warten ließ. Doch spätestens zum Playoff-Beginn am 16. April brauchen sie einen dominanten L-Train, der regelmäßig in der Lage ist, sein Team offensiv zu tragen - und zwar unabhängig davon, welches Lineup auf dem Feld steht. Denn trotz seiner 39 Jahre wird Duncan vor allem defensiv gebraucht.

Dazu ist auch der Head Coach gefragt, der weitere Feinjustierungen an seiner Offensive umsetzen sollte, um seinen besten Offensiv-Spieler optimal zu nutzen. Ob ihm ihm das gelingt? Nun - es handelt sich um Gregg Popovich.

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