NBA

Des Paten Werk und Wades Beitrag

Von Max Marbeiter
Pat Riley (l.) ist seit 1995 bei den Miami Heat, Dwyane Wade (r.) seit 2003
© getty

Pat Riley hat es wieder einmal geschafft. Ein Jahr nach LeBron James' Abgang gehen die Miami Heat wieder mit großen Ambitionen in die neue Saison. Das Team scheint bestens gerüstet zu sein. Allerdings war diesmal auch ein wenig Glück vonnöten - und ein Zugeständnis von Dwyane Wade.

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Pat Riley hat etwas Spezielles an sich. Die zurückgegelten Haare. Die Designer-Anzüge. Das selbstsichere Auftreten. Es soll keinesfalls despektierlich klingen, aber Riley versprüht einen Hauch von Pate, das wird auch er selbst kaum leugnen. Und seit nunmehr 20 Jahren tut er dies am South Beach. 1995 kam Riley als Coach nach Miami, später wurde er zum Teampräsidenten. Das Ergebnis blieb meist dasselbe.

Alle Entscheidungen der Free Agency im Überblick

Riley brachte den Heat Erfolg. Lediglich vier Mal verpasste die Expansion-Franchise von 1988 unter seiner Leitung die Playoffs. Demgegenüber stehen drei Meisterschaften und fünf Finalteilnahmen. Riley holte Shaquille O'Neal aus L.A., vereinte die Big Three um Dwyane Wade, LeBron James und Chris Bosh. Riley ertrade und erhandelte Erfolg.

Denn Riley verfolgt einen Plan. Permanent. Immer wieder studiert er Depth Charts seines Teams, untersucht Verträge. Er scoutet, kommuniziert mit Spielern oder Heat-Offiziellen, bis er sich schließlich eine gewinnbringende Strategie zurechtgelegt hat. Vor rund einem Jahr war diese Strategie allerdings so kompliziert zu finden wie selten zuvor. James war soeben aus seinem Vertrag ausgestiegen, hatte ein wenig Verstecken gespielt und war schlussendlich nach Cleveland zurückgekehrt.

LeBron weg? Egal!

Der beste Spieler der Liga hatte Miami verlassen. Kein angenehmes Szenario, allerdings auch keines, das Pat Riley aus der Ruhe bringen würde. Er werde ein Team zusammenstellen, das "so konkurrenzfähig wie jedes andere in der Eastern Conference ist", ließ er kurz nach LeBrons Abschied verlauten.

Um etwaigen Missverständnissen direkt vorzugreifen: Es hat zunächst nicht funktioniert. Lediglich 37 Spiele gewannen die Heat und verpassten damit erstmals seit 2008 wieder die Playoffs. Am Einsatz des Pat Riley lag es allerdings nicht. Nicht nur, dass er trotz LeBrons Abgang und eines Maximalangebots aus Houston Chris Bosh hielt, er verlängerte auch mit Dwyane Wade. Dazu kamen Luol Deng, Josh McRoberts und Danny Granger. Gute, teils weniger gute (Granger), am Ende keine hochkarätigen Neuzugänge.

Eine Starting Five, die nie zustande kam

Den Umständen entsprechend hatten die Heat aber dennoch ein durchaus vorzeigbares Team zusammengestellt. Zumal man während der Saison Hassan Whiteside entdeckte und zudem Goran Dragic verpflichtete. Plötzlich schien sogar ein Playofftreffen mit LeBron wieder im Bereich des Möglichen zu sein.

Eine Starting Five aus Dragic, Wade, Deng, Bosh und Whiteside wirkte schließlich durchaus vielversprechend. Nur kam sie eben nicht zusammen. Kurz nach Dragic' Ankunft wurden in Bosh' Lunge Blutgerinnsel festgestellt. Der Big Man fiel bis Saisonende aus, Miami irgendwann aus dem Playoff-Rennen. Die Heat hatten verloren. Ein Unding für Riley.

Andererseits hatte das Verpassen des Postseason auch etwas Gutes. Miami besaß einen Lottery-Pick. Etwas, das in Rileys Planspielen so eigentlich überhaupt nicht vorkommt. "Für mich ist es nicht gut, über den Draft das Team aufzubauen", erklärte er einst gegenüber dem Bleacher Report. "Lotterypicks haben ein unglaublich hartes Leben. Die Saison ist elend. Wenn ich drei oder vier Jahre spielen würde, um Lotterypicks zu bekommen, wäre ich in einem komplett verrückten Irrenhaus. Die Fans ebenfalls. Wer will so etwas?"

Ein wenig Glück für den Paten

Vielleicht dachte Riley auch in diesem Jahr ähnlich. Eine Garantie auf einen zukünftigen All- oder gar Superstar ist der zehnte Pick schließlich nicht. Allerdings dürfte Riley während des Drafts langsam, aber sicher immer bessere Laune bekommen haben. Pick um Pick wurde verkündet. Justise Winslow war nicht dabei.

Ihn, den viele potentiell sogar unter den besten Fünf gesehen hatten, wollte plötzlich keiner mehr haben. Und als die Heat schlussendlich dran waren, schlugen sie zu. Schnell machte der Mythos Pat Riley die Runde. Wie hatte er das nur wieder hinbekommen? Nun, er hatte es überhaupt nicht hinbekommen. Manchmal braucht eben auch ein Pate ein wenig Hilfe von oben, das nötige Glück.

Denn das - und nichts anderes - ist die Verpflichtung Winslows. Eine glückliche Fügung. Nicht nur, dass der Forward relativ schnell auf NBA-Niveau liefern dürfte, dass er tatsächlich das Potential eines All-Stars besitzt, er spielt auch genau dort, wo die Heat Probleme haben. Auf dem Flügel.

Dort war Miami vergangene Saison arg dünn besetzt. Dort fielen Wade und Deng immer wieder aus. Dort ist zwar auch mit Winslow nicht alles perfekt, aber doch ein deutliches Stück tiefer. Winslow ist vielseitig, athletisch, gilt als guter Defender. Dass der Wurf in der Summer League noch ein wenig wackelt, sollte fürs erste niemanden in Panik verfallen lassen. Dass er nicht die erste Offensivoption sein muss, ist wiederum eine glückliche Fügung für den Rookie. Als Primärscorer werden ihm Probleme prophezeit.

Wades Zugeständnis

Ob er sie am Ende auch haben wird, lässt sich derzeit selbstverständlich nicht valide vorhersagen. Dass er zu Beginn seiner Karriere nicht zu sehr im Fokus stehen wird, dagegen durchaus. Immerhin scheint Chris Bosh rechtzeitig zum Training Camp wieder fit zu werden. Das liegt einerseits sicherlich an der guten Arbeit der Ärzte, andererseits an Bosh' Konstitution. Dass Miami Winslow nur ein Jahr nach James' Abgang in ein derart vorzeigbares Team integrieren kann, darf dagegen mal wieder guten Gewissens Riley angerechnet werden.

Dabei hatten einige bereits gedacht, er hätte sich verzockt. Wade sei verärgert, hieß es. Nachdem er aus seinem Vertrag ausgestiegen war, könne er sich tatsächlich einen Wechsel vorstellen. Er, der für die Heat steht wie kein Zweiter, der seine gesamte Karriere am South Beach verbracht hat, könne ein anderes Team wählen.

Wade wolle einen langfristigen Max-Deal, Riley Flash keinen anbieten, wurde spekuliert. Stimmen all die Gerüchte tatsächlich, hat Riley am Ende jedoch mal wieder vieles richtig gemacht. Er bot Wade mehr Geld (20 Millionen Dollar gegenüber 16,1 Millionen in der vergangenen Saison), überzeugte seinen Shooting Guard gleichzeitig aber von einem Einjahresvertrag.

Und dieser Einjahresvertrag gewährt den Heat im Sommer 2016 größtmögliche Flexibilität. Derzeit haben sie für die Saison 2016/17 "lediglich" 48,9 Millionen Dollar an garantierten Verträgen in den Büchern. Geht man nun davon aus, dass der Salary Cap tatsächlich auf an die 90 Millionen ansteigt, stünde genug Geld zur Verfügung, um sowohl erneut mit Wade zu verlängern als auch Hassan Whiteside zu binden und einen weiteren Maximalvertrag aufzunehmen. Es geht schlechter.

Schnäppchen Gerald Green

Viel besser als Gerald Green für das Veteranen-Minimum zu holen, geht dagegen kaum (Superstarverpflichtungen selbstverständlich ausgeschlossen). Denn erstens trägt auch der ehemalige Sun dazu bei, Miamis Probleme auf dem Flügel zu lindern, und zweitens ist es schlicht ein herausragendes Geschäft. Für den kleinstmöglichen finanziellen Aufwand haben die Heat den zu diesem Zeitpunkt vielleicht bestmöglichen Ertrag erhalten.

Natürlich stehen hinter Green Fragezeichen. Die vergangene Saison konnte definitiv nicht an das herausragende Jahr 2013/14 anknüpfen, die Quoten aus der Distanz sanken von 40 Prozent auf 35,4 Prozent. Dazu dreht Green offensiv des Öfteren ein wenig durch, nimmt schlechte Würfe und gestattet Gegenspielern durchweg bessere Quoten, wenn er sie verteidigt (45,7 Prozent FG vs. 43 Prozent).

Doch noch mal: Die Heat bezahlen dem Flügel das Minimalgehalt. 1,4 Millionen Dollar. In Zeiten, in denen Ömer Asik in fünf Jahren 58 Millionen verdienen kann, ein Schnäppchen. Zumal Green seinen Dreier über die Karriere durchaus sicher trifft (36,8 Prozent 3FG) und dank seiner Athletik ein wertvoller Rotationsspieler auf dem Flügel werden kann.

"Ein ernsthafter Contender" im Osten

Dass die Heat neben Green Amar'e Stoudemire verpflichteten und Goran Dragic' Vertrag für etwas weniger als das Maximum verlängerten, unterstreicht eines: Riley meint es ernst. "Mit einem vollständigen Roster sind wir im Osten ein Contender", sagt er. "Ein ernsthafter Contender. Wir tun alles dafür. Du musst hohe Erwartungen haben."

Hohe Erwartungen. Sie stehen sinnbildlich für Rileys Karriere. Verlieren ist keine Option. Deshalb ist er gnadenlos. Zu sich, aber auch zu anderen. Damit kommt wiederum nicht jeder klar. Ebenso wenig mit seinem grenzenlosem Selbstvertrauen und der direkten Art. "Bleibt zusammen, wenn ihr euch traut", hatte er seinen Big Three vergangenen Sommer mit in die Free Agency gegeben.

So kann es sein, dass Riley den einen oder anderen Free Agent verschreckt. Andererseits wissen sie, was sie in Miami bekommen. Eine Franchise, die vollständig auf Erfolg ausgelegt ist. Deren Teampräsident diverse Titel gesammelt hat, der einen Plan verfolgt. Entsprechend hoch geschätzt ist Riley Association-weit.

Rosige Aussichten am Southbeach

Und das zurecht. Denn seine Contender-Ansage ist keinesfalls blinde Träumerei eines 70-Jährigen. Bleiben die Heat gesund, gehen sie diesmal tatsächlich mit einer Starting Five aus Dragic, Wade, Deng, Bosh und Whiteside in ihre Spiele. Man muss schon ein wenig suchen, um eine beeindruckendere zu finden. Auf der Bank tummeln sich - Stand jetzt - Green, Winslow und McRoberts. Mit Tyler Johnson und Shabazz Napier dazu zwei talentierte Point Guards. Zudem Stoudemire. Es riecht wieder stark nach Playoffs in Miami.

Nun ist der Kern des Teams mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommen, am Ende ist es für den Moment aber sekundär. Denn Pat Riley will gewinnen. Jetzt. Dafür hat er beste Voraussetzungen geschaffen und die Franchise nur ein Jahr nach LeBrons Abgang wieder auf die Beine gestellt. "Wir haben uns vom letzten Jahr erholt", sagt er. Richtig. Das Werk des Paten.

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