NBA

Quo vadis, Dirk?

Dirk Nowitzki am Boden, DeAndre Jordan obenauf - oder doch zwei Verlierer?
© imago

Nach den Gewinnern der NBA-Free-Agency stehen diesmal die Verlierer der abgelaufenen Rekrutierungsphase auf dem dem Programm. Mit dabei natürlich Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks - aber auch für DeAndre Jordan könnte das dicke Ende noch kommen. Außerdem: Der freigiebige Vivek Ranadive und die gebeutelten Trail Blazers

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Dirk und Dallas' Flickenteppich

"Wie viele 'Was zum...?'-Momente gab es schon, seit die Free Agency begonnen hat?", twitterte der große Deutsche noch am 2. Juli vergnügt, als bereits hunderte Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hatten - mündlichen Zusagen zufolge. Er selbst tippte auf etwa zehn - und erfuhr am eigenen Leib, wie gut diese "Was zum...?"-Moment tun können. Jaaa, wir haben DeAndre und Wes Matthews! Reload! Kampf um den Titel!

Dummerweise erfuhr er dann eine Woche später auch, wie bitter diese Momente sein können. In einer Posse, die in der Geschichte der NBA ihresgleichen sucht, ließ Center DeAndre Jordan die Mavs im Regen stehen - die Geschichte ist ja schon ausführlich erzählt. Plötzlich klaffte ein Riesenloch in der Starting Five, Tyson Chandler war weg, der Free-Agent-Markt ausgetrocknet. Was nun?

Ohne Jordan und Matthews hätte man sich für eine Tanking-Saison entschieden, hatte Cuban kurz zuvor ausgeplaudert. Matthews wollte aber trotzdem kommen - und beim Besitzer regiert seit der schmerzhaften Episode vor DJs Haustür der Trotz und die "Jetzt-erst-recht!"-Mentalität. Also tat man das, was man auch in den letzten Jahren getan hatte, als keine Superstars kommen wollten.

Die Mavs nach Jordans Absage: Bitteres Ende keiner Beziehung

Mit den Zaza Pachulias dieser Welt werden Löcher gestopft. Vielleicht kommen auch noch ein alternder Deron Williams, Shaqtin-Ikone JaVale McGee, Samuel Dalembert, Pascal Roller und Yi Jianlians berühmter Stuhl. Cuban wütet via Cyberdust derweil täglich gegen DeAndre, Gott und die Welt - und der an gebrochenem Herzen leidende Chandler Parsons hört seine "My Chemical Romance"-Playlist rauf und runter.

Auch wenn man die Mavs im Kampf um den letzten Playoff-Platz nicht komplett abschreiben sollte - Rick Carlisle ist immer noch ein großartiger Coach - geht es im Spätherbst von Nowitzkis Karriere offenbar nicht noch einmal nach vorn. Dabei wollte ihm ganz Dallas einen rauschenden Abschied bereiten. Ein Trade zu einem Contender ist schwer vorstellbar. Bleibt eigentlich nur noch Mitleid. PS: Zum Free-Agent-Desaster hat sich Dirk übrigens noch nicht gemeldet. Kein Wunder - dafür hat er einfach zu viel Klasse.

Der weichgeklopfte DeAndre

Jup, die Clippers sind der große Gewinner. Ihr Center ist zurück, der Kader ist stärker als noch in der vergangenen Saison - und was haben wir alle über die Emojis gelacht.

Jordans Ruf allerdings, der ist mehr als ramponiert. Die Meinung ändern: kein Problem. Das neue Team und die eigenen Agents jedoch hinzuhalten und nicht Manns genug sein, Cuban gegenüberzutreten und sich zu erklären - das hinterlässt Spuren. Mit einer halbherzigen Twitter-Entschuldigung ist es da nicht getan.

Die Clippers und der schmale Grat: Die Gewinner der Free Agency

Clippers-Fans werden ihn lieben, das ist klar - und klar ist auch: DeAndre will geliebt, umworben, gebraucht, geschätzt werden. Aber nicht nur bei der gehörnten Mavs-Fangemeinde wird er Probleme bekommen. Wer sich gleich doppelt derart weichklopfen lässt, muss sich den Respekt des Gegners erst mühsam zurückverdienen. Ein Ring würde sicher helfen und die Chancen in L.A. sind ungleich größer als in Big D. Aber die Trips an die Freiwurflinie dürften noch öfter zum Spießrutenlauf werden als bislang.

Es wird sich auch zeigen müssen, wer bei den Clippers da nun eigentlich zu Kreuze gekrochen ist: Klar, das Team ist voller Mannschaftsstärke bei Jordan angetreten, um ihn zum Bleiben zu überreden, auch das Verhältnis zu CP3 wolle man kitten. Doch den ersten Schritt zurück zu den Clips hatte der Big Man gemacht. Und jetzt wo klar ist, dass Jordan ohnehin nicht den Mumm hat, das Team zu verlassen, soll er in selbigem plötzlich eine größere Rolle einnehmen? Wahrscheinlicher ist da, dass er durch die Verpflichtung von Paul Pierce sogar noch einen Platz in der Hackordnung verliert.

(Über das neue Logo breiten wir lieber den Mantel des Schweigens.)

Portlands Schweizer Käse

Ein Team gibt es, das dann doch ganz gern mit den Mavericks tauschen würde. Center und Shooting Guard verloren? Portland geht mit - und erhöht auf Center, Shooting Guard und beide Forwards. Vier von fünf Startern haben ihren Hut genommen, in der Rangordnung der Western Conference legen die Blazers damit einen fast schon epischen Sturz hin.

Alle Entscheidungen der Free Agency im Überblick

In den vergangenen Jahren hatte man im Nordosten der USA noch um Heimvorteil in den Playoffs mitgespielt, wenn nicht sogar mehr. Jetzt bleibt außer Damian Lillard, den man immerhin mit einem neuen Max Contract halten konnte, nur noch ein Scherbenhaufen. Vollmundig hatte LaMarcus Aldridge angekündigt, der beste Blazer aller Zeiten werden zu wollen. Damit wird es jetzt eng.

Es gibt einen schwachen Lichtstrahl am Horizont. Um Lillard, Talente und den einen oder anderen guten Draft Pick aufzubauen, ist nicht die schlechteste Methode - die Celtics etwa würden einen Spieler von Dames Kaliber mit Handkuss nehmen. Dazu kommt noch eine Menge Cap Space in den kommenden Jahren. Trotzdem: Für die Fans ist es eine ganz bittere Pille - vor zwei Jahren war ein solches Szenario noch absolut undenkbar.

Geld stinkt nicht - oder doch?

Besitzer Vivek Ranadive hat keine Lust mehr auf Rumdümpeln in den unteren Tabellenregionen. Wie so oft bei frischgebackenen Teambesitzern muss es ganz schnell gehen mit dem Erfolg - koste es, was es wolle. Also wurde auf Kosten von Picks und Pick-Swaps Platz im Kader und unter dem Salary Cap geschaffen, der dann flugs mit hochkarätigen Free Agents gefüllt werden sollte.

Das Problem: Die Riege der Superstars - und auch die der Stars - zeigte den Kings kollektiv die kalte Schulter, da konnte Ranadive noch so sehr mit den Geldkoffern winken. Kein Aldridge, kein Monta Ellis, kein Wes Matthews. Voller Verzweiflung wurde dann an den NBA-Rastplätzen alles eingepackt, was vom vorigen Besitzer dort teilweise mit voller Absicht ausgesetzt worden war. Kosta Koufos, Marco Belinelli - und als Sahnehaube auch noch Rajon Rondo.

Warum Rondo? Vielleicht, weil der nach seinen Dallas-Eskapaden DeMarcus Cousins wertvolle Tipps geben kann in der Frage: "Wie verscherze ich es mir mit meinem Coach in Rekordzeit voll und ganz?" Wobei das Boogie und George Karl bisher auch so ganz gut hingekriegt haben. Ein Rosenkrieg sondergleichen droht - kaum vorstellbar, dass beide das Ende der Saison in Sac-Town erleben werden. Und da wundert man sich, dass die Free Agents nicht anbeißen?

"Et tu, Gregus?"

Wenn die Lakers außer einem alternden Superstar und ein paar talentierten Nachwuchsspielern nichts vorzuweisen haben, außer Cap Space. Und wenn die Knicks nichts vorzuweisen haben, außer... äh... einem nicht ganz so alten Superstar, dafür aber weniger talentierten Nachwuchsspielern, und natürlich Cap Space. Dann ist klar: Die Zeiten haben sich geändert.

Die großen Märkte, die schillernden Metropolen, die glanzvollen Arenen und glorreichen Historien. Das alles zieht nicht mehr. Stattdessen zieht es die Superstars in die texanische Hitze oder das cleveländische Ödland. "Et tu, Gregus?" mögen Jim Bus und Phil Jackson unisono gerufen haben, als sie Greg Monroe sitzen ließ und sich dafür dem Winter Wisconsins aussetzte. Das Internet und Social Media haben Hollywood und dem Big Apple ihre Vormachtstellung geraubt - und die Misswirtschaft in den dortigen Front Offices tut ihr übriges.

Man müsse erst einmal wieder gewinnen, dann kommen die hochpreisigen Superstars schon von allein zu den Knicks, beschwichtigte Phil Jackson unlängst. Als neutraler Fan kann man da nur sagen: Genau so soll es sein! Kluges und langfristiges Teambuildung soll sich im Erfolgsfall auch im Hinblick auf Free Agents auszahlen. Die Spurs machen es vor.

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