NBA

Rien ne va plus

Von Martin Gödderz
Nicolas Batum wechselte in diesem Sommer von den Blazers zu den Hornets
© getty

Nach der schlechtesten Saison seiner Karriere startet Nicolas Batum bei den Charlotte Hornets einen Neuanfang. Es ist ein gewagtes Spiel für beide Seiten. Gelingt dem hochbegabten Franzosen der Durchbruch als konstante Offensiv-Option eines Teams oder versinkt er im NBA-Mittelmaß?

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Es war noch nicht einmal Juli, mit zukünftigen Free Agents durften offiziell nicht einmal Gespräche geführt werden, als die Charlotte Hornets einen Tag vor dem Draft am 24. Juni Nägel mit Köpfen machten. Gerade hatten sie Missverständnis Lance Stephenson gen Los Angeles verschifft, schon setzten die Hornissen erneut alles auf eine Karte.

Rien ne va plus, nichts geht mehr: Das Front Office um Owner Michael Jordan hatte sich entschieden und so holte Charlotte via Trade Nicolas Batum aus dem fernen Portland. Ein weiteres großes Risiko für die Franchise aus North Carolina. Nur ein Jahr nach der Verpflichtung von Lance Stephenson, die zum Fiasko geriet, war man erneut bereit zu zocken.

"Natürlich ist da ein Risiko. Wenn Nic in seinen Dreißigern wäre, könnte ich auch verstehen, dass die Leute skeptisch sind, aber wir versuchen eine Balance zwischen Win now und Win later zu finden. Nic gibt uns das Beste von beiden Welten", stellte General Manager Rich Cho nach der Verpflichtung des Franzosen fest.

Dabei erscheint es auf den ersten Blick gar nicht so, als stelle der Franzose mit den kamerunischen Wurzeln überhaupt ein Wagnis dar. Mit seinen gerade einmal 26 Jahren verfügt Batum schon über sieben Jahre NBA-Erfahrung und schlug bereits einige Playoff-Schlachten mit den Blazers. Doch schaut man genauer hin, blickt man auf ein ewiges Talent, das in Charlotte nun am Scheideweg steht.

Seuchensaison für den Hochbegabten

"Nichts geht mehr", so könnte auch die Überschrift von Batums letzter Saison bei den Portland Trail Blazers lauten. Es lief nur noch herzlich wenig zusammen für den Flügelspieler, den die Blazers, kurz nachdem er Draft 2008 an 25. Stelle gezogen worden war, in einem Trade für Darrell Arthur und Joey Dorsey von den Houston Rockets losgeeist hatten.

Der vielseitige Flügel durchlebte 2014/2015 eine Seuchensaison. In allen statistischen Bereichen zeigten seine Leistungen nach unten. Karrieretiefstwerte bei den verwandelten Feldwürfen (40 Prozent) und Dreiern (32,4). Dazu so wenige Punkte (9,4) im Schnitt wie zuletzt in seiner Rookie-Saison, in der er aber nur halb so lange auf dem Parkett stand.

Der Rücken, das Knie, die Schulter. Immer wieder warfen Batum kleinere Verletzungen zurück. Nur ein Jahr nach der wohl besten Saison seiner Zeit in Oregon (13/14: 13,0 Punkte, 7,5 Rebounds, 5,1 Assists) folgte der jähe Abstieg hin zu Ineffektivität und Wurfproblemen. Batum erschien plötzlich immer verzichtbarer für die Trail Blazers.

Zudem musste sich Portlands Nummer fünf lange Zeit abseits des Feldes mit Unterhaltsforderungen seiner Ex-Frau Melanie Pimentel herumschlagen. Eine zusätzliche Belastung.

Warten auf den großen Durchbruch

Die Verlauf der beiden letzten Spielzeiten ist bezeichnend für den bisherigen Karriereverlauf des Mannes, der in seiner Heimat nur "Batman" genannt wird. Immer wenn es so scheint, als könne dem mit so viel Talent ausgestatteten Franzosen der große Durchbruch gelingen, passiert das Gegenteil. Batums riesiges Potenzial zeigt sich immer wieder nur in Schüben.

Als Batum im Februar 2012 vier Spiele lang Wes Matthews in der Starting Five der Blazers ersetzte und im Schnitt 22,8 Punkte bei einer Feldwurfquote von 52,9 Prozent auflegte, da meinte er selbstbewusst: "In der Vergangenheit ist manchmal etwas bei mir aufgeblitzt und ich war kurzzeitig viel aggressiver. Ich musste mir selber einreden, jedes Spiel so zu agieren. Ich glaube, jetzt kann ich es. Ich fühle mich wie ein anderer Spieler."

Doch statt sich endgültig als zweite Option neben LaMarcus Aldridge zu etablieren, rückte Batum wieder ins hintere Glied. Als Damian Lillard in seiner Rookie-Saison zu einem der besten Scorer der Staaten aufstieg, verringerte sich der offensive Einfluss Batums noch weiter.

Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, wenn Hornets-GM Ric Cho auf die Perspektiven von Batum verweist. Mit 26 Jahren wirkt es noch immer nicht so, als hätte Batman der Association sein ganzes Können aufgezeigt.

Vielseitig, mobil, begehrt

Von den Kollegen stets in höchsten Tönen als Teamplayer gelobt, füllt der Sohn eines Kameruners an beiden Enden des Feldes etliche Lücken. Mit seinem Flügel-Gardemaß von 2,03 Metern, schnellen Beinen und einer Spannweite von 216 Zentimetern ist die etwas kleinere Version von Giannis Antetokounmpo seit jeher in der Lage gleich vier Positionen effektiv zu verteidigen.

"In einem Spiel gegen die Dallas Mavericks habe ich sowohl Dirk Nowitzki, wie auch Jason Kidd und Jason Terry gedeckt", stellte Batum seine Fähigkeiten einst in den Vordergrund.

In der Offensive glänzt der französische Nationalspieler durch seine Vielseitigkeit. Er nennt einen sicheren Dreier sein eigen (36,3 Prozent Karriereschnitt) und kann dank seines guten Ballhandlings und dem Blick für den Mitspieler auch als Point Forward agieren. Große Schwächen hat er nicht.

So stellte Damian Lillard noch während Batums schwacher letzter Saison fest: "Er ist Mr. Everything. Unser Mädchen für alles." Dass Batum ein exzellenter Rollenspieler ist, bewies er nicht nur in Portland, sondern auch in seinem Nationalteam beinahe durchgehend. Doch er vermittelt stets den Eindruck, dass mehr in ihm steckt.

Neuanfang und große Bewährung

Das Potenzial des Franzosen entdeckten auch die Minnesota Timberwolves, die ihn 2012 zur Truppe um Hoffnungsträger Ricky Rubio holen wollten. Batum war angetan. Weil er aber lediglich Restricted Free Agent war, hielten ihn die Blazers in Oregon. Es folgte das beinahe schon bekannte Bild. Batum machte zwei Schritte vor und einen Schritt zurück. Einen großen Schritt zurück, wenn man die letzte Spielzeit betrachtet.

Weil der Small Forward in Portland trotz all seiner Vorzüge verzichtbar geworden ist und die Trail Blazers sowohl für Aldridge als auch für Lillard Geld brauchten, machten sie kurzen Prozess und schickten ihn nach Charlotte.

Der Trade ist aus Sicht der Hornets schon deshalb ein Risiko, weil Batums Vertrag am Ende der Saison ausläuft. Trotz der neuerlichen Treuebekundungen gen Charlotte, ist nicht auszuschließen, dass Batum die Free Agency testet. Dort wartet schließlich viel Geld.

Vorerst ist der Wechsel für den 26-Jährigen aber vor allem ein Neuanfang, der gleichzeitig auch eine Bewährungsprobe bedeutet. Schöpft er sein ganzes Potenzial endlich aus und führt die Hornets in die Playoffs? Oder spielt er wie in der letzten Saison und wiederholt so in Charlotte die Akte Stephenson?

"Größere Rolle gefällt mir"

Die Antwort kann nur der Franzose selbst liefern, der nun aber zunächst beim ersten NBA Africa Game weilt. Er ist sich seiner besonderen Situation bewusst. Bei seinem Antritt betonte Batum: "Ich weiß, dass meine Rolle hier größer wird und das gefällt mir. Ich weiß, dass ich viel kann und gemeinsam mit Kemba Walker sollten uns großartige Dinge gelingen."

Coach Steve Clifford plant mit Batum als Shooting Guard an der Seite von Walker, während Michael Kidd-Gilchrist weiterhin als Small Forward auflaufen soll. Dabei bringt Batum als vielseitige Allzweckwaffe, starker Passgeber und Distanzschütze genau die Eigenschaften mit, die in Charlotte bislang fehlten.

Für Batum ist der Neuanfang die Chance, endlich zu einer konstanten Offensiv-Option aufzusteigen und eine tragende Rolle zu übernehmen. Nicht umsonst betonte er: "Dieses Team hat eine große Zukunft." Eine Zukunft, die auch in entscheidendem Maße vom französischen Neuzugang abhängt.

Rien ne va plus. Die Einsätze sind abgegeben. Die kommende Saison wird über Gewinn oder Verlust entscheiden. Über den endgültigen Durchbruch oder NBA-Mittelmaß. Für die Charlotte Hornets. Für Nicolas Batum.

Der Kader der Charlotte Hornets

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