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Ich packe meinen Koffer…

LeBron James, Chris Paul und Kevin Durant haben ihren Platz unter Coach K fast sicher
© getty

Das Team USA hat in den letzten Jahren eine Kehrtwende vollzogen. Das neue Image strahlt beim Training Camp in Las Vegas - fast alle Stars sind dabei. Wer schafft es ins Team für Rio 2016? SPOX wirft einen Blick auf die beste Basketball-Mannschaft der Welt.

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Es ist schon eine beachtliche Serie. Seit 63 Spielen hat das Team USA nicht mehr verloren. Gold bei Olympia 2008 und 2012, Weltmeister 2010 und 2014. Die Vertreter der Vereinigten Staaten haben nach der wiederholten Schmach um die Jahrtausendwende einen Weg des Erfolgs eingeschlagen, der so schnell wohl nicht enden wird.

Dass die US-Boys den Sport wieder dominieren und einen Hauch vom Dream Team 1992 in die Arenen der Welt bringen, verdankt man nicht den Comebacks von Michael Jordan, Magic Johnson oder Larry Bird. Es ist die Folge langjähriger Umstrukturierungen und der Implementierung einer neuen Identität.

In Las Vegas kommen diese Woche 34 Athleten aus der NBA zusammen, um sich für einen Platz im Kader der Olympia-Mannschaft zu bewerben. Zu bewerben! Und wer nicht zum Training Camp mit abschließendem Show Game am Donnerstagabend eingeladen wurde, war enttäuscht oder sauer. Das ist es, wovon Jerry Colangelo, seit 2005 Verantwortlicher des gesamten Basketball-Programms, geträumt hat.

Doch mit der unfassbaren Ansammlung von Qualität geht auch die Qual der Wahl einher. Nur zwölf Spieler werden das olympische Dorf am Zuckerhut von innen sehen. Der Großteil der eingeladenen Akteure muss zu Hause vor dem Bildschirm sitzen, darunter werden etliche Allstars sein. Dennoch ist im Übergangsjahr zwischen WM und Rio beim großen Favoriten alles easy.

(Un)gleiche Chancen

"Ich denke, dass alle die Ausgangslage verstehen", so Colangelo über den Auswahlprozess, der härter sein wird als seinerzeit die Popstars-Castings mit Detlef D! Soost: "Die Wahrscheinlichkeit, es ins Team zu schaffen, ist für einige sehr, sehr gering, für andere etwas höher. Aber ich bin davon überzeugt, dass alle die Chance dazu haben."

Haben sie nicht. Überzeugung und Ansporn schön und gut, doch eine gewisse Portion Realismus sollte auch an den Tag gelegt werden. Unter den Spielern, die derzeit in Las Vegas Liniensprints laufen und Gewichte stemmen, sind einige, für die Olympia viel zu früh kommt - oder niemals kommen wird.

König und Prinz

Um ihre Chance auf einen Platz in der Mannschaft zu wahren, reisten selbst die noch nicht komplett genesenen Kevin Durant und Carmelo Anthony nach Sin City. Außer den drei verletzten - aber anwesenden - Kyrie Irving, Chandler Parsons und Kevin Love fehlten nur zwei ernsthafte Kandidaten beim Training in Vegas: Andre Iguodala und LeBron James.

Der Finals-MVP heiratete am Wochenende und wollte für die Teilnahme am Camp sogar seine Flitterwochen unterbrechen, doch Mike Krzyzewski hielt ihn davon ab. Mit der Ausnahme samt Ritterschlag ("er war für uns ein Prinz") hat der Coach Iggy die Chance auf einen Freifahrtschein ermöglicht - so wie ihn LeBron James bereits besitzt.

Kurzbesuch seiner Majestät

Im Gegensatz zu Derrick Rose und Damian Lillard, die im Vorfeld abgesagt hatten, schaute der King im Camp vorbei, nahm beim Training ein paar Würfe und jettete dann aber wieder zurück nach Ohio. Dort finden dieser Tage mehrere Events seiner Stiftung statt.

Colangelo redete nicht lange drum herum: "Er weiß, dass er einen Roster-Spot sicher hat." Natürlich. Er ist der beste Spieler der Welt. Und die Verlockung, als erster Basketballer der US-Geschichte an seinen vierten Olympischen Spielen teilzunehmen, ist groß.

Ein zweiter Kaderplatz ist angeblich schon vergeben - und zwar an Paul George. Der Pacers-Forward "profitiert" dabei von seiner schlimmen Verletzung während der WM-Vorbereitung im vergangenen Sommer. Man könnte es als Entschädigung für das verpasste Jahr betrachten.

Ich packe meinen Koffer...

Coach K und Colangelo hätten angesichts des zur Verfügung stehenden Talent-Pools vermutlich Spaß an dem bekannten Kinderspiel, wäre da nicht manch knifflige Entscheidung zu treffen.

Als sichere Kandidaten für Rio gelten Stephen Curry, James Harden, Russell Westbrook, Chris Paul, Kevin Durant und Anthony Davis. Damit wären bereits acht von zwölf Plätzen vergeben. Um die verbleibenden vier Flugtickets nach Brasilien streiten sich - sollten alle gesund bleiben und spielen wollen - voraussichtlich 28(!) Akteure.

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Endstation Vegas?

Harrison Barnes, Michael Carter-Williams, Tobias Harris, und Bradley Beal können sich freuen, überhaupt nach Vegas eingeladen worden zu sein. Nachdem sie ihre Aufgabe als Füllmaterial und Gegenspieler ausgeführt haben, endet die Road to Rio für sie wahrscheinlich bereits nach dem Training Camp.

Gleiches gilt wohl für die WM-Fahrer Kenneth Faried, Mason Plumlee, Rudy Gay, Andre Drummond und DeMar DeRozan. Faried und Plumlee blieben letzte Saison hinter den Erwartungen zurück, Gay und DeRozan müssen der jüngeren und besseren Konkurrenz den Vortritt lassen. Drummond bringt gleich zwei Probleme mit: Zum einen hat Krzyzewski in seinem präferierten Small Ball Lineup keinen großen Bedarf an Big Men, zum anderen ist die Schwäche von der Linie ein Killer. Vermutlich wird sie das auch für Dwight Howard und DeAndre Jordan sein.

Victor Oladipo, Gordon Hayward und Chandler Parsons sind in der Liga-Hackordnung zwar auf dem Weg nach oben, für Olympia reicht es aber noch nicht. Umgekehrt sind LaMarcus Aldridge und Mike Conley über ihren Zenit hinaus. Für Jimmy Butler, Draymond Green und John Wall müsste in der Vorbereitung schon alles optimal laufen, damit einer der drei Instagram nächstes Jahr mit Cristo-Selfies überfluten könnte.

Ein letztes Mal?

Und dann wären da ja noch die Sonderfälle. Carmelo Anthony hat zwar kein gutes Jahr hinter sich, doch wie LeBron war er bereits dreimal bei Olympia dabei. Und im Gegensatz zur Liga zeigte Melo im Nationaltrikot konstant starke Leistungen. Trotzdem eher unwahrscheinlich, dass er es mit seinen 31 Lenzen in den Kader schafft.

Eigentlich sollten die Spiele in London die letzten von Kobe Bryant sein, doch das Gerücht, die Black Mamba könnte mit einem letzten Höhepunkt in Rio seine Karriere beenden, halten sich hartnäckig. "Wenn er ein großartiges Jahr haben würde, wäre es eine tolle Geschichte für ihn, seine Karriere mit dem Gewinn einer Goldmedaille zu beenden", so Colangelo.

Ja, die Story hätte schon etwas und die Amerikaner lieben bekanntlich jedes Happy End. Aber seien wir mal realistisch. Selbst wenn Bryant die 82 Spiele seiner wohl letzten Saison ohne größere Verletzungen überstehen sollte: Er ist längst kein Two-Way-Player mehr und zudem mit seiner egozentrischen Art alles andere als der Prototyp des neuen Team USA. Nichtsdestotrotz wäre es natürlich eine deutlich schönere Verabschiedung in den Ruhestand als eine 31-Siege-Saison mit den Los Angeles Lakers.

Eine Frage der Philosophie

Bleiben noch einige wenige Kandidaten, die sich die besten Chancen auf ihr - mit Ausnahme vom Waxing - erstes brasilianisches Erlebnis ausrechnen dürfen: Kyrie Irving, Klay Thompson, Kawhi Leonard, Blake Griffin, DeMarcus Cousins und Kevin Love. Letzterer allerdings nur, wenn er kommende Saison wieder mehr in Richtung Minnesota-Love und weniger Richtung Cleveland-Love tendiert.

Letzten Endes wird es darauf ankommen, welche Positionen Coach K mit den vier verbleibenden Spots doppelt besetzen möchte. Das auf dem Papier "beste" Lineup (wenn es das überhaupt gibt), ist nicht automatisch das beste Lineup im Turnier bzw. für die zu erwartenden Gegner. Bei der WM 2014 waren es neben dem Outside-Shooting vor allem die athletischen Big Men der US-Boys, gegen die keine andere Mannschaft ein Mittel fand.

Insbesondere Anthony Davis legte nach einer starken Vorstellung in Spanien eine Fabel-Saison bei den New Orleans Pelicans hin. Auch andere Spieler haben inzwischen erkannt, wie wichtig das Training mit den anderen Stars des Landes für ihre individuelle Entwicklung sein kann. "Eisen schärft Eisen", formulierte beispielsweise Kevin Durant: "Deswegen will ich nicht alleine trainieren, sondern gegen einige der besten Jungs antreten."

Eisenhart geht es in Vegas allerdings nicht zu. Der Schatten des komplizierten Schien- und Wadenbeinbruchs von PG-13 liegt auch dieses Jahr noch über dem Training Camp - unter anderem deshalb wurde bei allen Übungseinheiten und für das abschließende Show Game weitestgehend Kontaktlosigkeit verordnet. 12 Monate vor Rio sicher keine schlechte Entscheidung.

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