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Das fünfte Rad am Wagen

Kevin Love (r.) wurde in Ohio bislang nicht wirklich glücklich
© getty

Kevin Love hat bei den Cavaliers auch nach eineinhalb Saisons noch nicht wirklich seine Rolle gefunden - das wird insbesondere seit der Rückkehr von Kyrie Irving immer klarer. Tyronn Lue hat vor, die Stärken seines Forwards endlich besser einzusetzen. Doch geht das neben LeBron James überhaupt?

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Man kann ziemlich viele Beispiele heranziehen, um die Beziehung zwischen Kevin Love und seinem Team zu veranschaulichen. Die diversen Gruppen-Selfies etwa, die (zumeist) auf LeBron James' Instagram-Account veröffentlicht werden und auf denen der Power Forward nicht zu sehen ist. Oder den Instagram-Post von Love selbst, bei dem er sich auf eines dieser Selfies "photoshoppte" - also sein Gesicht auf dem Körper von Jared Cunningham platzierte.

Das beste Beispiel fand sich indes vor rund einer Woche in einem Bericht von Brian Windhorst (ESPN), der die Situation rund um die Entlassung von Head Coach David Blatt beschrieb: Als die Spieler vor der Bekanntgabe zu einem Meeting zusammengerufen wurden, dachten einige von ihnen nicht etwa, es ginge um einen Trainerwechsel. Sie dachten, Love wäre getradet worden.

Diese Spekulationen erwiesen sich zwar kurzfristig als falsch, verheißen andererseits aber einiges. Ebenso wie die Tatsache, dass auch nach dem Trainerwechsel noch über einen Love-Trade spekuliert wird - wenngleich GM David Griffin davon nichts wissen will: "Wir haben weder jemals ein Gespräch in der Hinsicht aufgenommen, noch hat uns jemals jemand mit einem Angebot kontaktiert."

Die nackten Zahlen stimmen

Diese Aussage kann man wohl stehen lassen - zumindest für diese Saison. Es sähe für Cleveland nicht gut aus, bei einem Spieler so schnell aufzugeben, für den man zunächst No.1-Pick Andrew Wiggins abgab und den man im Sommer 2015 noch mit einem neuen Maximalvertrag ausstattete (5 Jahre, 113 Millionen Dollar).

Doch bisher kann man in Ohio dennoch keineswegs zufrieden sein mit Love, wenngleich dieser von den nackten Zahlen her (knapp 16 Punkte und 11 Rebounds im Schnitt) noch immer zu den produktivsten Big Men im Basketball zählt. Für die Cavs zählt schließlich nur der Titel, nackte Zahlen sind völlig egal - und trotz des Double-Doubles stehen hinter Loves Rolle im Team immer noch diverse Fragezeichen.

Net-Rating von -60?!

Teilweise liegt dies an seinen eigenen Limitierungen und einer eigenbrötlerischen Art, die angeblich gerade bei LeBron nicht wirklich gut ankommt und die viele Cavs-Spieler eher irritiert. Dass Love kein toller Verteidiger ist, war hingegen auch zu Timberwolves-Zeiten bekannt - wobei die Warriors es beim Blowout in Cleveland kürzlich noch einmal erschreckend klar machten.

Wer auch immer gerade von Love verteidigt wurde, wurde durch ein Pick'n'Roll nach dem anderen gejagt, um dessen schlechte laterale Geschwindigkeit und bisweilen auch Instinkte auszunutzen. Durch die daraus resultierende Verwirrung von Love kamen etliche Vines oder Gifs zustande, viel schlimmer war jedoch der Einfluss auf das Ergebnis. Love spielte bloß knapp 22 Minuten, brachte in dieser Zeit aber ein Net-Rating von unfassbaren -60 zustande. Will sagen: Über 100 Ballbesitze waren die Dubs um 60 Punkte besser, wenn Love auf dem Court stand.

Nicht zum ersten Mal kam danach die Frage auf, ob man Love in entscheidenden Phasen einer (eventuellen) weiteren Finals-Serie gegen Golden State überhaupt auf den Court lassen dürfe, oder ob dies defensivem Selbstmord gleichkäme. Ironischerweise genau gegen das Team, bei dem Love eigentlich landen sollte, wenn man in Oakland schlussendlich nicht (zurecht) lieber auf Klay Thompson gesetzt hätte.

Auch das Team ist Schuld

Es wäre allerdings zu leicht und gleichzeitig unfair, Love allein dafür verantwortlich zu machen, dass es bei ihm im "neuen" Team noch nicht so richtig läuft. Gerade offensiv sind die Schwierigkeiten Coaches, Mitspielern (gerade LeBron und Kyrie) und wohl auch den Planern um Griffin anzulasten. Denn Loves zweifelsohne vorhandene Talente werden alles andere als optimal genutzt.

Das merkte dieser schon letzte Saison an: "Ich bin keine Stretch-Four. Ich bin ein Lowpost-Spieler, der außerdem werfen kann. Ich mache einfach nur das, was von mir verlangt wird, ob gut oder schlecht. Ich erfülle meine Rolle."

Lowpost-Spieler? Das war einmal. In dieser Saison sind fast 44 Prozent von Loves Abschlüssen Dreier, der höchste Wert seiner Karriere. 46,3 Prozent all seiner Würfe sind aus dem Catch-and-Shoot, er ist nurmehr Vollstrecker. Nur bei 22,9 Prozent seiner Ballbesitze agiert er tatsächlich im Lowpost. Isoliert wurde er in dieser Saison bisher 24mal, ebenso häufig wie Clippers-"Superstar" Lance Stephenson. J.J. Barea wurde fast doppelt so häufig isoliert!

Auch seine Fähigkeiten als Passer werden kaum genutzt, wenn man von seinen Outlet-Pässen auf Ein-Mann-Fastbreak LeBron absieht. In Minnesota wies Love in seiner letzten Saison noch eine Assist-Rate von 21,4 Prozent auf, gerade als Spielmacher von den Freiwurfecken aus war sein gutes Auge Gold wert. Aktuell sind es 12 Prozent.

"Überbezahlter James Jones"

Blatt ließ Love fast nie an diesen sogenannten "Elbows" agieren. Love verbrachte so viel Zeit am Perimeter, dass er spöttisch schon als "überbezahlter James Jones" bezeichnet wurde. Lue kündigte kürzlich an, ihm dort häufiger den Ball zu geben. Gerade dann, wenn er mal ohne seine Ball-dominanten Mitspieler James und Irving auf dem Court steht.

"Ich fühle mich dort definitiv wohl", sagte Love dazu. "Viele Leute sehen in mir nur einen Shooter, aber ich weiß, dass ich gut passen kann, gerade im Half-Court und gerade von den Elbows aus. Es macht mir Spaß, von dort aus Offense für andere zu generieren."

Das klingt schön und gut, löst aber immer noch nicht das fundamentale Problem: Wenn Kyrie und LeBron auf dem Court stehen, ist Love wenig mehr als ein designierter Spot-Up-Shooter. Auch der King liebt die "Elbows", ein Gerangel um die dortigen Ballbesitze wird Love in diesem Leben nicht gewinnen.

Dennoch lief es für Love noch ordentlich, als LeBron und er sich den Angriff teilten, auch weil der ihn bewusst mehr involvieren wollte. Seit Irving zurück ist, sieht das jedoch anders aus: Im Januar, also dem ersten Monat, den LeBron, Irving und er komplett gemeinsam absolvierten, legt er nur noch 13,4 Punkte auf, bei besorgniserregenden 39 Prozent aus dem Feld und 35 von der Dreierlinie.

Findet Lue den Schlüssel?

Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass Lue eine Lösung für dieses fundamentale Problem findet, wenngleich seine Stärken ja eher in der Defense liegen sollen. Derzeit scheint es aber wahrscheinlicher, dass die Zweckgemeinschaft zwischen Love und den Cavs weiterhin nicht zur Traumehe wird.

Love ist - das wird mittlerweile häufig vergessen - ein herausragend talentierter Spieler, um den man durchaus ein funktionsfähiges Team aufbauen kann. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er mit Minnesota nie die Playoffs erreichte; selten werden dabei die Verletzungssorgen oder die Tatsache erwähnt, dass beispielsweise 2013/14 nur LeBron und MVP Kevin Durant mehr Win Shares, also geschätzte Siege, zur Saisonbilanz ihrer Teams beitrugen als Love.

Was passiert ohne Titel?

Dass er die damals gezeigte Qualität in Cleveland jemals zur Schau stellen können wird, kann man sich derzeit dennoch schwer vorstellen. Die Cavs sind zurecht immer noch der Top-Favorit im Osten, eine Meisterschaft wäre Stand jetzt dennoch eine Sensation. Und aufgrund der einzigartigen Lage in Ohio werden, sollte es erneut nicht mit dem Ring klappen, danach Köpfe rollen.

Nachdem mit Blatt der erste Sündenbock weg ist, muss man nicht allzu lange überlegen, wer als nächstes dran sein wird - ob das nun berechtigt wäre oder nicht. Wer darauf wetten möchte, dass Love auch die komplette Saison 2016/17 noch bei den Cavs absolviert, würde derzeit wohl eine ziemlich gute Quote bekommen.

Bleibt zu hoffen, dass sein nächstes Team sich vorher Gedanken macht, wie man ihn am besten einsetzt. Eindimensionale Shooter gibt es genug - Love ist eigentlich weitaus mehr als das.

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